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BMBF legt Referentenentwurf zum Bafög-Notfallmechanismus vor

Studierende, DGB und Studentenwerke begrüßen die Pläne, fordern aber Vereinfachungen und Konkretisierungen.

Bild: Horst Tinnes / Pixabay.

ES GEHÖRTE ZU DEN hochschulpolitischen Kontroversen der Corona-Zeit: Wenn Studierende überraschend und ausgelöst durch nationale Krisenlagen in Not geraten, wie kann ihnen am besten geholfen werden? Vor allem, wenn sie vorher finanziell zu gut standen, um Bafög zu beziehen? 

 

Tatsächlich hatten schon im ersten Corona-Lockdown viele tausend Studierende ihre Jobs verloren, als Restaurants, Kneipen, Läden und auch Universitäten schlossen und viele Fabriken in die Kurzarbeit gingen. Doch während die Bundestagsopposition, die Wissenschaftsminister der Länder, Studierendenverbände, Gewerkschaften und das Deutsche Studentenwerk forderten, die Betroffenen vorübergehend zu Bafög-Berechtigten zu machen, weigerte sich die damalige Bundesbildungsministern Anja Karliczek (CDU) anfangs, ihnen überhaupt einen rückzahlungsfreien Zuschuss zu zahlen. Warum, wurde nie ganz klar. Es hatte wohl etwas mit dem Eindruck der Ministerin zu tun, Studierende würden dann irgendwie besser gestellt als andere junge Menschen. 

 

Später präsentierte Karliczek immerhin eine "Überbrückungshilfe für Studierende in pandemiebedingten Notlagen", die allerdings erst Monate nach Beginn der Corona-Krise erstmals ausgezahlt wurde und aus zwei Teilen bestand: der vorübergehenden Zinsbefreiung von KfW-Studienkrediten und der Gewährung eines monatlichen Überbrückungszuschusses über die Studenten- und Studierendenwerke. Eine Öffnung des Bafögs aber, machte Karliczek klar, kam mit ihr definitiv nicht in Frage. 

 

Für die nach der Bundestagswahl ins Amt gekommene Ampel-Koalition dagegen umso mehr. Sie versprach Ende November 2021 in ihrem Koalitionsvertrag, als Teil der angekündigten großen Bafög-Reform die Ausbildungsförderung "um einen Notfallmechanismus (zu) ergänzen". Und Karliczek-Nachfolgerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) kündigte an, Tempo zu machen. Der Notfallmechanismus werde "zwar etwas zeitverzögert, aber doch als Teil" des ersten BAföG-Reformschritts mit in den Bundestag kommen, sagte sie im April.

 

Ohne Kommentar auf
die Website gestellt

 

Die neue Bundesbildungsministerin hat Wort gehalten. Ohne dass es die BMBF-Pressestelle bislang offiziell verkündet hätte, findet sich der Referentenentwurf zu der nötigen Gesetzesänderung (der "28. Bafög-Novelle") seit gestern auf der Website des Ministeriums – an dem Tag, an dem dazu eine Verbände-Anhörung per Videokonferenz stattfand.

 

Im Erläuterungstext zum Gesetzentwurf heißt es: Die zur "kurzfristigen Abfederung" der Corona-Notlage von Studierenden "durch den Bund ergriffenen Maßnahmen" hätten "wegen der unvermeidlichen Anlaufzeiten und sich erst im Vollzug herausstellender Nachsteuerungserfordernisse den Ruf nach einer dauerhaft verlässlichen gesetzlich verankerten Nothilfevorsorge laut werden lassen."

 

Eine sprachlich so verschwurbelte wie inhaltlich eigene Darstellung der zeitlichen Abfolge der Debatte. Als hätte es all die Warnungen vor den Unzulänglichkeiten einer Überbrückungshilfe, übrigens gerade aus den Ampel-Parteien, und, infolge dessen, die Forderung nach der Bafög-Öffnung nicht von Anfang an gegeben.

 

Die Schlussfolgerung indes, die das BMBF mit dem Gesetzesentwurf zieht, ist die richtige: Auch wenn sich der Arbeitsmarkt inzwischen erholt habe, erscheine es "geboten", "für den Fall künftiger bundesweiter Krisen mit erheblichen negativen Folgen auf dem Arbeitsmarkt" im Bafög Vorsorge zur finanziellen Unterstützung zu treffen – "auch unabhängig von den regelmäßigen persönlichen Förderungsvoraussetzungen". Mit anderen Worten: Bafög für alle Schüler und Studierende in akuter Not – um Verzögerungen oder Abbrüche von Studium oder schulischer Ausbildung zu vermeiden. 

 

Bundestag muss erst eine "bundesweite Notlage
für Auszubildende" beschließen

 

Wie aber will Stark-Watzingers Ministerium dieses Ziel konkret erreichen? Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Bundesregierung durch Rechtsverordnung den Kreis der Förderberechtigten vorübergehend ausweiten kann. Zuvor muss allerdings der Bundestag festgestellt haben, dass es eine "bundesweite Notlage für Auszubildende" gebe – "im Hinblick auf erhebliche Nachfrageeinbrüche auf dem Arbeitsmarkt für ausbildungsbegleitende Erwerbstätigkeiten". Anders gesagt: dass massenweise Schüler- und Studentenjobs wegbrechen. Die Notlage, gibt der Gesetzentwurf weiter vor, müsse alle drei Monate erneut festgestellt werden, sonst läuft die Bafög-Öffnung automatisch ab.

 

Fast alle darüber hinaus gehenden Details soll dann die Rechtsverordnung regeln: etwa mögliche Abweichungen von den üblichen Bafög-Bewilligungszeiträumen und Fördersätzen nach unten, die Auszahlungsmodalitäten der Zuschüsse sowie die nötigen Nachweise der individuellen Notlage oder die Gewährung reiner Darlehen ohne Betroffenheitsnachweise.

 

Corona-Lektion gelernt, Bafög-Notfallmechanismus am Kommen, und die Kontroversen um die BMBF-Überbrückungshilfe gehören der Vergangenheit an? Nicht ganz. Denn bei der gestrigen Verbändeanhörung wurde auch Kritik laut. So sagte der Generalsekretär des Studierendenwerke-Dachverbandes DSW, Matthias Anbuhl, die Umsetzung des Notfallmechanismus sei noch zu kompliziert geplant: Zunächst müsse der nationale Notstand festgestellt werden, dann entwerfe das BMBF eine Verordnung, die vom Bundestag noch beschlossen werden müsse. "Erst anschließend wird die entsprechende Software für die BAföG-Ämter der Studierendenwerke programmiert werden. Diese ‚Befehlskette‘ ist zu lang."

 

Die Verfahren müssten schlanker und schneller werden. Und auch für die rund 400.000 internationalen Studierenden müsse der Notfallmechanismus bei Bedarf zugänglich sein. Die BMBF-Überbrückungshilfe 2020/21 sei zu rund 30 Prozent von Studierenden ohne deutschen Pass beansprucht worden. Auch müssten Studierende, die die Regelstudienzeit überschritten hätten, Unterstützung erhalten können. 

 

Nach einem halben Jahr Krise
nur noch ein Darlehen?

 

Währenddessen forderten die Juso-Hochschulgruppen unter anderem, die individuelle Nachweispflicht einer Notlage generell zu streichen oder beispielsweise durch eine Selbsterklärung zu ersetzen. Und sie kritisierten die im Entwurf enthaltene Möglichkeit, dass nach einem halben Jahr nationaler Notlage der Bafög-Notfallmechanismus für alle auf den Darlehensteil beschränkt werden könnte. Außerdem müssten die weiten Spielräume, die der Gesetzentwurf derzeit zur Ausgestaltung der konkreten Hilfen lasse, durch Mindeststandards begrenzt werden.

 

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) betonte, bei aller grundsätzlichen Zustimmung zum Gesetzentwurf, dass ein gewisser Gestaltungsspielraum zwar richtig sei, aber nicht "vom Grundsatz der Bedarfsdeckung der Förderung" abgewichen werden dürfe. 

 

Allein der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) hatte in seiner Stellungnahme nichts zu meckern: Die Regelungen gäben die Grundrichtung einer Verordnung in Krisenzeiten vor, schafften eine Rahmenkonstruktion und seien "damit hinreichend flexibel. Denn eine zukünftige verschärfte Krisensituation wird andere Auswirkungen zeigen als solche der Vergangenheit."

 

DSW-Generalsekretär Anbuhl konnte sich einen Seitenhieb auf die frühere Ministerin Karliczek dann doch nicht ganz verkneifen. Mit einer Öffnung des Bafög hätte man die Studierenden-Nothilfe in der Corona-Zeit von Anfang an einfacher haben können: "die Prozesse, die Infrastruktur, das Fachpersonal – alles hätte bereitgestanden, mit den Bafög-Ämtern der Studierendenwerke. Es ist gut, dass die neue Regierung nun diesen Weg beschreitet."



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