Der langjährige Geschäftsführer nennt private Gründe. Die großen Gesellschafter hatten allerdings im Mai weitreichende Veränderungen bei der WiD-Finanzierung angekündigt.
Markus Weißkopf, 44, war seit 2012 WiD-Geschäftsführer. Vorher leitete er in Braunschweig das Haus der Wissenschaft. Foto: WiD.
ZEHN JAHRE LANG war er Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog. Formte aus der von den großen Wissenschaftsorganisationen gegründeten Initiative einen international beachteten Thinktank für Wissenschaftskommunikation. Jetzt hat Markus Weißkopf, 44, seine Kündigung eingereicht. "Aus familiären Gründen und auf eigenen Wunsch", wie WiD am Dienstagmittag mitteilte.
Natürlich stellen sich da Fragen. Zwar drückte DFG-Präsidentin Katja Becker, die Vorsitzende der WiD-Gesellschafterversammlung, öffentlich ihr Bedauern über Weißkopfs Weggang aus und lobte seine "hervorragende Arbeit" für die "Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation in Deutschland" – doch sind nicht einmal sechs Wochen vergangen, seit die DFG einen Brief an WiD geschickte hatte, unterzeichnet von Becker und ihren Präsidentenkollegen von Max Planck, Helmholtz, Leibniz und Fraunhofer.
Der Inhalt war Ansage und Misstrauensvotum zugleich: Die großen Fünf kündigten an, ihre Zuschüsse zum WiD-Grundhaushalt zu halbieren und den Rest direkt in WiD-Projekte stecken zu wollen, "deren Auswahl zwischen Gesellschaftern und WiD systematischer als bislang abgestimmt werden soll", wie DFG-Sprecher Marko Finetti Mitte Mai sagte. Die Pläne seien Teil des Strategieprozesses von WiD, der aktuell laufe. Außerdem solle es darum gehen, die "Finanzströme" sauberer als bisher auseinanderzuhalten.
Wollen DFG & Co den WiD
stärker auf Linie bringen?
So stellten es die Forschungsorganisationen dar. Tatsächlich klangen die Pläne für viele Beobachter eher danach, als werde WiD stärker auf Linie gebracht – und es hagelte Proteste aus der Wissenschaftskommunikations-Szene. "Wir sollten Akteure wie WiD, die sich hier engagieren, stärken und sie nicht beschränken", twitterte zum Beispiel Beatrice Lugger, die Geschäftsführerin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (Nawik).
Im Jahr 2000 gegründet, hat die WiD-Geschäftsstelle vor allem unter Weißkopfs Ägide am laufenden Band neue Kommunikationsformate, Breitenwettbewerbe und Initiativen ausprobiert und etabliert, viele davon stark partizipativ ausgerichtet. Das Ziel: über das Mitmachen Menschen für Wissenschaft zu interessieren und zu begeistern, die mit den bis dahin üblichen Vorträgen und Fachpublikationen nicht erreicht wurden. Mit dem repräsentativen Wissenschaftssurvey "Wissenschaftsbarometer" ließ WiD zudem regelmäßig die Einstellung der Öffentlichkeit gegenüber der Wissenschaft erheben – und stimulierte auf diese Weise die politische Debatte über Wissenschaftskommunikation. Zuletzt war die WiD-Geschäftsstelle auf rund 80 Mitarbeiter angewachsen, größtenteils finanziert über Drittmittel, weil der von den Gesellschaftern gezahlte Grundhaushalt trotz aller Erfolge über Jahre nicht zulegte.
Immer mittendrin: Markus Weißkopf, der 2016 Präsident der European Science Engagement Association (EUSEA) wurde, sich federführend an der Entwicklung und Etablierung der Leitlinien für gute Wissenschafts-PR beteiligte und sich mit großem Einsatz auch in die von der früheren Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) gestartete "Factory Wisskomm" einbrachte – die in den Führungsetagen der großen Forschungsorganisationen teilweise auf Ablehnung stieß.
Waren der WiD und Weißkopf einigen der Wissenschaftslenker zu unabhängig geworden?
Bei den großen Forschungsorganisationen hieß es im Mai hinter vorgehaltener Hand: Es sei nicht hinzunehmen, dass WiD mit den Gesellschafterzuschüssen eine vom BMBF vorgegebene Kommunikationsstrategie bediene – und vom Ministerium initiierte oder gewollte Projekte finanziere. Womit etwa "Wissenschaftskommunikation.de" oder auch die sogenannte Impact-Unit gemeint sein dürften.
Weißkopfs private Gründe sind echt, aber die
Querelen dürften ihm den Abschied leichter machen
Neben DFG, Max Planck und Co gibt es noch drei weitere Haupt-Geldgeber: den Stifterverband, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und die Klaus-Tschira-Stiftung. Auch sie sprachen sich intern für eine engere Abstimmung über die laufende inhaltliche Arbeit aus – aber wohl über Gremien und ohne den WiD budgetär an die kurze Leine zu nehmen.
DFG-Sprecher Finetti betonte derweil, dass die Umstellung "nicht unmittelbar", sondern erst zum 1. Januar 2024 wirksam werden solle.
Und nun also Weißkopfs Kündigung zum 30. September 2022. Auf Anfrage betont der scheidende Geschäftsführer, dass seine Entscheidung tatsächlich private Ursachen habe. "Der Grund für meine Kündigung ist eine berufliche Veränderung meiner Frau, ein Umzug nach Süddeutschland steht an." Und Weißkopf fügt hinzu, die Entscheidung sei ihm "trotz des positiven Anlasses" wirklich nicht leicht gefallen. "Ich hänge an den Leuten bei WiD, an der Organisation und dem, wofür sie steht."
Allerdings darf man getrost annehmen, dass die Querelen mit den wichtigsten Gesellschaftern den Abschied für Weißkopf eine ganze Ecke leichter gemacht haben werden.
Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität und Vorsitzender des WiD-Lenkungsausschusses, sagte in seiner Reaktion auf die Rücktritts-Ankündigung, Weißkopf habe "ein schlagkräftiges Team aufgebaut, das auch in Zukunft die Wissenschaftskommunikation in Deutschland prägen wird."
Klar ist aber auch: Je stärker die Forschungsorganisationen den Spielraum für WiD einengen, desto schwieriger wird es, für Weißkopf eine/n ähnlich qualifizierte/n Nachfolger/in zu finden. Falls das denn überhaupt gewünscht ist.
Kommentar schreiben
Dr. Eva-Maria Streier (Mittwoch, 22 Juni 2022 15:22)
WID ist die bislang einzige Gemeinschaftsaktion der großen Wissenschaftsorganisationen. Sie hat sich als eins" der "Kinder" von PUSH zu einem der wichtigsten und erfolgreichsten "player" in der Wissenschaftskommunikation entwickelt. Markus Weißkopf als Geschäftsführer hat hervorragende Arbeit geleistet. Auch wenn es private Gründe für die Kündigung geben mag, bleibt der fade Beigeschmack, dass dieser Schritt sehr wohl mit der angekündigten Halbierung des Grundhaushalts von WID zu tun haben könnte.
Es passt ins Bild. Auch beim Communicator Preis - so ist zu hören - will sich das Präsidium der DFG zukündtg die Letztentscheidung vorbehalten.
Wann wird man endlich verstehen, dass Wissenschaftskommuikation - wie jede gute Kommunikation - nur erfolgreich sein kann, wenn sie frei von Direktiven bleibt.
Eva-Maria Streier, Pressesprecherin der DFG 1985-2011