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Ist es dann mal gut jetzt?

Warum die Corona-Zahlen bei den Kindern gerade abstürzen, was das mit der Datenerhebung zu tun hat und warum wirklich Schluss sein sollte mit den schrägen Debatten über ihre Rolle in der Pandemie.

WENN ES SICH NICHT UM EINE PANDEMIE HANDELTE und die Debatten der vergangenen zwei Jahre nicht so ermüdend gewesen wären, könnte man es fast lächerlich finden.

 

In der vergangenen Kalenderwoche infizierten sich nachweislich 74.765 Kinder und Jugendliche unter 15 mit dem Coronavirus. So wenige wie seit Anfang Januar 2022 nicht mehr. Obwohl zu dem Zeitpunkt Omikron noch nicht überall die Herrschaft übernommen hatte und gesamtgesellschaftlich nicht einmal halb so viele Neuinfektionen (338.000) gemeldet wurden wie in der vergangenen Woche (710.000). 

 

Deshalb wurde damals auch wie gewöhnlich von den exorbitant hohen Inzidenzen bei Schulkindern berichtet. Interessant hingegen, dass in dieser Woche bislang nicht die folgende Schlagzeile erschien: "Kinder und Jugendliche stecken sich weitaus seltener an als Erwachsene." Das wäre zwar, weil es sich lediglich um die offiziellen Meldedaten handelt, ebenso irreführend wie die so oft gelesenen Schlagzeilen von den überdurchschnittlich häufig infizierten Schülern, aber gut.

 

Fest steht: In der vergangenen Kalenderwoche lag der Anteil der 0- bis 14-Jährigen an allen von den Gesundheitsämtern registrierten Neuinfektionen bei 10,5 Prozent – und damit deutlich unter ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung (13,8). Während die über 60-Jährigen 17,3 Prozent der erfassten Fälle stellten. Innerhalb von elf Wochen hat sich der Anteil der Kinder und Jugendlichen damit halbiert und bewegt sich in Richtung ein Drittel, jener der Senioren hat sich mehr als verdoppelt. Denn noch Anfang Februar, in Kalenderwoche 5, stellten die 0- bis 14-Jährigen sage und schreibe 26,0 Prozent aller registrierten Neuinfizierten. Und die über 60-Jährigen: 8,5 Prozent. 

 

Hat sich das Virus plötzlich
komplett verändert?

 

Wie kann das sein? Hat sich das Virus plötzlich komplett verändert? Haben, was man ja annehmen könnte, die meisten Kinder und Jugendlichen bereits eine Infektion durchgemacht und sind deshalb vorerst immun geworden? Könnte sein, hat aber als Annahme eine ähnlich empirische Grundlage wie die Vermutung ganz zu Beginn der Pandemie, Kinder und Jugendliche steckten sich viel seltener an. Denn auch damals wurden weit unterdurchschnittlich viele Neuinfektionen unter ihnen registriert. 

 

Der wahre Grund dürfte daran liegen, dass gerade wieder eine Verzerrung die andere ablöst. Verzerrung Nummer eins zu Beginn der Pandemie: Coronapositive Kinder haben seltener Symptome als Erwachsene, und solange es keine anlasslosen Tests gab, wurden Infektionen bei ihnen mit geringerer Wahrscheinlichkeit festgestellt.

 

Verzerrung Nummer zwei etwa ab Herbst 2020: Kinder wurden mehr und mehr getestet, Schüler ab Frühjahr 2021 sogar und als einzige Bevölkerungsgruppe per Pflicht-Reihentests. Als in der Folge ihre Inzidenzen explodierten, nahmen manche Wissenschaftler und viele Medien dies plötzlich als bare Münze des Infektionsgeschehens. Obwohl es natürlich, obgleich weniger, so doch sehr viele symptomlose oder symptomarme Verläufe auch bei Erwachsenen gibt, die weiter unter dem Radar blieben. 

 

Jetzt enden in den meisten Bundesländern nach und nach die anlasslosen Tests in den Schulen, kurzfristig aber noch wichtiger: In der vergangenen Kalenderwoche war fast überall noch Ferien, weshalb schon deshalb nicht getestet wurde, und siehe da: Die Zahlen bei den Kindern stürzen ab. Zurück sind wir bei Verzerrung eins.

 

Deren Ergebnis – Kinder infizieren sich offiziell seltener als Erwachsene – jedoch deutlich weniger spektakulär erscheint. Und auch nicht geeignet, um die seit langem zu Lasten der Kinder (und zur Entlastung der Erwachsenen) betriebene Corona-Eindämmungspolitik zu begründen. Die in Wirklichkeit weniger aus den Zahlen kam als aus einer in unserer Gesellschaft systematischen Benachteiligung der jungen Generation.

 

Wahrscheinlich haben sich Kinder und
Erwachsene ähnlich häufig infiziert

 

Wahrscheinlich ist es so: Kinder und Jugendliche haben sich in den vergangenen zwei Corona-Jahren in Deutschland ähnlich häufig infiziert wie Erwachsene. Womit auch das Argument, die aktuellen Kinder-Inzidenzen sänken wegen eines besonders hohen "Durchseuchungsgrades", hinfällig wäre. Nur wissen wir es nicht mit Sicherheit, weil die Bundesrepublik keine repräsentativen Studien zum Infektionsgeschehen in der Bevölkerung durchgeführt hat. Sondern sich größtenteils auf die Meldezahlen mit allen ihren fast schon lächerlichen Verzerrungen stützte. Pandemiebekämpfung im Blindflug

 

Wie gesagt: Wenn es sich nicht um eine Pandemie handelte, wenn all die Debatten in den vergangenen zwei Jahren – warum Kinder sich vermutlich eben nicht überdurchschnittlich häufig anstecken noch deshalb besonders einzuschränken sind, warum die Dunkelziffer bei den Erwachsenen wahrscheinlich viel höher lag und vor allem die Älteren, auch die Geimpften, ein besonders hohes Erkrankungsrisiko trugen – nicht so ermüdend gewesen wären, könnte man es fast amüsant finden.

 

Denn jetzt könnte man auf der Grundlage der aktuellen Daten mit Verve behaupten: Die Erwachsenen sind die wahren Infektionstreiber, nicht die Kinder. Wäre zwar auch Unsinn, aber das hätte der Satz mit vielem gemeinsam, was in den vergangenen zwei Jahren über die Rolle von Kindern in der Pandemie geschrieben worden ist.