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Netzagentur: Wir haben die Wissenschaft im Blick

Was passiert in Forschungsinstituten und Laboren, wenn im Winter das Gas knapp wird? Im Gegensatz zu Schulen und Hochschulen gehört die Wissenschaft nicht explizit zum geschützten Bereich. Jetzt äußert sich der Präsident der Bundesnetzagentur und beruhigt – zumindest ein wenig.

Foto: Pxhere, CC0

KOMMT ES IN FORSCHUNGSEINRICHTUNGEN und Laboren zu Zwangsabschaltungen, falls im Winter das Gas auszugehen droht und die sogenannte Notfallstufe ausgerufen werden muss? Genau vor den Folgen einer solchen Unterversorgung hatten Wissenschaftspolitiker der CDU-/CSU-Fraktion in einem Schreiben an die Bundesnetzagentur gewarnt – und vor den daraus resultierenden "enorme Risiken und ggf. Rückschläge(n) für den Forschungs- und Innovationsstandort Deutschland".

 

Netzagentur und Bundesregierung müssten Vorsorge treffen, damit es nicht zum Verlust tausender Versuchstiere komme sowie technische Forschungseinrichtungen, Instrumente und großtechnische Anlagen geschützt seien, um einen sonst eventuell drohenden "Austritt nuklearer, chemischer oder infektiöser Stoffe" zu verhindern. 

 

Jetzt hat Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller reagiert – und beruhigt bis zu einem gewissen Grad. Nach Ausrufung der Notfallstufe sei es eindeutig gesetzliche Aufgabe seiner Behörde, die Deckung des "lebenswichtigen Bedarfs" an Gas sicherzustellen, schreibt er den CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Jarzombek und Stephan Albani. Bei der Auslegung dieses im Gesetz nicht weiter definierten Begriffs gehöre vor allem die besondere Berücksichtigung des Bedarfs geschützter Kunden, fügt Müller mit Hinweis aufs Energiewirtschaftsgesetz hinzu. "Unter diese Fallgruppe fallen etwa private Haushalte, aber auch Schulen und Hochschulen." Das bedeute allerdings nicht, dass geschützte Kunden nicht auch sparen müssten – und zwar möglicherweise alles, was über einen funktionsnotwendigen Verbrauch in einen "Komfortbedarf", hineinreiche. 

 

Dass Schulen und Hochschulen zu den "geschützten Kunden" zählen, ergibt sich bereits aus einer von 2017 stammenden EU-Verordnung "Über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Gasversorgung", das unter den besonders zu schützenden "grundlegenden sozialen Diensten" auch den Bildungsbereich aufzählt – allerdings nicht explizit Forschungseinrichtungen und Labore.

 

Entwarnung klingt
dann doch anders

 

Weshalb gerade dort mit Genugtuung – und einer gewissen Erleichterung – aufgenommen werden dürfte, dass Müller gegenüber den Abgeordneten zusätzlich betont, seine Behörde habe "die von Ihnen genannten Einrichtungen durchaus im Blick". Allerdings: "Auch der Bereich Wissenschaft und Forschung wird im Notfall seinen Anteil tragen müssen, bspw. durch die Reduktion des gasbasierten Raumwärmebedarfs. Eine Gefährdung von Tierwohl und Verursachung von Umweltschäden wollen wir dabei aber vermeiden."

 

Nur weiß eben keiner genau, wie stark der Energiemangel im Winter wird. Jarzombek, Sprecher der CDU-/CSU-Fraktion für Bildung und Forschung sagt in einer ersten Reaktion auf den Brief der Bundesnetzagentur, er erwarte, dass die Bundesregierung für den Fall der Fälle Vorsorge treffe. "Unsere Wissenschafts- und Forschungseinrichtungen dürfen im Notfall nicht über die Tischkante fallen. Gleiches gilt insbesondere für Schulen und Hochschulen."

 

Jarzombek und Albani hatten bereits in ihrem Brief an die Netzagentur gefordert, Bundesregierung und Bundesnetzagentur müssten gemeinsam mit der Allianz der Wissenschaftsorganisationen "einen detaillierten und umfassenden Vorsorgeplan" entwickeln, um im Falle der Notfallstufe "unermesslichen Schaden" abzuwenden. Und auch Agenturchef Müller schreibt nach allen beruhigenden Worten: "Wir halten es dennoch für wichtig, dass die Einrichtungen ihre bestehenden Notfallpläne bereits jetzt eigenverantwortlich nutzen oder erweitern, um bspw. jetzt noch Ersatzversorgungsoptionen umzusetzen." Entwarnung klingt dann doch anders.

 

Stark-Watzinger: Schulen von zusätzlichen
Energiesparmaßnahmen ausgenommen

 

Unterdessen hat das Bundeskabinett am Mittwoch Verordnungen für kurz- und mittelfristige Energiesparmaßnahmen beschlossen, darunter die Absenkung der Mindesttemperaturen am Arbeitsplatz um ein Grad und eine Festlegung der Höchsttemperatur in öffentlichen Einrichtungen auf 19 Grad. Flure und Gemeinschaftsflächen, wo sich nicht dauerhaft Personen aufhalten, dürfen gar nicht mehr beheizt werden. 

 

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) twitterte danach, die Absenkung der Raumtemperatur gelte nicht für Schulen. Es sei ihr "ein besonderes Anliegen gewesen", dass diese von zusätzlichen Energiesparmaßnahmen ausgenommen würden. "Das haben wir heute beschlossen."

 

Am Dienstag hatte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), die zurzeit auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz ist, mitgeteilt, dass sie sich mit Bundesnetzagentur-Präsident Müller zu einem Gespräch treffen werde. Zwar seien Schulen geschützte Kunden, aber die KMK wolle in Absprache mit Müller klären, was genau deren "lebensnotwendiger Bedarf" beinhalte.



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Kommentare: 1
  • #1

    Christina Reinhardt (Mittwoch, 31 August 2022)

    Wir müssen uns klar machen, dass wir in den Wissenschaftseinrichtungen weniger auf eine Versorgungskrise als auf eine Finanzkrise zusteuern, die dramatische Ausmaße annehmen kann.
    An den Hochschulen werden zur Zeit die Prognosen für die Kostensteigerungen bei Strom und Gas erstellt, mit erschreckend hohen Zahlen, selbst wenn man einen „good case“ annimmt. Die Politik wird hier helfen müssen. Angesichts des Ausmaßes der drohenden Kostensteigerungen sehe ich aber eine reale Gefahr für den Forschungs- und Lehrbetrieb: Um eine Finanzkrise abzuwenden, werden wir betriebliche Einschränkungen vornehmen müssen. Keine guten Aussichten für Studierenden und Forschende nach den pandemiebedingten Einschränkungen der letzten Jahre.