Bildung und Wissenschaft bekommen die Energie-Soforthilfe. Aber was ist mit den Preisbremsen? Am Abend nach dem Treffen der Regierungschefs herrscht weiter Unklarheit, KMK-Präsidentin Prien und Bayerns Wissenschaftsminister Blume kritisieren die Beschlüsse.
DER MITTWOCH FING so gut an für Schulen und Hochschulen. Das Bundeskabinett beschloss das Gesetz zur Dezember-Soforthilfe, und siehe da: Anders als in früheren Entwürfen waren sie explizit enthalten. Als Ausnahme von der Ausnahme von der Soforthilfe.
Die Ausnahme: Nur Kunden unter 1,5 Gigawattstunden Jahresverbrauch sollen Berücksichtigung finden. Die Ausnahme von der Ausnahme in Paragraph 2: eine Liste von Einrichtungen vor allem im sozialen und medizinischen Bereich, bei der unter Punkt 3 "staatliche, staatlich anerkannte oder gemeinnützige Einrichtungen des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereichs" auftauchten.
Entsprechend frohlockte anschließend Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP): "Das Kabinett hat heute die Gas-Soforthilfe beschlossen, die die Einrichtungen des Bildungs-, Wissenschafts- und Forschungsbereichs in jedem Fall berücksichtigt." Dafür habe sie sich eingesetzt. CDU-Bildungspolitiker Thomas Jarzombek sagte, es sei auf den letzten Metern noch gelungen, die Bildungsministerin bei der Gas-Soforthilfe für die Belange von Bildung und Wissenschaft wachzurütteln.
Die SPD-Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar hatte indes schon vor fast zwei Wochen versichert, Schulen, Hochschulen, Studierendenwerke und Forschungseinrichtungen seien in den Energie-Plänen der Ampel "mitgemeint".
In jedem Fall eine erste große Erleichterung, nachdem die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) noch vor wenigen Tagen gewarnt hatte, dass die Bundesregierung Bildung und Wissenschaft zu vergessen drohe – weil sich im zuerst bekannt gewordenen Gesetzentwurf zur Soforthilfe in der Hinsicht noch eine Leerstelle befunden hatte.
Plötzlich stiegen auch wieder die Hoffnungen, dass die Konferenz von Ministerpräsidenten und Bundeskanzler am Nachmittag noch mehr gute Nachrichten bringen könnte. Würden Kitas, Schulen, Hochschulen und Forschungsinstitute auch bei den eigentlichen Preisbremsen für Gas, Wärme und Strom dabei sein, und möglicherweise sogar bei dem geplanten Fonds für Härtefälle?
Die kurz vor dem Kabinettsbeschluss vorgelegte finale Fassung der "Eckpunkte" zur "Umsetzung der Entlastungsmaßnahmen Gas und Strom", abgestimmt zwischen Bundeskanzleramt, Wirtschafts- und Finanzministerium, las sich ebenfalls ermutigend – führte sie doch Bildungs- und Wissenschaftseinrichtungen bei Soforthilfe und bei den Energie-Preisbremsen ausdrücklich auf. Ausnahme hier: Unter "Härtefallregelungen" tauchten aus dem Bereich Bildung und Wissenschaft nur die außeruniversitären Forschungseinrichtungen auf.
Was bedeutet
"Vereine etc."?
Das Treffen der Regierungschefs im Kanzleramt begann, nach drei Stunden saßen Olaf Scholz (SPD) und seine Länderkollegen vor der Presse und verkündeten ihre Beschlüsse. Doch darin fehlten die Begriffe Bildung und Wissenschaft wiederum. Wörtlich heißt es in dem Papier lediglich: Die Preisbremse für Gas und Fernwärme gelte für Verbraucher, "sofern ihr Verbrauch unter 1,5 Gigawattstunden pro Jahr liegt. Also für private Haushalte, Kleine und Mittlere Unternehmen ebenso wie für Vereine etc."
Die Verbrauchsgrenze kommt einem aus dem Soforthilfe-Gesetz vom Morgen bekannt vor. Zudem erschiene es extrem unlogisch, Schulen & Co zwar die Soforthilfe zu gewähren, sie aber bei den Preisbremsen außen vorzulassen. Aber warum stehen sie dann nicht ausdrücklich drin, obwohl sie es auch in den Eckpunkten tun?
Andererseits erwähnt der Beschluss der Regierungschefs die anderen im Soforthilfe-Gesetz erwähnten – und schon länger gesetzten – sozialen und medizinischen Einrichtungen auch nicht explizit. Warum stattdessen nur dieses fast schon lustlos hingeworfene, maximal schwammige "ebenso wie Vereine etc.?" Was bedeutet das nun? Und wer genau ist tatsächlich "mitgemeint"?
Die Verunsicherung war am Mittwochabend zurück. Die Hochschulrektorenkonferenz kündigte für Donnerstag eine Stellungnahme an, auf einen weiteren Freuden-Tweet von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger wartete man bis in die Nacht vergeblich. Aus Kreisen der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion verwies man auf die vergangene Woche ins Parlament eingebrachte Forderung nach einem Rettungsschirm für die Wissenschaft, die weiterhin die Erwartungserhaltung an die Bundesregierung widerspiegele.
Deutlicher ihrer Enttäuschung Luft machte Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien, zurzeit Präsidentin der Kultusministerkonferenz. Sie sagte, es sei positiv zu bewerten, dass in Sachen Soforthilfe eine klare Formulierung gefunden worden sei, in der sich Schulen, Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen wiederfänden. "In Hinblick auf die eigentlichen Preisbremsen für Strom und Gas aber ist die Beschlusslage trotz der klaren Empfehlung der Expertenkommission Gas und Wärme im besten Fall unklar. Details werden wir in den nächsten Stunden und Tagen zu klären haben."
Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), der die Unions-Wissenschaftspolitik der Länder koordiniert und stellvertretender Vorsitzender der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) ist, nannte es "wirklich empörend, dass wieder einmal eine Chance vom Bund verpasst wurde, Klarheit in dieser so wichtigen Frage zu schaffen." Und weiter: "Wir werden bei der GWK in aller Deutlichkeit als Länder vom Bund einfordern, dass endlich Klarheit hergestellt wird, dass alle Hochschulen, Forschungseinrichtungen und Studentenwerke selbstverständlich auch unter den Schutz der Energiepreisbremse fallen."
Hessens grüne Wissenschaftsministerin Angela Dorn twitterte hingegen: "Dass Hochschulen von Gaspreisbremse und Strompreisbremse erfasst werden, war eigentlich von Beginn an klar. Das Problem ist die unklare Kommunikation." Jetzt ist auch Abschlagszahlung positiv geklärt. "Das Problem war und bleiben die Härtefälle", die auch nach der Wirkung der Bremsen blieben.
Am Donnerstagabend bereits trifft sich Stark-Watzinger mit ihren Länderkollegen zum traditionellen GWK-Kamingespräch. Die Hängepartie geht erstmal weiter.
Dieser Beitrag wurde am 03. November um 0.15 Uhr aktualisiert.
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