Der Bund hilft Hochschulen und Forschungsinstituten in der Energiekrise. Reicht noch nicht, sagen die Länder. Aber was tun sie selbst für eine auskömmliche Hochschulfinanzierung? Ein aktueller Überblick.
VOR DREI WOCHEN war Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gehörig unter Druck. Was ist mit den Hochschulen?, drängten ihre Ministerkolleg:innen in den Ländern. Werden die bei der Umsetzung der Preisbremsen für Strom und Gas Berücksichtigung finden? Selbst nach einem Treffen zwischen Bundeskanzler und Ministerpräsidenten Anfang November bezeichnete die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Karin Prien (CDU), die diesbezügliche Beschlusslage noch als "bestenfalls unklar". Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume sagte, es sei "wirklich empörend, dass vom Bund wieder eine Chance verpasst wurde, Klarheit in dieser so wichtigen Frage zu schaffen".
Was wiederum Stark-Watzinger möglicherweise als empörend empfunden hat, da ihre Lobbyarbeit für Hochschulen und Wissenschaft nicht genügend gewürdigt wurde. Jedenfalls antwortete ihr Ministerium schon am nächsten Tag, die Äußerungen aus der Opposition und den Ländern hätten für "Verwunderung" gesorgt. Die Sache sei klar, Bildung, Wissenschaft und Forschung würden selbstverständlich berücksichtigt – was eine "große Entlastung" für die Länder bedeute, die ja für Schulen und Hochschulen zuständig seien. Und das BMBF fügte hinzu: Es stelle sich die Frage, welche Beiträge die Länder eigentlich selbst dafür leisten würden, um den Bildungs- und Forschungsbetrieb zu gewährleisten.
Eine berechtigte Frage
der BMBF-Chefin
Womit Stark-Watzinger gekonnt den Spieß umgedreht hatte, denn diese Frage stellte sich tatsächlich. Und war in der föderalen Vielfalt (oder je nach Perspektive: Zerklüftung) in der Hochschulpolitik gar nicht so leicht zu beantworten. Jedenfalls nicht ohne ausführliche Recherche in allen 16 Bundesländern. Unterstützen sie ihre Hochschulen mit eigenen Energie-Hilfsprogrammen? Und: Wie sieht es eigentlich grundsätzlich aus bei der Hochschulfinanzierung in Zeichen zweistelliger Inflationsraten? Wer bekommt mehr, in welchen Ländern müssen die Hochschulen umgekehrt sogar Kürzungen (gern tituliert als "globale Minderausgaben") hinnehmen?
Diese Fragen habe ich den Landesrektorenkonferenzen in allen Bundesländern gestellt. Noch liegen nicht alle Antworten vor, doch schon jetzt sind die Ergebnisse ernüchternd.
In einigen Bundesländern wissen die Hochschulen nicht,
ob sie überhaupt Energie-Hilfen vom Land bekommen
So lautet aus sieben Bundesländern die Antwort, dass man nicht genau wissen, wie mögliche Hilfsprogramme aussehen werden. Einige darunter wissen nicht einmal, ob sie überhaupt etwas bekommen. Und da, wo Klarheit herrscht, unterscheiden sich die versprochenen Summen enorm. Baden-Württemberg etwa hat eine beeindruckende Milliarde als Inflationsrücklage für die Landesliegenschaften vorgesehen, von denen mehr als die Hochschulen sind. Allerdings ist das Geld alle inflationsbedingten Mehrausgaben des Landes bestimmt, so dass nicht absehbar ist, wie viel für die Energiekosten der Hochschulen übrigbleibt.
Berlin gibt 180 Millionen Euro – aber die müssen sich die Hochschulen ebenfalls mit anderen Ladeneinrichtungen teilen. Sachsen-Anhalt dagegen zahlt dieses Jahr allen Hochschulen des Landes zusammen fünf Millionen Euro extra. Den selben Betrag plant Schleswig-Holstein – das Land, in dem KMK-Präsidentin Prien für die Wissenschaft zuständig ist. Glücklich können sich die Hochschulen in Sachsen schätzen: Die Energiekosten der Hochschulen werden durch den Freistaat vollständig getragen.
In drei Bundesländern müssen die Hochschulen
globale Minderausgaben stemmen
Besonders angespannt ist die Lage dagegen in Ländern wie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern. Sie warten nicht nur auf Energiehilfen vom Land, sie sehen sich zusätzlich mit Kürzungen konfrontiert. Das niedersächsische Wissenschaftsministerium bekam bereits 2020 und 2021 globale Minderausgaben hineingedrückt, die in Höhe von knapp 27 Millionen Euro dauerhaft und kumuliert auf die Hochschulen umgelegt wurden. Jetzt folgen für 2022 und 2023 weitere 7,8 Millionen – wie reagiert der frisch ins Amt gekommene Wissenschaftsminister Falko Mohrs (SPD)? Der kürzlich geschlossene rot-grüne Koalitionsvertrag spricht jedenfalls von einem "Ausgleich der Tarifsteigerungen und einer Berücksichtigung steigender Energiekosten" und einem "jährlichen Aufwuchs des Grundhaushalts". Mohrs Parteikollegin in Mecklenburg-Vorpommern, Bettina Martin, bekommt derweil ordentlich Gegenwind von ihren Hochschulen, denen sie 2023 18,3 Millionen Euro abknüpfen soll.
Das dritte Bundesland, in dem globale Minderausgaben vorgesehen sind, ist Thüringen: Dieses und nächstes Jahr sollen die Hochschulen 23 Millionen Euro abgeben. Dass ihre Klagen etwas leiser ausfallen, mag daran liegen, dass Thüringen nicht nur zu den 12 Bundesländern zählt, die ihre Hochschulbudgets dynamisiert haben, sprich: nach einem fest vereinbarten Schlüssel jedes Jahr erhöhen. Sondern dass die rot-rot-grüne Koalition in Erfurt dabei auch noch vergleichsweise großzügig vorgeht: Bis einschließlich 2025 gibt es jährlich vier Prozent mehr (abzüglich der globalen Minderausgabe, versteht sich).
Dynamisierung ist nicht
gleich Dynamisierung
Das gehört womöglich zu den größten Überraschungen der Umfrage: dass es (die Bremer Antwort fehlt noch) lediglich vier Bundesländer gibt, in denen Hochschulen bislang nicht auf einen festen Erhöhungsmechanismus pochen können. Den Trend begründet hatte 2016 einst Baden-Württemberg mit seiner damaligen Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne), und noch immer ist das Südwest-Bundesland in der Hinsicht die Benchmark: Zwar offiziell "nur" drei Prozent mehr pro Jahr, aber die Personalkostensteigerungen werden in jedem Fall voll übernommen, und 44 Prozent des Aufwuchses bleiben für den Rest reserviert.
Wobei eine Dynamisierung schon vor dem Inflationsschub nicht automatisch große Sprünge bedeutete. Schleswig-Holstein etwa übernimmt zwar auch erfreulicherweise die Personalkostensteigerungen der Hochschulen, leistet bei den Sachmitteln aber gerade mal einen jährlichen Inflationsausgleich von einem Prozent.
Umgekehrt hat Bayern seine Hochschulhaushalte bislang nicht dynamisiert, dafür in den vergangenen Jahren aber über die Hightech-Agenda Milliarden zusätzlich ins System gepumpt – es geht also auch ohne Dynamisierung. Die in Hamburg bis 2027 vereinbarte Dynamisierung wiederum bietet vor allem dem Senat Sicherheit: Preis- und Lohnsteigerungen werden ausgeglichen – aber nur bis zu einer Kappungsgrenze von zwei Prozent. Immerhin gibt es in der Hansestadt laut Landesrektorenkonferenz weitere Sonderprogramme, aber es bleiben Sonderprogramme.
Das hochschulpolitische Commitment zeigt sich
nicht nur an den Steigerungsraten
Wer sich anschaut, wie sich in den einzelnen Bundesländern die realen Hochschulhaushalte über die Jahre verändern, sollte allerdings nicht nur auf die Steigerungsraten schauen. Denn sie mögen zwar wichtige Aussagen ermöglichen über das aktuelle hochschulpolitische Commitment der Landesregierung, nicht aber über das absolute Finanzierungsniveau, das langfristigere Entwicklungen widerspiegelt.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Berlin, das seinen Hochschulen schon seit 2018 jedes Jahr 3,5 Prozent mehr Grundfinanzierung gönnt. Was in Niedrig-Inflationszeiten echte Linderung brachte. Die allerdings war auch dringend nötig, denn vorher waren die Hochschulen über viele Jahren heruntergespart worden – was man bis heute an den laufenden Ausgaben pro Studierenden in der Hauptstadt sieht: 7.640 Euro pro Jahr. Einer der niedrigsten Werte bundesweit. Ganz hinten: Bremen mit 5.800 Euro, aber immerhin mit einem respektablen Zuwachs in diesem Jahr. An der Spitze der Pro-Kopf-Ausgaben liegen ostdeutsche Länder: Sachsen-Anhalt, Sachsen und – bis 2019 – Thüringen.
Natürlich schlagen da, wo besonders viel pro Kopf ausgeben wird, häufig schlicht die Demografie und vergleichsweise Studienanfängerzahlen durch. Auch wirkt sich aus, ob ein Land besonders viel, eher wenig oder – im Extremfall – gar nicht in die besonders teure Hochschulmedizin investiert. Doch ändern diese und weitere Gründe nichts daran, dass besonders hohe Pro-Kopf-Ausgaben den zuständigen Wissenschaftsministern das Argumentieren für weitere Zuschläge gegenüber den Finanzminsterkollegen schwerer macht.
Nur ein Bundesland befand sich 2022 allerdings in einem Double-Dip niedriger Pro-Kopf-Ausgaben und geringer Steigerungen: Rheinland-Pfalz. Wobei, und das ist die gute Nachricht, Rheinland-Pfalz nächstes Jahr immerhin ordentlich etwas drauflegen will. Für 2023 sind im noch nicht beschlossenen Doppelhaushalt 67,6 Millionen Mehrausgaben geplant (+7,4 Prozent im Vergleich zu 2022). Allein 32,2 Millionen dafür sollen die zusätzlichen Energiekosten abdecken. Geht doch.
Doch, die Länder leisten einiges
für ihre Hochschulen, aber...
Vergangene Woche hat die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) bei ihrem Treffen in Jena an "die politisch Verantwortlichen auf Bundes- und Landesebene" appelliert, "weitere Schritte zur Entlastung der Hochschulen folgen zu lassen und diesbezüglich rasch Verlässlichkeit sicherzustellen." Speziell hoben die Rektor:innen und Präsident:innen hervor, dass der geplante Härtefallfonds des Bundes auf diejenigen Hochschulen ausgeweitet werden müsse, die von den "teils extremen Preissteigerungen" besonders belastet seien. Zurzeit sollen von dem Fonds nur die außeruniversitären Forschungseinrichtungen profitieren. Was BMBF-Chefin Stark-Watzinger indes wieder mit ihrer eingangs zitierten Frage kontern könnte.
Nach meiner Recherche lautet die Antwort: Doch, die Länder leisten einiges, um den Bildungs- und Forschungsbetrieb zu gewährleisten. Zumal, das darf man nicht vergessen, der Bund zwar die außeruniversitären Forschungseinrichtungen (Max Planck, Helmholtz & Co) als seine besonders zu pflegende Domäne sieht, die Länder sie aber teilweise hälftig kofinanzieren. Genau wie den Zukunftsvertrag Studium und Lehre (ZSL), für dessen Erhöhung Stark-Watzinger gerade Lob eingeheimst hat. Allerdings: Einige Details der Tabelle sind für die betreffenden Länder wenig schmeichelhaft. Und gegenüber einer 10-Prozent-Inflation sehen alle enthaltenen Prozentwerte niedlich aus. Aber das gilt für den Aufwuchs im BMBF-Haushalt genauso.
Am Ende ein Disclaimer und eine Bitte:
Alles, was ich bislang an
Informationen von den Landesrektorenkonferenzen erhalten – in wenigen Fällen – selbst ergänzt habe, finden Sie in der Tabelle. Inklusive der Bitte, etwaige Fehler gern an mich zu melden, damit
ich sie korrigieren kann. Denn es handelt sich, wie Sie sehen, um (recht aufwändige) Work in Progress, die umso besser wird, je mehr Sie mir in den nächsten Tagen helfen. Für Fehler und
Missverständnisse bitte ich um Entschuldigung, diese werde ich, wo nötig, korrigieren. Im Großen und Ganzen sollten die Zahlen aber bereits jetzt aussagekräftig sein. Und wenn nicht jede
einzelne Zahl, so zumindest die Tendenzen.
Nachtrag am 23. November:
Herzlichen Dank für das viele positive Feedback und einige Hinweise, die ich bereits in die Tabelle eingearbeitet habe. Gern nehme ich weitere entgegen.
Nachtrag am 25. November:
Auch das Land Bremen ist nun mit Zahlen und Daten vertreten.
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H. Dietrich (Dienstag, 22 November 2022 08:05)
Guten Morgen Herr Wiarda,
danke für die Übersicht! Ein kleiner redaktioneller Fehler hat sich eingeschlichen: Huber ist der bay. Generalsekretär und Blume der Wissenschaftsminister.
Beste Grüße
HD
Jan-Martin Wiarda (Dienstag, 22 November 2022 08:19)
Besten Dank für den Hinweis! Ist korrigiert.
Tina Salomon (Dienstag, 22 November 2022 10:36)
Hinsichtlich des Bremer "Double-Dips" ist aber zu beachten, dass Bremen als einziges Bundesland weder eine öffentliche Universitätsmedizin, noch eine Technische Hochschule/Universität hat. Die durchschnittlichen Ausgaben pro Studierendem/r sind damit automatisch geringer als in anderen Bundesländern, weil die Hochschultypen fehlen, bei denen hohe Kosten und (stark) limitierte Studienplätze zusammentreffen. Ausgaben für Investitionen in Universitätskliniken, die in anderen Bundesländern in die Hochschulausgabenstatistik eingehen, fallen in den Bremer Krankenhäusern auch an, erscheinen aber nicht in der Kennzahl. Die Universität war von Anfang an "kostengünstig" angelegt, weswegen ihr z.B. erst spät die Dienstherreneigenschaft übertragen wurde. Die "Unterfinanzierung" ist zu einem nicht unerheblichen Anteil durch die (einzige öffentliche) Universität hausgemacht, u.a. durch die U Bremen Research Alliance, mit der es eine Verschiebung in die AuFs gegeben hat, und einer ziemlich skrupellosen Skalierung der Studienplätze im Zuge der doppelten Abi-Jahrgänge und der Aussetzung der Wehrpflicht. Im Kern wurden über Jahrzehnte hinweg von zwei Universitätsleitungen Ressourcen aus dem eigentlichen Uni-Betrieb abgezogen (ist halt nicht "sexy" genug) und gleichzeitig die Studienplatz-Kapazität ausgebaut, so dass bei der Kennzahl "Hochschulausgaben pro Studierendem" Zähler und Nenner betroffen waren - und dann wurde genau diese Kennzahl genutzt, um die "Unterfinanzierung" zu belegen und mehr Mittel einzufordern, die wiederum nur in die AuFs und Ko-Finanzierungen für Bund-/Länder-Projekte abgeflossen wären. Das rächt sich jetzt - und wirft ein Schlaglicht auf die Amtswahrnehmung eines HRK-Vizepräsidenten.
Jana Stibbe (Mittwoch, 23 November 2022 10:40)
@Tina Salomon: Das mit den Investitionen für Unikliniken stimmt so nicht ganz. In einigen Bundesländern sind die Investitionen in Unikliniken beim Sozialressort angesiedelt. Auch stimmt die Aussage für Bremen so nicht. Es gibt 2 Hochschulen, die technische Studiengänge und hochkarätige Forschung im MINT-Bereich betreiben. Es gibt nur noch wenige technische Unis, deren Verbund aber z. B. auch die Uni Hannover angehört. Die Bezeichnung ist also kein Kriterium.
Außerdem geht es in diesem Artikel um die Grundfinanzierung der Hochschulen. Die enthält bis auf Sachsen sämtliche Mittel für Verbräuche (Energie, Wasser etc.). Die sächsischen Hochschulen haben gerade das Glück, dass der Landesbetrieb SIB in Sachsen für alle Immobilien des Landes inkl. Hochschulen und Verbräuche zuständig ist (absolute Ausnahme in Deutschland). Zu anderen Zeiten wird das eher als Bürde von den größeren sächsischen Hochschulen empfunden. In Niedersachsen gibt es neben den Einschränkungen in der Grundfinanzierung noch die Erschwernis, dass sie sich aus ihrem Hochschulhaushalt (Grundfinanzierung+Drittmitteleinnahmen) an Baumaßnahmen beteiligen sollen. Keine Eigenmittel, keine Baumaßnahme. Das mindert langfristig ebenfalls den Hochschulhaushalt.
Das eigentliche Problem aber ist, dass es gar keine vernünftigen Berechnungsgrundlagen zur Hochschulfinanzierung gibt. Und das seit Jahrzehnten. Für Forschung und Lehre kämen die AKL´s in Frage. Diese beinhalten aber keine Kosten zu den Liegenschaften. Weder Verbräuche noch Instandhaltungs- und Baumittel oder sonstige Ausgaben zum Betrieb (z. B. Reinigung). Für eine sachgerechte Mittelvergabe an die Hochschulen (Drittmitteleinnahmen sind dabei zu berücksichtigen) müsste endlich diese Berechnungsgrundlage geschaffen werden. Sachlich ist das möglich, politisch bisher aber nicht gefordert.