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Bayerns Wissenschaftsminister stellt am Dienstag Hochschulgesetz-Novelle vor

Sein Vorgänger Bernd Sibler lieferte umstrittene Eckpunkte und musste wegen der verzögerten Reform gehen. Jetzt steht Markus Blume unter Erfolgsdruck. Wird sein Gesetzentwurf dem Namen "Hochschulinnovationsgesetz" gerecht?

ALS MARKUS BLUME Ende Februar den abgesetzten bayerischen Wissenschaftsminister Bernd Sibler beerbte, war seine Mission klar: so schnell und so geräuschlos wie möglich die geplante Novelle des Hochschulgesetzes auf den Weg zu bringen. 

 

Um die hatte es nämlich schon vor Erscheinen erster Eckpunkte im Herbst 2020 jede Menge Ärger, Irritationen und Intransparenz-Vorwürfe gegeben, danach Protestnoten, Resolutionen und öffentliche Briefe: gegen eine "mögliche Gefährdung der Hochschulen und Universitäten und ihrer gesellschaftlichen Aufgaben", gegen die befürchtete Kommerzialisierung der Wissenschaft – und inklusive Warnungen, die geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer nicht links liegen zu lassen.

 

Woraufhin Sibler das Ziel einer Landtags-Verabschiedung noch vor der Sommerpause 2021 aufgegeben hatte – und die parlamentarischen Beratungen immer weiter nach hinten verschob. Zur Genugtuung der Hochschulszene, zum Ärger aber von Ministerpräsident Söder, der derweil selbst durch schlechte Umfragewerte parteiintern immer weiter unter Druck geriet.

 

Das Vorhaben mit dem schmissigen, allerdings aus Nordrhein-Westfalen geklauten Namen "Hochschulinnovationsgesetz" betrachtet der Regierungschef als öffentlichkeitswirksame Ergänzung zu seiner milliardenschweren "High Tech Agenda Bayern", die wiederum zu den zentralen Elementen seines angestrebten Macher- und Modernisierer-Images gehört. Schon im Herbst 2019 hatte Söder das neue Gesetz erstmals angekündigt. Sibler verwies angesichts der dann folgenden Verzögerungen immer wieder auch auf die Corona-Pandemie – sah sich in den letzten Monaten seiner Amtszeit, bevor er einer Kabinettsumbildung zum Opfer fiel, dann aber sogar öffentlich durch seinen Chef abgewatscht.

 

Kommt das Gesetz diesmal
wirklich vor der Sommerpause?

 

Entsprechend schnell hat nun der ehemalige CSU-Generalsekretär und gewiefte Stratege Markus Blume geliefert: Am Dienstagvormittag soll der Gesetzentwurf im Kabinett diskutiert und beschlossen werden, dann kurzfristig in den Landtag gehen und – diesmal wirklich! – vor der Sommerpause das Parlament passieren.

 

Nachdem sein Ministerium sich bis zuletzt in Geheimniskrämerei geübt hatte: Bei einer Anhörung im Landtags-Wissenschaftsausschuss vergangene Woche hatte ein Beamter aus Blumes Ministerium die Frage, ob mit dem Kabinettsbeschluss noch vor dem Sommer zu rechnen sei, nicht beantworten wollen. SPD-Oppositionspolitiker Christian Flisek (SPD) schimpfte derweil über das verhunzteste Gesetzgebungsverfahren, das er als Parlamentarier je erlebt habe. Blume selbst lehnte noch am Montagabend jeden öffentlichen Kommentar ab .

 

Doch spürten alle, dass etwas im Busch war. So hatte Blume unmittelbar nach der Ausschuss-Sitzung zum Telefon gegriffen und – zu dessen Überraschung – den Sprecher einer von rekordverdächtigen 9.000 Unterstützen unterzeichneten Petition der "Initiative Geistes- und Sozialwissenschaften"  (Initiative GuS) persönlich angerufen. Deren Berücksichtigung im laufenden Gesetzgebungsverfahren die Regierungsfraktionen von CSU und Freie Wähler da gerade erst abgelehnt hatten. Sibler habe Vergleichbares nie getan, hieß es im Anschluss anerkennend aus der Initiative GuS. Ein neuer Stil? Immerhin hatte Sibler aber seinerzeit die 9000 Unterschriften persönlich entgegengenommen.

 

Heute dann ging erst die FDP-Opposition mit einem eigenen Positionspapier "Mission Hochschule von morgen", an die Öffentlichkeit, entstanden unter der Ägide des früheren FDP-Wissenschaftsministers Wolfgang Heubisch, der jetzt Vorsitzender des Wissenschaftsausschusses ist. Tenor des Papiers: Wir machen die "tiefgreifende Strukturreform", an die sich die CSU entgegen aller Ankündigungen nicht mehr herantraut. "Wir haben leider keinen starken Minister im Kabinett, der seine Forderungen auch durchsetzen kann", kommentierte FDP-Fraktionschef Martin Hagen. 

 

Unter anderem forderten die Liberalen eine Umstellung der Hochschulen auf eine Matrix-Struktur, die weitere Stärkung des Tenure-Track-Programms, die Einführung von Vorstudium und Studium generale und die Stärkung der Startup-Kultur. Ein paar Stunden später zog der CSU-Koalitionspartner Freie Wähler am Montagnachmittag per Pressemitteilung nach und lobte schon mal den offiziell noch gar nicht veröffentlichten Gesetzentwurf – und feierte das Ergebnis als eigenen Verhandlungserfolg.

 

Was von den Eckpunkten
übrigbleibt

 

Was aber hat sich denn nun geändert gegenüber den so umstrittenen Eckpunkten, die übrigens nicht mehr unter ihrem ursprünglichen Link auf der Ministeriums-Website zu finden sind? Einiges ist schon durchgesickert.

 

Am wichtigsten: Die tiefgreifende Governance-Reform, die anfangs als Kern des neuen Gesetzes geplant war, ist offenbar vom Tisch.

 

In den Eckpunkten, die dem Vernehmen nach größtenteils gar nicht in Siblers Ministerium, sondern in Söders Staatskanzlei entstanden sein sollen, stand noch: Künftig sollten die bayerischen Hochschulen "im Regelfall" reine Personal-Körperschaften des öffentlichen Rechts mit mehr wirtschaftlicher Selbstständigkeit und Globalbudgets werden. Außerdem sollten sie in Eigenverantwortung und ohne gesetzliche Vorgaben ihre Binnenorganisation gestalten dürfen, inklusive einer anderen Gremienstruktur. 

 

Die Aufregung an vielen Hochschulen war groß – so groß, dass Sibler-Nachfolger Blume die Strukturpläne wohl größtenteils kassiert hat – während unter anderem Globalhaushalt und mehr Freiheiten bei Personalauswahl und Berufungen weiter kommen dürften. 

 

Ob das reicht, die hitzige Debatte um das Hochschulgesetz (die Landtags-Grünen sprachen 2021 von "klaren Tendenzen in Richtung Entdemokratisierung der Lehrinstitute") zu entschärfen, statt Empörung bei den Statusgruppen Zustimmung zu ernten und so möglichst viel von den sonstigen Reformen durchzubringen? Genau das scheint zumindest Blumes Kalkül zu sein – weshalb es unter anderem nun auch eine per Gesetz abgesicherte Landesstudierendenvertretung geben soll und die Gleichstellung gestärkt wird. 

 

Es kommt auf das Wording an –
und auf die Instrumente 

 

Ansonsten dürfte es vor allem auf das Wording ankommen, mit der Blumes Ministerium die schon von Sibler angekündigte stärkere Betonung von Technologietransfer, Ausgründungsaktivitäten und Innovation an den Hochschulen im Gesetzentwurf beschreiben wird. Auf die konkreten Instrumente zur Umsetzung. Und auf die Glaubwürdigkeit der Versicherungen, dass die Sozial- und Geisteswissenschaften in der Logik von Söders "Hightech Agenda" weiter einen gleichberechtigten Platz haben.

 

Spannend wird werden, wie weit Blume in Sachen Promotionsrecht für Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW) zu gehen bereit ist – und welche diesbezüglichen Voraussetzungen der Gesetzentwurf für HAW-Fachbereiche vorschreibt. Und welche eigenen, neuen Akzente Blume setzen wird, um sich von Siblers Entwurf nicht nur durch Auslassungen und Entschärfungen abzuheben.

 

Wie sieht es etwa aus mit einer expliziten Berücksichtigung der Debatte um die hohe Befristungsquote an Hochschulen, die unter dem Hashtag "#IchbinHanna" bundesweite Schlagzeilen gemacht hat? Sicherlich würde eine Antwort eines CSU-Wissenschaftsministers ganz anders aussehen als im rot-rot-grün regierten Berlin – aber wird es eine Antwort geben?

 

Blume will den Gesetzentwurf direkt nach der Kabinettssitzung in einer Pressekonferenz präsentieren. Er kann sicher sein: Auch Markus Söder wird zuschauen. 



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Kommentare: 2
  • #1

    LeanderK (Dienstag, 03 Mai 2022 01:13)

    Debatten sind gut, aber ich sehe es sehr kritisch wenn vollkommen der Mut zu tieftriefenden Reformen fehlt. So wie ich die ursprüngliche governance Reform verstanden habe wurde niemand gezwungen, es wurde nur der Handlungsspielraum vergrößert. Alle Reformen werden immer kritische Stimmen hervorrufen, genauso wie alle Infrastrukturprojekte immer in irgendjemandes Garten die Aussicht zerstören werden. Ich bin gespannt was da vorgestellt wird, ich hoffe es wurde nicht alles gestrichen.

  • #2

    Karl (Dienstag, 03 Mai 2022 10:35)

    @LeanderK: dann haben Sie Teile der ursprünglichen Reformansätze offenbar wirklich falsch verstanden. Ursprünglich war eine Umwandlung aller Hochschulen in Körperschaften des ö. R. vorgesehen (verpflichtend, also keine Wahloption), eine Übertragung der kompletten Personalverantwortung auf Hochschulen sowie weitere Kompetenzübertragungen wie die Zuständigkeit für den Hochschulbau geplant. Das wollten in dieser Zuspitzung zum Großteil nicht einmal die Hochschulleitungen, da es neben erwartbarem großen Organisationschaos vor Ort in der Umstellungsphase auch ein massiver Ausbau administrativer Strukturen an den Einzelhochschulen nötig gewesen wäre - wofür der Freistaat wohl kaum die entsprechenden finanziellen Mitteln in ausreichender Höhe zur Verfügung gestellt hätte...