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Kein Grund für selbstzufriedene Töne

Das BMBF hatte über viele Wochen keine Lösung für die Auszahlung  der Energie-Soforthilfe an Studierende gefunden. Jetzt mahnt eine FDP-Parteifreundin von Ministerin Stark-Watzinger die Länder zur Eile bei der Auszahlung an. Das ist skurril.

ENDLICH hat die Ampel-Koalition die bereits Anfang September angekündigte Energie-Soforthilfe für Studierende und Fachschüler durchs Parlament gebracht, da sind einige schon der Meinung, sich selbst loben zu müssen. "Junge Menschen in Ausbildung haben wenig Geld und Rücklagen", sagte am Donnerstag zum Beispiel die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Ria Schröder. "Deshalb ist es gut und richtig, dass die Ampelkoalition alle Studierenden und Fachschülerinnen und Fachschüler mit der Energiepreispauschale in Höhe von 200 Euro bei den gestiegenen Energiekosten in diesem Winter unterstützt."

 

So weit so richtig. Weniger rühmlich ist, wie das FDP-geführte Bundesforschungsministerium über Monate nicht die Frage beantworten konnte, auf welchem Weg die insgesamt 700 Millionen Euro eigentlich – so wie vollmundig versprochen –"schnell und unbürokratisch" fließen sollen. Die Kritik aus Studierendenverbänden, Opposition und Ländern wurde mit der Zeit immer drängender. Erst Anfang November kam man dann, nach allerlei Fehlschlägen und sozusagen als Notlösung, mit der Idee einer digitalen Antragsplattform um die Ecke. Die allerdings erst noch konzipiert, programmiert, getestet und dann auch administriert werden muss.

 

Umso skurriler ist die Art und Weise, wie Schröder in ihrem Statement nun versucht, das BMBF aus der Schusslinie zu befördern. Der Bund zahle Hilfen und trage auch die Kosten der Entwicklung der digitalen Antragsplattform, sagte sie weiter. "Damit das Geld mit der Nebenkostenabrechnung Anfang 2023 auf dem Konto der jungen Menschen ankommt, müssen die Landesregierungen bereits jetzt die Vorkehrungen für eine schnelle und effiziente Auszahlung der Pauschale treffen."

 

Bayerns CSU-Wissenschaftsminister Markus Blume:
Bund ist und bleibt in der Verantwortung

 

Die Reaktion aus den Ländern ließ nicht lange auf sich warten. Der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume sprach am Donnerstagabend auf Anfrage von einem "dreisten Foul der bildungspolitischen Sprecherin der FDP-Fraktion". Der CSU-Politiker Blume koordiniert die Hochschul- und Wissenschaftspolitik aller Bundesländer mit Unionsbeteiligung. "Die Bundesregierung veranstaltet seit Monaten eine Hängepartie, nimmt die Unterstützung der Länder erst nicht an und beschließt dann ein Gesetz, nach dessen Verabschiedung weiterhin alles offen bleibt." Fakt sei, fügte Blume hinzu: "Der Bund ist und bleibt in Verantwortung und kann jetzt nicht einfach nach Monaten des Nichtstuns den Ländern den schwarzen Peter zuschieben."

 

Der Versuch der Bundespolitikerin Schröder, das Thema in die Länder zu delegieren, ist indes taktisch nachvollziehbar. Ebenso ist es die Weigerung aus den Ländern, sich diesen Schuh anzuziehen. Denn wer 2020 die Irrungen und Wirkungen um die Einführung einer Corona-Nothilfe für Studierende verfolgt hat, der ahnte schon Anfang November: Das wird nichts mit dem Start der Überweisungen Anfang Januar, wie Stark-Watzinger es da noch "hoffentlich" in Aussicht stellte. 

 

Bei der Nothilfe, als die Power aller deutschen Studierendenwerke hinter dem Projekt stand, vergingen zwischen Beschluss einer Plattform und Beginn der Antragsbearbeitung genau zwei Monate, und da lag keine Weihnachtszeit dazwischen. Drei Wochen danach warteten immer noch viele Antragsteller auf ihr Geld. Mit anderen Worten: Alles vor Februar wäre in Sachen studentischer Energiepreispauschale eine Überraschung. Und alles nach Januar wird die Kritik an der Politik massiv verstärken – wenn zwischen Ankündigung und Auszahlung fünf Monate vergangen sein werden und die Studierende inmitten des Winters immer noch ohne die selbst so bescheidene Einmal-Pauschale auskommen müssten. 

 

Die 200-Sofort-Hilfe ist richtig und ihre parlamentarische Umsetzung eine gute Nachricht. Und ja, die Länder müssen jetzt liefern und werden an der Geschwindigkeit der Auszahlung gemessen werden. Selbstzufriedene Töne in der Bundespolitik aber sind angesichts des zwei Monate langen Umsetzungswirrwarrs im BMBF ebenso wenig angebracht wie vorsorgliche Versuche, die Verantwortung für das absehbare Warten der Studierenden loswerden zu wollen. 


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Kommentare: 4
  • #1

    Achim Meyer auf der Heyde (Freitag, 02 Dezember 2022 11:13)

    Es ist richtig, dass es vom Vorschlag des DSW Ende März 2020 bis zur Auszahlung der Nothilfe rund drei Monate dauerte. Allerdings war die reine Projektentwicklungszeit kürzer. Erst Anfang Mai bestand Klarheit, dass Zuschüsse gezahlt würden. In Rekordzeit von nur 6 Wochen wurden bis Mitte Juni ein IT-Dienstleister ausgewählt, Förderrichtlinien abgestimmt, ohne die das ab 16. Juni laufende Antragstool nicht entwickelt werden konnte. Bearbeitungs- und Auszahlungstool standen dann am 28. Juni, Auszahlungen erfolgten umgehend. Dies alles wurde damals mit vollem Risiko seitens des DSW angegangen.

  • #2

    Jan-Martin Wiarda (Freitag, 02 Dezember 2022 12:15)

    vielen Dank für Ihren Kommentar! Dass es den Vorschlag seitens des DSW vorher gab, ist richtig, aber den Beschluss des BMBF eben erst Ende April. Was den Beginn der Antragsbearbeitung angeht, änderte ich die Formulierung in "genau zwei Monate" zwischen Beschluss der Plattform (29.4.) und Beginn der Antragsbearbeitung (29.6.).

    Die Realität der Auszahlung war freilich etwas komplexer als "erfolgten umgehend". Ohne damit die Leistung der Studentenwerke abwerten zu wollen (was mir angesichts ihrer großartigen Arbeit damals wirklich fern liegt), siehe meinen Artikel noch vom 17. Juli 2020: https://www.jmwiarda.de/2020/07/17/nicht-akzeptabel-nicht-würdig/

    Ja, es wurde umgehend Geld ausgezahlt, aber viele Antragsteller warteten auch noch Wochen später auf ihr Geld, so formuliere ich das jetzt. Das Entscheidende ist: In so einem Umsetzungsprozess kann so viel passieren, es gibt so viele Unwägbarkeiten, dass unnötig verlorene Zeit (in diesem Fall viele Wochen!) bis zum eigentlichen Projektbeginn kaum wieder aufholbar ist. Das ist meine Schlussfolgerung aus der Corona-Soforthilfe, wenn ich jetzt "Auszahlung Anfang Januar" höre.

    Beste Grüße
    Ihr J-M Wiarda

  • #3

    EmCe² (Samstag, 03 Dezember 2022 21:57)

    Hallo, immer wieder herzerfrischend, wie Sie Hr. Wiarda, den Finger in die richtige(n) Wunde(n) legen... Vollmundige Versprechen, die in den PK´s und Pressemitteilungen super klingen um sich selbst zu profilieren, die jedoch zu Lasten aller lang und länger auf ihre Verwirklichung warten. Schon kurz nach Bekanntwerden des Vorhabens unkten die Hochschulen schon hinter vorgehaltener Hand, wie lange es denn wohl „dieses Mal“ dauern würde, bis man - wie vor Kurzem erst mit dem 9-Euro-Ticket passiert - wie die Jungfrau zum Kind kommt. Noch ist es noch nicht so weit...
    Aber je länger die Zeit fortschreitet und je mehr man hört/liest, umso höher steigen die Quoten für eine nette, aber bestimmte Ansage aus der jeweiligen Landeshauptstadt, mit der Bitte um zeitnahe Umsetzung. Und dann steht man wieder da, als Letzter in der Reihe - wo andere es bereits über Wochen und Monate versäumt haben, .... Es wäre keine allzu große Überraschung.

    Als erstes hörte man vom Vorhaben selbst, fachkundigen Kolleg*innen war direkt klar, sowas macht man nicht „mal eben“. Wer soll das Geld schon (zentral) ausbezahlen?

    Dann kam als nächstes „der Bund baut ein zentrales Portal“. Zeitgleich hörte man erste Formulierungen von zu prüfenden Voraussetzungen - da kam das nächste Kopfschütteln auf. Studierende an einer Hochschule, ok. Wohnort in Deutschland, ok. Aber wo kam jetzt der Stichtag (zum 1.12.) her? Jedem sollte bereits zu dem Zeitpunkt klargeworden sein, dass es stichtagsbezogene Nachweise einer vorhandenen Einschreibung im Hochschulwesen nicht gibt. Also wie sollte diese sich selbst auferlegte Voraussetzung je seriös zu prüfen sein? Ob ein Studierender sich am 2.10. eine Studienbescheinigung druckt oder am 24.2. – es wird einzig darauf ausgewiesen: „studiert im WiSe 22/23“, nicht mehr und nicht weniger.

    Jetzt scheint es eine Arbeitsgruppe aus Bund und Ländern zu geben, hört man. Wer auch immer darin vertreten sein wird, es werden Politiker sein, größtenteils Ministerialbeamte. Hochschulen, die – so sollte man meinen – sich am ehesten noch mit der Materie auskennen, wird man dort vergebens suchen. Davon abgesehen, eine offizielle Information über „da sind wir auf die Zulieferung von Daten angewiesen“ oder „informieren Sie doch bitte ihre Studierende so…“ oder „so stellen wir uns das vor, halten Sie das für sinnvoll“…hat es (selbstverständlich) nicht gegeben.

    Das nächste, was ich dem beschlossenen Gesetzentwurf entnehmen konnte (https://dserver.bundestag.de/btd/20/045/2004536.pdf) lässt dann eine Reihe von weiteren Fragen aufkommen – nicht nur als versierter Hochschulkollege, sondern auch aus Sicht des einfachen Bürgers, des Studierenden, … - nur eine kleine Auswahl:

    1. Dort ist die Rede davon, dass „Die Energiepreispauschale … als Einmalzahlung von den Stellen ausgezahlt werden, die von den Ländern zur Auszahlung bestimmt werden“. Geht es jetzt komplett durcheinander? Setzen es die Niedersachsen jetzt mit den Hochschulen um, die Bayern durch die Studierendenwerke, die Sachsen durch die ARGE und die Thüringer durch die Finanzämter – es graut einem… Die Formulierungen „Die Landesregierungen werden ermächtigt, die für die Bewilligung … zuständigen Stellen durch Rechtsverordnung zu bestimmen“ lassen es erahnen: bislang weiß niemand etwas und nach zweimal Blinzeln kommt er schon, der böse Brief – man darf gespannt sein.

    2. Aus „jeder Studi erhält sein Geld“ wurde dann recht schnell „jeder Studi muss sich selbst drum kümmern, dass er sein Geld bekommt – und beeilen muss er sich auch noch. Denn es ist eine Antragstellung nötig und eine vorab noch nicht bekannte Frist wird eingezogen: „Nach Ablauf des 30. September 2023 kann ein Anspruch nach § 1 nicht mehr geltend gemacht werden.“ Also wann auch immer das angekündigte Portal mal fertig ist, dann aber schnell…

    3. Der Studierende soll seinen Antrag in „5 Minuten“ gestellt haben – was es aber für einen solchen Antrag brauch, ist nirgends zu finden.

    …und weil es so schön ist, noch ein paar ketzerische Fragen als Zugabe:
    - Sachsen-Anhalt unterstützt, wie konkret, ist offen.
    - was soll das zentrale Portal können vs. was wird es wirklich können?
    - wer entwickelt es und wann wird es produktiv gehen?
    - wie werden die Länder im Bundesportal eingebunden, wie erfolgt die Arbeit mit dem Portal zur Abarbeitung der max. 3 Mio (!) Anträge.
    - müssen Studierende „von alleine“ / aus der Tagespresse etc. davon wissen, dass sie einen Antrag stellen müssen oder werden Sie dazu aufgerufen / aufgefordert?
    - beantragen Studierende die Auszahlung im Land des Wohnortes oder der Hochschule?

  • #4

    EmCe² (Samstag, 03 Dezember 2022 21:59)

    Als Zugabe dann noch meine „Lieblingsfragestellungen“:

    Was sind geeignete Nachweise, die zur Überprüfung des Antrages vorliegen müssen? Wie oben beschrieben haben Studienbescheinigungen keinen „Stichtag 1.12.“. Somit kann in keinem Falle verhindert werden, dass bspw. ein bereits im Oktober exmatrikulierter Studierender dennoch die Auszahlung von 200 Euro zu beantragen. Zur Bewilligung legt der die ihm bereits seit Juli/August vorliegende Studienbescheinigung vor.

    Abgesehen davon: Die Ministerien pochen auf OZG-Umsetzung etc. – man hört „Medienbruchfreiheit“ an jeder Stelle. Und was passiert hier? Studi X muss sich im Selbstbedienbereich seiner HS ein PDF ziehen, was er in diesem Portal dann wieder hochlädt…? Klingt merkwürdig. Wird noch schlimmer…

    Wird es eine reine Online-Beantragung geben – gänzlich ohne Papier, ohne handschriftliche Unterschrift?

    Wie kann hier Missbrauch verhindert werden?

    Und im Finale wird dann nur noch gefragt: Wer macht es denn nun? Wird es eine CallCenter-ähnliche Massenabwicklung, wo extra hierfür angestelltes Personal die Zahlungen abwickelt? Wo sollen die sitzen? Wer akquiriert diese gerade, wenn es ja Anfang 2023 schon Auszahlungen geben soll? Wer testet das Online-Portal, wer schult in der Anwendung, etc.? Meine Befürchtung: auch an diesen Details wird das gegenseitige – oben durch Hr. Wiarda bereits eindrücklich beschriebenes – gegenseitig mit dem Finger aufeinander Zeigen fortgesetzt. Dumm nur, dass davon nicht ein Eintrag gesichtet wurde, nicht ein Betrag ausgezahlt wurde, nicht ein Studierender unterstützt wurde.

    Aber der "Druck" ist anscheinend noch viel zu gering. Schade.

    Hätte besser laufen können.
    Wesentlich besser.