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"Die Schulen und Hochschulen haben jetzt Rechtssicherheit"

KMK-Präsidentin Karin Prien über die heutigen Ministerbeschlüsse zur Energiekrise und den Versuch einer Lösung im Frankfurter Studienplatzvergabe-Chaos.

Karin Prien (CDU) ist seit 2017 Ministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Schleswig-Holsteins und dieses Jahr Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Foto: Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Frau Prien, die Schul- und Wissenschaftsminister haben sich heute per Videoschalte zur Vollversammlung getroffen. Und zu einem Gespräch mit Klaus Müller, dem Präsidenten der Bundesnetzagentur. Wie lautet das Ergebnis?

 

Ich hatte Herrn Müller Anfang August um ein Gespräch gebeten, damit wir Klarheit darüber gewinnen, wie die Bundesnetzagentur die Bedeutung einer sicheren Gasversorgung der Schulen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen im Herbst einordnet. Jetzt bin ich sehr zufrieden. Das Gespräch hat gezeigt, dass es einen engen Schulterschluss zwischen Ländern und Bundesnetzagentur in fast allen diesbezüglichen Fragen gibt.

 

Schulen und Hochschulen bleiben also warm und offen?

 

Wir waren uns darüber einig mit der Bundesnetzagentur, dass neben den Schulen auch die Hochschulen zu den geschützten Kunden zählen und dass zu ihrem sogenannten lebensnotwendigen Bedarf der volle Präsenzunterricht und die volle Präsenzlehre gehören, aber auch die Forschung in Präsenz an den Hochschulen. Herr Müller hat uns bestätigt, dass es daran rechtlich keinen Zweifel gibt, und das in Bezug auf die Hochschulen in dieser Deutlichkeit meines Erachtens zum ersten Mal. Das ist entscheidend: Die Schulen und Hochschulen haben jetzt Rechts- und Planungssicherheit.

 

Und was ist mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF)?

 

Wir haben Herrn Müller darauf hingewiesen, dass wir den Status als geschützte Kunden auch für die AUF für erforderlich und angemessen halten, doch an dieser Stelle gibt es weiteren Klärungsbedarf mit der Bundesnetzagentur. Deshalb haben wir, und das ist wichtig, einen weiteren Gesprächsprozess mit Herrn Müller fest vereinbart. An der Stelle ist es wichtig zu differenzieren: Wir reden nur über Gas, nicht über Strom. Bei dem stellt sich eine Frage der Rationierung gar nicht. Und beim Gas haben wir verabredet, dass wir als Länder zunächst den Bedarf der AUF ermitteln, um zu sehen, worüber wir überhaupt reden – um dann mit der Bundesnetzagentur gemeinsam eine Lösung zu erörtern.

 

Auch geschützte Kunden sollen laut Bundesnetzagentur sparen. Was gehört denn an den Schulen und Hochschulen zum nicht "lebensnotwendigen Bedarf", der gekürzt werden kann?

 

Wie gesagt: Lehre und Forschung sind komplett ausgenommen. Die Wissenschaftsseite hat heute in ihrem KMK-Beschluss betont, dass sie nach den Erfahrungen der Semester unter Pandemie-Bedingungen die Sicherung des Präsenzstudiums auch bei einer möglichen Verschärfung der Energiekrise für unabdingbar hält. Aber natürlich müssen die Hochschulen sehen, welche Einsparungsmöglichkeiten sie in der Verwaltung sehen, etwa in Form von Homeoffice. Es ist ja schon jetzt so, dass die Hochschulen in allen Ländern an diesbezüglichen Stufen- und Notfallplänen arbeiten. Und was die Schulen angeht, so werden wir als Kultusministerinnen und Kultusminister laut Beschluss der Schul-Seite gemeinsam mit den Schulträgern diskutieren, welche Möglichkeiten zur Einsparung von Heizenergie und Elektrizität gibt – unter Sicherstellung des Präsenzunterrichts, versteht sich.

 

Viele Hochschulen wollen im Winter bereits ohne Notfallstufe die Präsenzlehre einschränken, einfach weil das Gas so teuer geworden ist. Blüht dasselbe auch in den Schulen, weil die Schulträger die Energie-Rechnung nicht mehr zahlen können?

 

Das kann und wird nicht so sein. Deshalb weisen wir als Kultusminister in unserem heutigen Beschluss noch einmal auf das durch das Bundesverfassungsgericht bestätigte Recht auf Bildung hin und auf die Bedeutung von Schulen als Orte des Präsenzlernens und als unverzichtbarer Raum der sozialen Interaktion. Kontinuität im Schulbetrieb ist für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen und damit für die Zukunft unserer Gesellschaft von überragender Bedeutung. Es werden aber sicherlich noch harte Verhandlungen mit den Finanzministerinnen und Finanzministern, doch wir können die Schüler und Studierenden einfach nicht im Regen stehen lassen.  

 

Sie haben sich in der KMK auch über die Frankfurter Studienplatzvergabe-Krise unterhalten. Worauf können die betroffenen Medizin-Bewerber hoffen?

 

Wir haben heute auf Initiative des Landes Hessen diesen bedauerlichen Vorfall intensiv beraten. Ein solcher Fehler darf nicht passieren, dadurch ist für die Bewerberinnen und Bewerber eine sehr schwierige Situation entstanden. Wir haben uns in der KMK geeinigt, dass wir einen Versuch unternehmen wollen, eine Lösung zu finden.

 

Also bekommen alle doch einen Medizin-Studienplatz im Wintersemester?

 

Das wäre natürlich für die betroffenen Studierenden wünschenswert, aber eine Lösung ist hochkomplex, und sie geht nicht in ein paar Stunden. Denn sie muss gleichzeitig rechtssicher sein, weil wir ansonsten eine Klagewelle und die Rechtssicherheit des gesamten Zulassungsverfahrens riskieren. Aber wir arbeiten an einer Lösung gemeinsam mit der Stiftung für Hochschulzulassung, diese Absicht werden wir heute noch in einem KMK-Umlaufbeschluss bekräftigen.



Was steht genau in den Beschlüssen der Kultusminister?

In ihrem heute gefassten Schul-Beschluss bekennen sich die Kultusminister mit Verweis auf die Erfahrungen in der Corona-Pandemie zur "überragenden Bedeutung" des Präsenzunterrichts für den Bildungserfolg der Kinder und Jugendlichen und für ihre Persönlichkeitsentwicklung. Sie seien als grundlegend sozialer Dienst sogenannte geschützte Kunden im Sinne der geltenden EU-Verordnung. Außerdem müssten sie auch mit Blick auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (zum Recht auf Bildung) "wie andere Kritische Infrastrukturen (KRITIS) mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen einen besonderen Schutz genießen". Die Gewährleistung des Präsenzbetriebs müsse insofern auch in Phasen einer kritischen Energieversorgung oberste Priorität haben. 

 

Vor dem Hintergrund großer Herausforderungen bei der Energieversorgung prüften und ergriffen die Schulträger in enger Abstimmung mit den Schulen vor Ort Möglichkeiten zur Einsparung von Heizenergie und Elektrizität unter Sicherstellung der Durchführung des Unterrichts. Bei allen Maßnahmen teilen die Kultusminister die Einschätzung der Bundesregierung, dass die Schulen von der Verpflichtung ausgenommen seien, bestimmte Höchstwerte für Raumtemperaturen einzuhalten. "Maßnahmen der effizienten Energienutzung und des Infektionsschutzes sollen dabei in Einklang gebracht werden. Insbesondere unter medizinischen und energetischen Gesichtspunkten kommt dem regelmäßigen Lüften von Räumen eine besondere Bedeutung zu." Was man als Ankündigung lesen kann, die vorhandenen mobilen Lüftungsgeräte seltener als bislang zu betreiben. Die Kultusminister weisen auch auf die Bedeutung von Schulen hin, im Rahmen ihres Bildungsauftrags die Auseinandersetzung mit Umwelt-, Klimaschutz und Energiesparen zu fördern.

 

Auch in ihrem Beschluss zur Wissenschaft betont die KMK die Bedeutung von Bildung als Grundrecht. Nach den Erfahrungen der Pandemie-Semester und deren Folgen vor allem für die Studierenden hielten die Kultusminister die

Aufrechterhaltung des Präsenzstudiums auch bei einer möglichen Verschärfung der Energiekrise für unabdingbar.

 

Angesichts der Bedeutung der Hochschulen als Bildungseinrichtungen und angesichts des großen Fachkräftebedarfs sei es "zwingend", die Hochschulen und Forschungseinrichtungen analog zu Schulen als "geschützte Kunden" im gesetzlichen Sinne zu behandeln. So, wie es Bundesnetzagentur-Präsident Klaus Müller heute zumindest für die Hochschulen im Gespräch mit KMK-Präsidentin Prien bestätigt hat.

 

Weiter heißt es: Bereits jetzt zeigten die Hochschulen, Universitätskliniken und Forschungseinrichtungen "einen besonderen Einsatz für einen signifikanten Beitrag" zur Einsparung von Energie und damit zur Vermeidung einer Gasmangellage. "Weitere Bemühungen zur Einsparung auf der Grundlage von europäischen und nationalen Einsparparametern müssen die Bedürfnisse der verschiedensten Bereiche, wie denen von Lehre, Forschung, Gesundheitsversorgung, Bibliotheken, Sammlungen, Archiven, technischen und administrativen Strukturen berücksichtigen. Die Kultusministerkonferenz unterstützt einen länderübergreifenden Austausch zur Fortschreibung und Umsetzung von Notfallplänen sowie zu möglichen kriterienbasierten Szenarien im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung der Versorgung mit Gas oder Strom."

 

Eine besondere Herausforderung bestehe in den eingetretenen und zu erwartenden Preissteigerungen für Hochschulen und Fordschungseinrichtungen, weshalb die Länder die Möglichkeiten einer Kompensation prüften und sich auch in Gesprächen mit dem Bund für Entlastungsmaßnahmen einsetzen würden. 

 

Die KMK werde in Gesprächen mit dem BMBF die Unterstützung für in Not geratene Studierende ebenso adressieren wie eine Hilfe für Studierendenwerke, denen eine besondere Bedeutung als Einrichtungen der sozialen Versorgung der Studierenden zukomme. Auch sie seien deshalb als "geschützte Kunden" zu behandeln.



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