Voraussichtlich am Mittwoch entscheidet das Bundeskabinett über den Ukraine-Ergänzungshaushalt. Auch das BMBF ist in das Ringen um die Zusatz-Milliarden eingestiegen.
NÄCHSTEN MITTWOCH geht es wieder um viel Geld. Dann entscheidet das Bundeskabinett über den sogenannten Ergänzungshaushalt, der laut Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die "Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg" finanzieren soll. Welche genau das sind und wie viel von den voraussichtlich 30 bis 40 Milliarden Euro an welches Ressort gehen, darüber wird hinter den Kulissen gerade kräftig gerungen.
Fest steht: Praktisch alle Ministerien haben die unterschiedlichsten Bedarfe angemeldet, die Spitzenpolitiker der Ampelparteien haben ihre Ellbogen ausgefahren. Auch das Haus von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) bestätigt auf Anfrage, dass das BMBF "im regierungsinternen Aufstellungsverfahren substantielle Mehrbedarfe für Maßnahmen im Bereich Bildung und Forschung insbesondere zugunsten Geflüchteter angemeldet" habe.
Was genau darunter zu verstehen ist, da hält sich das Ministerium bedeckt, ergänzt lediglich, außerdem die Erhöhung des Heizkostenzuschusses für Bafög-Empfänger beantragt zu haben. Dessen Höhe mit 230 Euro bislang unter dem für Wohngeld-Empfängern liegt und zudem überhaupt nur elf Prozent der Studierenden erreicht, wofür es unter anderem von Studierendenverbänden heftige Kritik gegeben hatte.
80 Millionen Euro für geflüchtete
Studierende und Forscher?
Viel diskutiert wurde in den vergangenen Wochen vor allem die erstmals hier im Blog formulierte Forderung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach einem bundesfinanzierten "großem Unterstützungsprogramm" für aus der Ukraine geflüchtete Studierende und Forscher, deren Zahl DAAD-Präsident Joybrato Mukherjee früh auf bis zu 100.000 geschätzt hatte. Geht es nach Mukherjee und dem vom DAAD vorgelegten Plan, so würden rund 80 Millionen Euro fällig, unter anderem für Stipendien, für die sprachliche und fachliche Integration und für die Weiterqualifikation von akademisch vorqualifizierten Fachkräften mit Blick auf den deutschen Arbeitsmarkt.
Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) wiederum hat den Wunsch nach zusätzlichen Mitteln für Sprachkurse, Studienberatung, psychologische Beratung und Kinderbetreuung eingebracht, Vorbild: das anlässlich der letzten großen Welle Geflüchteter eingebrachte, von 2015 bis 2019 laufende, mit insgesamt 100 Millionen Euro dotierte Integra-Programm.
Das Deutsche Studentenwerk (DSW) forderte unter anderem die Öffnung des BAföG für ukrainische Studierende, deren Lebensunterhalt zurzeit über das Asylbewerberleistungsgesetz läuft. Und all das ist nur eine Auswahl vieler Ideen und Vorschläge, die ans BMBF herangetragen wurden und die das Ministerium wiederum weitergereicht hat – oder auch nicht.
Hier vielleicht ein paar hundert Millionen für die Bildung,
da Milliarden für die Benzinsubvention
Das BMBF bestätigt zu all dem nur sehr allgemein, "dass Mittel zugunsten Geflüchteter... Gegenstand der Haushaltsanmeldung des BMBF für den Ergänzungshaushalt 2022 sowie den Regierungsentwurf für den Haushalt 2023 mit Finanzplan bis 2027" seien. Das mit dem Haushalten 2023 und folgende dürfte zum Beispiel für den DAAD wichtig sein, weil vor allem Stipendien meist mehrere Jahre umfassen, es also nicht mit einem auf dieses Jahr begrenztem DAAD-Unterstützungsprogramm getan wäre.
Nun würden selbst ein paar hundert Millionen für Bildung und Wissenschaft nicht nach besonders viel aussehen angesichts eines Gesamtpakets von mehreren Dutzend Milliarden – erst recht, wenn allein schon 3,1 Milliarden in die Subvention von Benzinkosten fließen sollen, die mittlerweile schon von selbst wieder Richtung Vorkrisenniveau gefallen sind. Und doch ist völlig offen, wie groß die Brocken sein werden, die sich das BMBF aus dem Ergänzungshaushalt wird sichern können.
Das BMBF weicht den Fragen
nach konkreten Summen aus
Was wohl auch die Zurückhaltung des Ministeriumssprecher bei der Auskunft über die konkret vom BMBF angemeldeten Summen erklärt. Innerhalb der Bundesregierung setze sich sein Ministerium dafür ein, "dass substantielle Mehrbedarfe... für Maßnahmen im Bereich Bildung und Forschung zugunsten Geflüchteter zur Verfügung gestellt werden", sagt er im schönsten Amtsdeutsch. "Über die Anmeldungen der anderen Ressorts haben wir keine Kenntnisse."
Was dann doch überraschend und wenig glaubhaft ist, dass BMBF-Chefin Stark-Watzinger und ihre Führungsetage nicht schaut, was die anderen Ministerien so an den Start gebracht haben. Zumal vieles davon ja längst in die Medien gelangt ist. Die Militärhilfe für die Ukraine vor allem, humanitäre Hilfen, aber auch das Mobilitätspaket, Kostenzuschüsse und Kredithilfen für Unternehmen und vieles mehr.
Und was ist eigentlich mit den Schulen? Kommt da noch was? Immerhin rechnet die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien, mit 400.000 zusätzlichen Schülerinnen und Schülern aus der Ukraine und Kosten von mindestens 2,2 Milliarden Euro – was noch deutlich zu niedrig angesetzt sein dürfte: Die deutschen Bildungsausgaben pro Schüler liegen laut Statistischem Bundesamt bei gut 8000 Euro.
Die Bundesregierung hatte den Ländern aber bei der vergangenen Ministerpräsidentenkonferenz am 7. April lediglich eine Milliarde Euro zugesagt als Beteiligung des Bundes "an den übrigen Kosten der Länder im Zusammenhang mit den Geflüchteten aus der Ukraine, etwa für die Kinderbetreuung und Beschulung sowie Gesundheits- und Pflegekosten". Ziemlich wenig Geld für eine ziemlich breite Palette also, noch dazu ohne Zweckbindung – womit unklar ist, wieviel von dem Geld, das über zusätzliche Umsatzsteuer an die Länder gehen soll, überhaupt die Schulen erreicht.
Wieviel Geld die Schulen erreicht,
ist völlig ungewiss
Trotzdem war es das offenbar. Das BMBF hat, so scheint es, für die Schulen keine weiteren Bedarfe angemeldet. Das sei Sache der Länder, die ja die Kultushoheit hätten, heißt es im Hintergrund – deren Haushaltslage insgesamt sogar besser sei als die des Bundes. Offiziell sagt der BMBF-Sprecher, sein Ministerium sei "froh, dass es gelungen ist, vor knapp drei Wochen eine explizite Unterstützung des Bildungsbereichs im Beschluss der Bundeskanzler-Ministerpräsidentenkonferenz zu verankern". Bundesministerin Stark-Watzinger habe sich dafür im Vorfeld eingesetzt. "Dass bereits jetzt über 60.000 geflüchtete ukrainische Kinder und Jugendliche an unseren Schulen aufgenommen wurden, ist eine große Leistung, die Anerkennung verdient. Die spezifische Verwendung der Mittel liegt in den Händen der Ländern."
Nach dem Kabinettsbeschluss am Mittwoch geht der Ergänzungshaushalt dann ins parlamentarische Verfahren, die sogenannte Bereinigungssitzung des Haushaltsausschusses ist Ende Mai. Kein Wunder, dass die Wissenschaftsorganisationen in diesen Tagen auch intensive Gespräche mit den Bundestagsabgeordneten vor allem der Regierungsfraktionen führen. Deren Unterstützung, heißt es im Hintergrund, werde man womöglich noch brauchen.
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