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Dicke Luft im Forschungsausschuss

Bremst die Ampel inmitten der Krise die Arbeit der Parlamentarier aus, indem sie die Ausschuss-Tagesordnung mit unwichtigen Themen füllt? CDU und CSU sprechen von einer "Basta"-Politik der SPD. Die Sozialdemokraten widersprechen: Die Union sei von Anfang an auf öffentliche Konfrontation aus gewesen.

DER VORWURF HAT ES IN SICH. Die Ampel-Parteien hätten gegen parlamentarische Gepflogenheiten verstoßen und einseitig ihre Themenagenda im Forschungsausschuss durchgedrückt, sagen Unionspolitiker. Seit vielen Jahren sei es üblich gewesen, die Planung für die Ausschuss-Sitzungen gemeinsam zu beschließen. Doch nun habe die Koalition auf Antrag der Sozialdemokraten in einer Kampfabstimmung ihren Willen gegen die Opposition durchgesetzt. Diese "Basta-Politik der SPD" leite "einen Kulturwandel im Ausschuss ein, kommt überraschend und ist alles Andere als eine parlamentarische Sternstunde", sagt Stephan Albani, Obmann der CDU-/CSU-Fraktion im Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technologiefolgenabschätzung. 

 

Eigentlich ist die Terminplanung für das jeweils kommende halbe Jahr im Ausschuss Routine. Wie konnte die Sache diesmal eskalieren?

 

Albani stellt die Sache so dar: Während die Opposition wollte, dass der Ausschuss sich mit den aktuellen Krisen und den Antworten der Bundesregierung darauf beschäftige, sei das Bestreben der Koalition gewesen, die Ausschussplanung mit Tagesordnungspunkten zu vermeintlich genehmen Themen zu füllen. Wohl um zu kaschieren, dass die Ampel in der Bildungs- und Forschungspolitik konzeptionell blank sei. "Kaffeekränzchen, während die Hütte brennt", so formulierte Albani es im Ausschuss. Die Ampelparteien und allen voran die SPD weisen die Vorwürfe zurück.

 

Die Entwürfe gingen
hin und her

 

Die Genese des Konflikts ist in ihrer Kleinteiligkeit etwas verwirrend, fest steht aber: Seit Anfang September sind fast ein halbes Dutzend Entwürfe für die sogenannte "Halbjahresplanung" zwischen Ampel und Opposition hin- und hergeschickt worden. Gerungen wurde dabei unter anderem um die von der Ampel neu eingeführten, grundsätzlich öffentlichen "Fachaustausche", die vor allem zum Kennenlernen von Akteuren aus Bildung und Wissenschaft dienen sollen. Sie sind nicht zu verwechseln mit den etablierten "Fachgesprächen", die nach festen Regeln laufen und im Zweifel auch einmal ohne die Öffentlichkeit stattfinden können.

 

An sich sei das mit den vermehrten Fachaustauschen ja eine gute Idee gewesen, bestätigen auch CDU/CSU, doch müssten diese außerhalb der regulären Sitzungen stattfinden und dürften diese nicht ersetzen, um so die "erforderlichen zeitlichen Freiräume für die Behandlung von dringlichen politischen Herausforderung sicherzustellen". Da die Themen und Gäste zudem durch die Koalition benannt würden, wolle die Ampel mit den Fachaustauschen offenbar ihre fehlende politische Agenda kaschieren. 

 

Ähnlich sieht das Petra Sitte, Obfrau der Linken. "Ich hatte nach Jahren inhaltlicher Diskussionen im Ausschuss und so mancher beachtlicher Schnittmenge erwartet, dass es ein kooperativeres Umgehen miteinander in Ampelzeiten geben würde. Irrtum." Man hangele sich von Laterne zu Laterne, es scheine an längerfristigen Planungen zu mangeln, "so dass Leerstellen mit Fachgesprächen gefüllt werden, deren Themen derzeit nun wirklich nicht zu den herausragenden beziehungsweise drängendsten Problemen gehören."

 

Das sei "bestenfalls ein Missverständnis", widerspricht der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek. Erstens könne die Opposition sehr wohl auch zu Fachaustauschen selbst Sachverständige einladen. Zweitens habe die Koalition mehr Parlamentsvorlagen für Bildung und Forschung geliefert als die Opposition, bis Ende des Jahres würden weitere Gesetzesinitiativen folgen, etwa zur Weiterentwicklung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) oder der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI). "Als Koalition ist uns zugleich aber wichtig, wie in vergangenen Legislaturperioden etwa die Präsidenten der großen Forschungsorganisationen zum Gespräch einzuladen, denn diese werden mit viel Forschungsgeld finanziert." Wenn man die außerhalb der regulären Sitzungen einlade, sei der Ausschuss womöglich nicht vollständig vertreten.

 

Streit um vermeintlich kleine Details
offenbart die großen Differenzen

 

Schaut man sich den Konflikt zwischen Union und Ampel genauer an, so offenbart gerade der Streit um vermeintlich kleine Details die offenbar größeren Differenzen. In den vergangenen Jahren war es üblicherweise so, dass die Mehrheit im Ausschuss ihre Planung vorlegte, die Opposition ihre Wünsche dazu ergänzte und diese dann in eine gemeinsame Agenda integriert wurden.

 

Kaczmarek sagt, so hätte es auch diesmal laufen können. So sei die Ampel der Opposition nach dem ersten Planungsentwurf vom 7. September spürbar entgegen gekommen. Außer der Union hatte die Linke zwei zusätzliche Themen auf die Agenda setzen wollen, die auch in den zweiten Ampel-Vorschlag von Mitte September aufgenommen worden seien

 

Doch sah vor allem die Union damit ihre Hauptkritik eben nicht entkräftet. "Wo, wenn nicht im Bildungs- und Forschungsausschuss, sollte über die großen aktuellen Herausforderungen unserer Zeit in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik beraten werden?", sagt Albani – doch genau das habe auch der zweite Entwurf nicht geleistet. Woraufhin die Union einen eigenen Vorschlag formulierte. Einen komplett neuen, sagt SPD-Mann Kaczmarek – was, siehe oben, ein äußerst ungewöhnlichen Vorgang wäre. Auch hätten CDU CSU darin sämtliche Themen der Koalition ins neue Jahr verschoben.

 

Stimmt so nicht, kommt aus der Union. Der neue Vorschlag habe auf dem der Koalition aufgebaut, den Zeitraum der Ausschlussplanung bis März 2023 gestreckt und sämtliche Fachaustausch-Wünsche der Ampel berücksichtigt.

 

Derweil präsentierte nun auch die Linke einen eigenen Vorschlag. Nach einigem Hin und Her folgte dann am 26. September der nächste Ampel-Entwurf, der anstelle der Fachaustausche tatsächlich überwiegend zum traditionellen Fachgespräch-Format zurückkehrte. Der allerdings, so sehen das die Unionsvertreter im Ausschuss, kaum etwas an der Themensetzung geändert habe.

 

Irgendwann habe es gereicht, sagt
SPD-Politiker Oliver Kaczmarek

 

Was die SPD wiederum bestreitet: Zwar habe die "Kompromiss-"Fassung unter anderem Fachgespräche zur "wissenschaftlichen Beratung der Politik" mit Helmholtz-Präsident Otmar D. Wiestler und zur MINT-Bildung vorgesehen, aber eben auf Wunsch der Opposition auch das Wissenschaftszeitvertragsgesetz und die Gewinnung von Fachkräften für Schlüsseltechnologien in die Planung der Fachgespräche aufgenommen, das Thema Energieversorgung in der Forschung als Bericht der Bundesregierung eingeplant und den Bericht der Bundesregierung zu den Verhandlungen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) vorgezogen. Letzteren habe es übrigens noch nie gegeben, betont Kaczmarek, zumindest seit er im Bundestag sei. "Eine Rückmeldung dazu ist seitens der Opposition nicht erfolgt."

 

Ihre Rückmeldung sah die Union indes in ihrem eigenen, wiederum nur einen Tag später präsentierten "Kompromiss"-Vorschlag, der auch mit entsprechendem Begleitschreiben übermittelt worden sei. Auf ihn reagierte die Ampel dann tatsächlich innerhalb von zwei Stunden. Aber anders als gedacht: nämlich mit dem Signal, dass die Halbjahresplanung jetzt auf Antrag der SPD zur Entscheidung per Mehrheitsbeschluss angesetzt werde. So geschehen nur einen Tag darauf – gegen die Stimmen der Opposition.  

 

Irgendwann habe es gereicht, sagt Oliver Kaczmarek. "Unsere Vermutung war von Anfang an, dass die Union auf eine öffentliche Konfrontation aus war." Ein Kompromiss sei nicht möglich und entgegen der Darstellung der Union auch nicht nahe gewesen. "Hätten wir noch länger gewartet, hätte man selbst beim besten Willen nicht mehr von einer Halbjahresplanung sprechen können."

 

Sie habe den Eindruck gewonnen, dass der Ausschuss hingehalten werden solle, "weil Vorlauf und konkrete Vorarbeit fehle", sagt dagegen  die Linken-Politikerin Sitte. "Kommt es in solch einer Situation zu Differenzen, dann blockt man schlicht ab und überstimmt kraft der Mehrheiten."

 

Die Ablehnung der Ampel sei der Union ein inhaltlicher Ansporn, sagt CDU-Mann Stephan Albani

 

CDU-Mann Albani spricht von einem unmöglichen Verhalten der Regierung. Seine Fraktion sei die ganze Zeit maximal kompromissbereit gewesen. Man bedaure, dass insbesondere die SPD "den Weg des Durchdrückens einer koalitionsfreundlichen Agenda" eingeschlagen habe. "Das mag gut sein für die Koalition, ist jedoch schlecht für die aktuellen Belange der Bildungs- und Wissenschaftslandschaft." Man sehe die Ablehnung der Ampel nun als Ansporn, "unser Engagement im Sinne der brennenden Themen weiter zu verstärken".

 

Was sagt zu alldem eigentlich der Ausschussvorsitzende Kai Gehring, der – eine Generation jünger als sein Vorgänger Ernst Dieter Rossmann – angetreten war, die Arbeitsweise des Ausschusses zu erneuern? Schon jetzt, sagt der Grünen-Politiker, sei der Ausschuss "dynamischer, kreativer und transparenter geworden, und er ist der Ort für wesentliche Debatten der Bildungs- und Forschungspolitik". Auch in Form "inspirierender Fachgespräche zu aktuellen Themen und Herausforderungen", wie Gehring betont. "Es sollte im Interesse aller Beteiligten sein, konstruktiv zu einer Einigung der zukünftigen Ausschusssitzungen zu kommen und die fachliche Arbeit fortzuführen." 

 

Als Ausschuss werde man weiter weder eine reine Regierungsfraktionsagenda noch eine reine Oppositionsfraktionsagenda absolvieren. "Daher rufe ich zu einem wieder konstruktiveren Miteinander auf, wobei selbstverständlich die Minderheitsrechte der Opposition weiter genauso sicherzustellen sind wie das Mehrheitsprinzip zu achten ist."

 

Soweit, zu präsidial. Dann aber lässt Gehring doch seinen Unmut über die CDU-/CSU-Kollegen aus. Nicht nur er, sagt der Ausschussvorsitzende, "würde es begrüßen, wenn die Union durch eigene inhaltliche Vorstöße auffiele, statt durch destruktive Verfahrensmanöver, mit denen sie sich bewährten parlamentarischen Gepflogenheiten versperrt." 


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