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KMK: Bund muss in der Gaskrise auch Forschungsorganisationen und Studierendenwerke zu geschützten Kunden erklären

Alle Landeswissenschaftsminister wenden sich in einem gemeinsamen Appell an die Ampelkoalition und fordern neben einer Klarstellung die Berücksichtigung bei weiteren Hilfspaketen. Auch für die Universitätsmedizin solle der Bund sich entsprechend seiner Verantwortung stärker engagieren.

"DIE SCHULEN UND HOCHSCHULEN haben jetzt Rechtssicherheit", frohlockte KMK-Präsidentin Karin Prien Anfang September. Da hatte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, den Kultusministern gerade bestätigt, dass Bildungseinrichtungen zu den geschützten Kunden zählen. Was heißt: Sollten Gas und Strom in den nächsten Monaten tatsächlich knapp werden, wird ihnen mit als letztes die Energie abgedreht. Was aber ist mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen (AUF) wie Max Planck, Helmholtz & Co? Anfang September sagte Prien, im Hauptberuf CDU-Bildungsministerin von Schleswig-Holstein: "Wir haben Herrn Müller darauf hingewiesen, dass wir den Status als geschützte Kunden auch für die AUF für erforderlich und angemessen halten, doch an dieser Stelle gibt es weiteren Klärungsbedarf mit der Bundesnetzagentur."

 

Fünf Wochen später ist dieser Klärungsbedarf immer noch da. Und angesichts sinkender Temperaturen und Warnungen der Bundesnetzagentur vor einem zu starken Anstieg beim Gasverbrauch so dringend geworden, dass die Wissenschaftsminister der Länder ungeduldig werden. Überraschend setzten sie das Thema heute in der Kultusministerkonferenz auf die Tagesordnung und bewirkten einen Beschluss, der deutlicher nicht sein könnte. Es ist die Aufforderung an den Bund, endlich Klarheit zu schaffen. Und nicht nur für die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, sondern für die Studierendenwerke gleich mit dazu. 

 

Wörtlich heißt es in dem Appell der Kultusminister an die Bundesregierung: "Die steigenden Energiepreise stellen auch die deutschen Hochschulen, Universitätskliniken, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Studierendenwerke vor außergewöhnliche Herausforderungen. Die KMK Hochschule bittet die Bundesregierung um Klarstellung, dass neben den Hochschulen und Universitätskliniken auch die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Studierendenwerke zum Kreis der geschützten Kunden gezählt werden und sämtliche Einrichtungen unter den Schutz der Energiepreisbremse fallen."

 

Der letzte Punkt war den Wissenschaftsministern heute ebenfalls besonders wichtig. Denn bei ihrem Treffen am Dienstag haben Bundeskanzler und Ministerpräsidenten in ihrem gemeinsamen BK-MPK-Beschluss als Nutznießer der Preisbremse explizit lediglich "Bürger und Unternehmen" erwähnt.

 

Die Wissenschaftsminister wollen es
nicht darauf ankommen lassen

 

Genauso fällt auf, dass unter Punkt 8 des Beschlusses als Zielgruppen "gesonderter Maßnahmen", die zusätzlich zur Energiepreisbremse kommen sollen, zwar eine Vielzahl von Branchen und Bereichen aufgezählt werden von der Industrie über den Einzelhandel und die Kultur bis hin zu Universitätsklinika und Bildungseinrichtungen – dass aber auch hier Forschungseinrichtungen und Studierendenwerke fehlen. Zufall oder Absicht?

 

Die Wissenschaftsminister wollten es nicht darauf ankommen lassen. Deshalb fordert der KMK-Beschluss den Bund zusätzlich auf, dass "für diese Einrichtungen in Ergänzung von Entlastungsmaßnahmen der Länder weitere Hilfsmaßnahmen gemäß Punkt 8 des BK-MPK-Beschlusses ergriffen werden". 

 

KMK-Präsidentin Prien sagte, die Länder hätten ihrerseits bereits gehandelt und Unterstützungsmaßnahmen auf den Weg gebracht. "Nun bitten wir die Bundesregierung auf Grundlage des Beschlusses der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten ebenfalls zu handeln und Entlastungsmaßnahmen zu verabschieden." Wenn Energie- und Gaspreisbremse nicht ausreichten, brauche es weitere Unterstützungsmaßnahmen durch den Bund." In den Hochschulen hat Lehre in Präsenz für uns oberste Priorität."

 

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), der die Wissenschaftspolitik der Landesregierungen mit Unionsbeteiligung koordiniert, sagte, es gehe darum, die Hochschulen, Uniklinika, Forschungseinrichtungen und Studierendenwerke "zu schützen" und, wo nötig, "zu stützen". Es sei da auf Seiten des Bundes "noch einige an Unklarheit unterwegs". Und er fügte hinzu: "Als Länder sind wir nicht diejenigen, die die Energiepolitik in Deutschland machen. Das ist der Bund."

 

Blume und sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Clemens Hoch (SPD) forderten, dass bei den angekündigten Entlastungen auch die Studierenden im Blick behalten werden müssten. "Das beginnende Wintersemester muss ein Semester der Normalität werden und in Präsenz stattfinden", sagte Blume. "Dazu gehört auch, dass die geplante Einmalzahlung für die Studierenden rasch und unbürokratisch ausgezahlt wird." Hier kommt es derzeit zu erheblichen Verzögerungen

 

Wissenschaftsminister fordern: Bund muss ernst

machen mit eigener Versorgungsstufe für Uniklinika 

 

Die Kultusministerkonferenz beschloss noch einen weiteren Appell vor allen an die Adresse der Bundesregierung, und dieser war länger vorbereitet: ein gemeinsam mit dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) und dem Medizinischen Fakultätentag (MFT) ausgearbeitetes Positionspapier zur Universitätsmedizin. Darin fordern Wissenschaftsminister und Verbände unter anderem die schnellstmögliche Umsetzung der im Ampel-Koalitionsvertrag angekündigten Krankenhausreform. Einschließlich den dort versprochenen bundeseinheitlichen Versorgungsstufen – und einer eigenen Versorgungsstufe für die Universitätsklinika, die diesen deutlich mehr Geld bringen würde. Die einmalige Rolle der Klinika für die Gesellschaft rechtfertige dies: "Eine in Versorgung, Forschung und Ausbildung starke Hochschulmedizin ist der Garant für ein leistungsfähiges und effizientes Gesundheitssystem in Deutschland. Ganz aktuell hat dies die Bewältigung der Corona-Pandemie gezeigt". 

 

Große Erwartungen an den Bund gibt es auch in Hinblick auf die Finanzierung der neuen Approbationsordnung. Die ist inhaltlich lange unter Dach und Fach, doch streiten sich Wissenschafts- und Gesundheitsminister, vor allem aber Bund und Länder seit Jahren um die Finanzierung der beträchtlichen Mehrkosten – genau wie schon bei der Akademisierung anderer Gesundheitsberufe.

 

KMK, VUD und MFT schreiben, die Herausforderungen des Wandels in der Medizin und des Gesundheitssystems müssten auch in der ärztlichen Ausbildung adressiert werden. "Ein universitäres, kompetenzorientiertes Studium, das auf wissenschaftlichen Grundlagen aufbaut und auf eine patientenorientierte ärztliche Tätigkeit in stationären wie ambulanten professionsübergreifenden Teams vorbereitet, ist dafür unerlässlich." Und dann kommt der entscheidende Satz: "Weiterentwicklungen der ärztlichen Ausbildung und der Qualifizierung der Gesundheitsberufe können nur im Wege eines von Bund und Ländern gemeinsam getragenen Finanzierungskonzeptes erfolgen."

 

Die Wissenschaftsminister fürchten seit Jahren, dass der Bund sie auf den Kosten sitzenlässt, die KMK-Präsidentin Prien heute mit "mehreren hundert Millionen Euro" angab – und zwar pro Jahr.

 

Nicht enden wollender Millionenpoker
um die teure Reform

 

Der Millionenpoker begann schon 2017. Da haben Wissenschafts- und Gesundheitsminister von Bund und Ländern den "Masterplan Medizinstudium 2020" beschlossen. Nach bereits jahrelangen Verhandlungen. Denn schon damals war klar: Die Reform würde teuer werden.

 

So teuer, dass sich Bund und Länder, Wissenschafts- und Gesundheitspolitiker seitdem um die Rechnung streiten. Deren genaue Höhe allerdings selbst Konfliktgegenstand ist. Der Medizinische Fakultätentag (MFT) hat einmalige "Transformationskosten" von rund 175 Millionen Euro errechnet, dazu dauerhaft 32.000 bis 40.000 Euro mehr pro Erstsemester-Studienplatz und Jahr – weil bessere Betreuungsverhältnisse nötig seien, eine intensivere Lehre auch im ambulanten Bereich und aufwendigere Prüfungsformate. Hat der MFT Recht, würde das dauerhaft rund 400 Millionen Euro mehr pro Jahr bedeuten.

 

Während die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), in einer allerdings ungleich schlichteren Rechnung, nur auf knapp 6000 Euro mehr pro Studierendem kommt, die Angaben der Fakultäten aber ihrerseits für "nicht nachvollziehbar" hält.

 

Die Wissenschaftsminister drängen seit Jahren, doch schon der frühere Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) bewegte sich nicht. Auch sein Nachfolger Karl Lauterbach drückte noch diesen Sommer auf die Bremse. Bei der MFT-Jahresversammlung Mitte Juni in Essen sagte, er wolle die Novelle "gern voranbringen", ohne aber Details oder einen Zeitplan zu nennen. Und das nach all den Jahren. 

 

Bayern Wissenschaftsminister Blume sagte heute bei der Vorstellung des Positionspapiers: "Wenn jemand mit zur Party einlädt und nachher beim Begleiten der Rechnung nicht dabei sein will, dann ist das schwierig". 

 

Viele Anläufe haben die Wissenschaftsminister bereits unternommen. Als letzte Option wollen sie jetzt offenbar versuchen, die Angelegenheit auf die Ebene der Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers eskalieren zu lassen. Nur haben sie dabei auch die Gesundheitsminister an ihrer Seite? Denn die waren bei den Auseinandersetzungen mit dem Bundesgesundheitsministerium in der Vergangenheit oft keineswegs Verbündete der Wissenschaft.

 

Clemens Hoch ist in Rheinland-Pfalz für beides zuständig: Wissenschaft und Gesundheit. Genau wie seine Berliner Kollegin, Senatorin Ulrike Gote (Grüne). Hoch sagt: Das Zusammenführen der Zuständigkeiten in Rheinland-Pfalz und Berlin trage zu einem besseren Verständnis zwischen Gesundheits- und Wissenschaftsseite bei. Zwar gebe es zum Thema Finanzierung der neuen Approbationsordnung keine gemeinsame Position der Gesundheitsminister, dafür aber eine der Regierungschefs, und die sei klar: Wenn der Bund mitrede, müsse er auch mit bezahlen.


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