Nicht nur die Energiekosten explodieren, auch sonst stehen den Hochschulen massive Mehrausgaben ins Haus. Wie soll es weitergehen, fragen sich die Präsidien und Rektorate in Berlin und anderswo.
WIE WILL DIE TU im kommenden Jahr die von ihr geschätzten 66 bis 114 Millionen Euro Zusatzkosten für Strom, Gas und Fernwärme bezahlen? "Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe keine Ahnung", antwortete die Präsidentin der Technischen Universität Berlin, Geraldine Rauch, auf die Frage des RBB.
Für die Hochschulbudgets überall im Land braut sich gerade der perfekte Sturm zusammen. Rauchs Schätzung mag mancher für übertrieben halten. Doch schon der Betrag am unteren Ende würde bedeuten, dass die Energie-Preissteigerungen allein auf einen Schlag ein Fünftel des aktuellen Staatszuschusses der TU auffressen würden. Der liegt dieses Jahr bei 366 Millionen Euro.
Hinzu kommen die Sekundäreffekte der massiven Inflation: Rekord-Tarifabschlüsse in der Stahlindustrie (plus 6,5 Prozent) geben auch die Richtung für den öffentlichen Dienst vor. Geht man nur von sechs Prozent mehr Gehalt für alle Beschäftigten aus, bedeutet das allein für die TU mindestens weitere 14 Millionen obendrauf. Nicht sofort, aber nächstes Jahr wird verhandelt.
Bislang wenig beachtet, droht Anfang 2023 ein weiterer Kostenschock. Eine von den Hochschulen seit Jahren bekämpfte Reform des Umsatzsteuerrechts tritt in Kraft. Sie führt dazu, dass Kooperationen von Hochschulen untereinander und mit Forschungsinstituten in vielen Fällen umsatzsteuerpflichtig werden. Was vor allem bei Doppelberufungen richtig ins Geld gehen kann. Bisher waren diese besonders begehrte – und politisch gewollte – Instrumente der Exzellenzförderung.
Allein die TU Berlin hat 51 davon, mit der Fraunhofer-Gesellschaft, mit Helmholtz, mit Leibniz-Instituten. Zahlen müssen die Kooperationspartner. Für die Hochschulen aber nur eine Scheinberuhigung, wenn Doppelberufungen künftig unattraktiver, da deutlich teurer werden.
Neuer Berliner Hochschulvertrag
ist noch nicht unterschrieben
Auf der Habenseite sieht es dagegen mau aus. In etlichen Bundesländern ist nächstes Jahr bislang gar kein zusätzliches Landesgeld für Hochschulen geplant. Den Berliner Unis geht es vergleichsweise noch gut, weil ihnen der rot-rot-grüne Koalitionsvertrag weiter ein jährliches Plus von 3,5 Prozent zusichert. Bleibt es dabei (der Hochschulvertrag ist noch nicht unterschrieben), hätte die TU 2023 knapp 13 Millionen Euro mehr. Was die beschriebene Kostenlücke vielleicht um ein Sechstel verkleinern würde.
Immerhin versprach Berlins grüne Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote vergangene Woche weitere Linderung. "Das Land Berlin wird im Falle finanzieller Engpässe für seine Hochschulen selbstverständlich einstehen und sie finanziell als Zuwendungsempfangende unterstützen", sagte sie dem Tagesspiegel.
Bislang nur Worte, doch schon die würden sich Hochschulchefs in vielen anderen Bundesländern zur Zeit wünschen. Die Frage ist nur: Bis wohin reicht die zusätzliche Unterstützung? Und was genau bedeutet "finanzielle Engpässe" bei Unis, die wie die TU ohnehin ein Dauerdefizit fahren, das sie nur mit dem ständigen Unbesetztlassen von Planstellen ausgleichen kann?
Gote sah bislang übrigens die Bundesregierung besonders der Pflicht, einen Ausgleich für die Energiekosten zu schaffen. Doch schon die Verhandlungen zwischen Ländern und Bund um die Zukunft des "Zukunftsvertrages Studium und Lehre" gestalten sich schwierig. Künftig drei Prozent Bundesgelder mehr hatten die Ampelparteien den Hochschulen versprochen, jedes Jahr. Eigentlich schon ab 2022. Bis das BMBF signalisierte: Mit der "Dynamisierung" wird es erst 2023 was.
Und Stand jetzt könnte dieses Geschenk für die Hochschulen vorerst sogar zu einem Minusgeschäft werden. Bereits die alte Bundesregierung hatte nämlich im Zukunftsvertrag für 2024 einen einmaligen kräftigen Sprung vorgesehen – um 170 Millionen. Den will das BMBF jetzt im Gegenzug für die Dynamisierung offenbar kassieren. Doch würden zweimal drei Prozent zusätzlich bis 2024 den Hochschulen bundesweit gerade mal 115 Millionen mehr Bundesgeld bringen.
Auch schon fast egal, könnte Geraldine Rauch angesichts der finanziellen Großwetterlage für die Hochschulen sagen. Wird sie nicht. Aber ihre Ratlosigkeit teilen in diesen Tagen Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland.
Dieser Beitrag erschien heute in meiner Kolumne "Wiarda wills's wissen" im Tagesspiegel.
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Matthias Willems (Montag, 26 September 2022 12:11)
„Aber Ihre Ratlosigkeit teilen in diesen Tagen viele Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland.“
Stimmt.
AlteHanna (Montag, 26 September 2022 14:19)
Die Doppelberufungen sind eh son Thema für sich. Meistens läuft es so, dass dann Anlagen, Geräte, Ausstattung und Personal beim Fraunhofer sitzt und an der Uni schaut Herr/Frau Professor dann bestenfalls mal für eine Vorlesung vorbei.
Es werden Hiwis geworben, die dann Projektarbeit leisten im System Fraunhofer - die Betreuung wird aber wiederum den "richtigen" Uni-Kollegen für die Füße gekippt.
Wenn eine Uni-Professur mal eine Anlage, Gerät usw. nutzen will, was untereinander bei Professuren fast immer irgendwie geht, fragt Fraunhofer erstmal nach der Finanzierungsquelle.
Die Unis zahlen bei diesem System nur drauf.
Thorben Sembritzki (Dienstag, 27 September 2022 13:14)
Für die Finanzierung bestehender gemeinsamer Professuren ist die kommende USt.-Regelung sicherlich eine Herausforderung. Diese Entwicklung war von den Universitäten aber absehbar. Trotzdem wurden seit der Exzellenzinitiative tausende gemeinsame Berufungen durchgeführt, deren Tätigkeiten sich fast ausschließlich auf den außeruniversitären Partner beschränken (weil dies eben so von der Politik gewollt war). Einen Mehrwert für die Fakultäten hatte dies - wie in Kommentar #2 bereits angemerkt - nicht immer.
So bleibt nur zu hoffen, dass kooperative Professuren zukünftig strategischer angegangen werden, sei es z.B. durch zeitlich befristete Kooperationen (dieses Modell wird in Berlin ja auch durchaus schon praktiziert) oder durch die Etablierung neuer Berufungsmodelle, mit denen größere Stellenanteile (und damit Rahmenbedingungen für ein stärkeres Engagement der Berufenen in den Fakultäten) geschaffen werden - und die entsprechend mit einem niedrigeren Erstattungsbetrag verknüpft sind.
Martin Lommel (Dienstag, 04 Oktober 2022 18:24)
Die möglicherweise wichtige Diskussion über Vor- und Nachteile der Kooperationsprofessuren vor dem Hintergrund der Änderung des Umsatzsteuergesetzes lenkt von zwei wichtigen Aspekten ab: a) Das UStG erschwert Kooperationen, obwohl sie politisch gewollt sind (das ist ein Problem) und b) (noch gravierender:) die Haushalte der Hochschulen haben selbst unter guten Rahmenbedingungen wie bei uns in Hessen keine derartigen Spielräume, die Kostenexplosion der Energiepreise (inkl. zu erwartender Tarifsteigerungen etc.) zu kompensieren. Das führt zu letztlich abstrusen Abwägungsentscheidungen - und im Zweifel lassen sich die Kosten bei befristeten Stellen leichter senken als bei den Energielieferverträgen. Eine Realität, die auch mich ratlos zurücklässt.