SPD-Chefin Saskia Esken über zurückgestellte Ampel-Vorhaben, von Anfang an beschädigte Bildungschancen, überlastete Eltern und ihre Erwartungen an Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger.
Saskia Esken ist Softwareentwicklerin und war stellvertretende Vorsitzende des Landeselternbeirats Baden-Württemberg. Nach ihrem Einzug in den Bundestag 2013 engagierte sie sich in der Bildungs- und Digitalpolitik. 2019 wurde sie eine von zwei SPD-Bundesvorsitzenden. Foto: Thomas Imo/Photothek.
Frau Esken, bei ihrem Start vor einem Jahr hat sich die rot-grün-gelbe Bundesregierung selbst zur "Chancenkoalition" erklärt und den Bildungsaufbruch versprochen: massive Investitionen in Kitas, Schulen und den Ganztag, einen Digitalpakt 2.0 und ein Startchancen-Programm zugunsten sozial benachteiligter Schüler. Was ist von den Ambitionen noch übrig?
Als wir den Koalitionsvertrag verhandelt haben, wusste niemand, welche Zeit vor uns lag. Der verbrecherische Angriffskrieg Putins hat die Politik vor Herausforderungen gestellt, für die wir nicht planen konnten. Von der militärischen und humanitären Unterstützung der Ukraine über
steigende Energiepreise und gestörte Lieferketten bis hin zu schweren sozialen Verwerfungen. Zwar konnten wir bestimmte Vorhaben des Koalitionsvertrags, etwa die zur Energiewende oder zur Stärkung des Sozialstaats, dadurch beschleunigen, weil sie zur Bewältigung der Krise dringend erforderlich waren. Andere Aspekte, diejenigen mit einer scheinbar geringeren Dringlichkeit in der aktuellen Situation, wurden dafür ein Stückweit zurückgestellt, darunter leider auch manches Bildungsvorhaben, das muss man einräumen.
"Die Bildungschancen dieser Kinder
sind von Anfang an beschädigt."
Mit einer nur scheinbar geringeren Dringlichkeit, sagen Sie?
Ja, denn die tatsächliche Dringlichkeit der Lage unseres Bildungssystems ist so dramatisch, dass ich mir große Sorgen mache. Wir erleben bereits zum dritten Mal, dass der IQB-Bildungstrend deutlich nach unten zeigt. Auch die Pisa-Tests der OECD liefern uns seit über 20 Jahren Belege dafür, dass die Bildungschancen in Deutschland immer weiter auseinanderlaufen und dass sie in höchstem Maße vom Elternhaus abhängen. Wenn ein Viertel aller Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht gut zuhören, lesen, schreiben und rechnen kann, dann ist das ein riesiges Alarmzeichen. Das sind ja nicht nur schlechte Noten in Mathe oder Deutsch. Bildung befähigt Menschen zu einem emanzipierten und selbstbestimmten Leben. Nur mit einer grundständigen Bildung sind Menschen in der Lage, sich immer wieder neue Kompetenzen anzueignen, wenn das Leben es verlangt. Doch die Bildungschancen dieser Kinder sind von Anfang an beschädigt.
Zumal Deutschland schon seit 2012 auch bei Pisa wieder an Boden verliert im Vergleich zur internationalen Leistungsspitze.
Man hat sich in der Vergangenheit zu stark eingelassen auf die Logik von Pisa als Länderranking. Durch den Wettbewerb mögen durchaus kreative Ideen entstanden sein, was man sich für besseren Unterricht von anderen Ländern abgucken kann. Doch darüber haben wir zu wenig darauf geachtet, dass die soziale Ungleichheit in der Bildung immer weiter anwächst – auch weil unsere Gesellschaft sich insgesamt verändert und damit auch die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft. Zudem treffen diese Veränderungen auf einen Mangel an Erzieherinnen und Lehrkräften.
Brauchen wir einen Wumms für die Bildung?
Unbedingt brauchen wir den. Der wäre schon in der Vergangenheit dringend gebraucht worden. Die aktuelle Lage von Umbrüchen und Krisen verschärft diesen Bedarf noch. Eine gute Zukunft kann ohne gute und gerechte Bildung nicht gelingen, erst recht nicht in Zeiten des Umbruchs.
Wie lange taugt dann noch der Hinweis auf den Ukraine-Krieg als Ausrede dafür, dass die Spitzen der Ampelkoalition so wenig Dringlichkeit bei dem Thema zu empfinden scheinen – trotz aller tollen Worte im Koalitionsvertrag?
Ich arbeite jeden Tag daran, die Dringlichkeit von mehr Bildungsgerechtigkeit und Bildungsqualität vor Augen zu führen. Leider ist es so, dass auch dramatsiche Meldungen wie die Veröffentlichung des IQB-Bildungstrends oder des Grundschul-Gutachtens der Ständigen Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz nur zu kurzen Momenten der Aufmerksamkeit führen, bevor neue, aktuellere Themen unsere Mediengesellschaft wieder in Beschlag nehmen.
Das heißt, die meisten Spitzenpolitiker folgen nur dem Medientrend? Ist es nicht so, dass sie vor allem der einfachen politischen Ökonomie folgen, dass Bildungs- oder Familienpolitik sich kaum auszahlt in Form von Wählerstimmen? Schließlich leben in nicht einmal mehr einem Fünftel der Haushalte Kinder unter 18.
Die gute Nachricht ist ja, dass die Zahl der jungen Menschen in Deutschland Prognosen zufolge ja wieder ansteigen wird, durch mehr Geburten, aber auch durch eine verstärkte Einwanderung, die wir als Gesellschaft dringend brauchen – auch wenn unser Bildungssystem damit noch aktiver umgehen muss. Das Hauptproblem ist, dass Menschen, in deren Haushalte Kinder leben, meist aufgrund ihrer Lebenssituation kaum Zeit haben, sich bemerkbar zu machen oder gar sich politisch zu engagieren. Aktuell erleben doch viele Eltern, dass die Kita oder Schule beim Bringen fragt, ob die Kinder nicht zu Hause betreut werden können. Ein System, das schon auf Kante genäht ist, droht mit jeder Krankheitswelle im Chaos zu versinken. Als meine Kinder zur Schule gingen, war das die Schweinegrippe. Viele versuchen dann, aus Rücksicht auf die Erzieher:innen und Lehrkräfte, das irgendwie zu organisieren und den Kindern gerecht zu werden. Da bleibt keine Zeit, um auf die Straße zu gehen und zu protestieren.
"Millionen von Eltern leisten
am Nachmittag und am Wochenende, was
unser Bildungssystem nicht schafft."
Wenn die Eltern einspringen, was bedeutet das?
Eltern springen ja nicht nur im Notfall ein. Millionen von Eltern leisten am Nachmittag und am Wochenende, was unser Bildungssystem nicht schafft. Die einen können das leisten, die anderen nicht. Mit dem Ergebnis, dass sich die Bildungsungerechtigkeit immer weiter selbst reproduziert. Doch eine solche Ungerechtigkeit können wir uns nicht weiter leisten! In der Corona-Zeit war das besonders extrem: Die Schulen waren geschlossen, was, wie wir heute einräumen müssen, ein Fehler war. Da mussten die Eltern dann nicht nur am Nachmittag, sondern auch am Vormittag ausgleichen – wenn sie es konnten. Viele Kinder sind dabei aber auf der Strecke geblieben. Ein Drama.
Das klingt so, als könne keiner etwas für die Misere in der Corona-Zeit. Fakt ist doch, dass Deutschlands Schulen seit vielen Jahren mit einer drastischen Unterfinanzierung kämpfen. Als Martin Schulz 2017 SPD-Kanzlerkandidat war, sagte er, der Bund müsse massiv mehr in Bildung investieren, um skandinavische Verhältnisse zu erreichen. Was schon damals auf mindestens 75 Milliarden Euro an zusätzlichen Bildungsausgaben hinausgelaufen wäre – pro Jahr. Passiert ist seitdem kaum etwas, und jetzt heißt es mit Hinweis auf die Zeitenwende, die Haushalte seien leer.
Wenn bei der richtigen Forderung nach viel mehr Geld für Bildung alle nur auf den Bund schauen, ist das ein bisschen ungerecht. Denn für Bildung sind die Länder zuständig, nicht der Bund. Aber ich sage auch ganz deutlich: Es muss endlich Schluss sein mit dem Verbot der Zusammenarbeit. Für mehr Bildungsgerechtigkeit brauchen wir sogar ein Kooperationsgebot!
Wenn ein Kanzlerkandidat wenige Monate vor einer Bundestagswahl Bildungsausgaben in skandinavischen Größenordnungen fordert, wäre es etwas billig, wenn er damit vor allem oder vorrangig die Länder gemeint hätte, meinen Sie nicht?
Natürlich kann ein Kanzlerkandidat und seine Partei den Plan fassen, gemeinsam mit den Ländern mehr für Bildung zu tun und dafür dem Bund eine deutlich größere Rolle in der Bildungsfinanzierung zu geben. Umsetzen kann er das aber nur gemeinsam, denn dafür müsste man zusammen mit den Ländern das Grundgesetz ändern. Beim Digitalpakt haben wir das gemacht. Wir müssen aber endlich davon wegkommen, dass der Bund immer nur dann übergangsweise einspringt und repariert, was die Länder allein nicht schaffen. Beim Corona-Aufholprogramm, für das wir den Ländern zwei Milliarden Euro bereitgestellt haben, haben wir es schon wieder gemacht.
Das, was wir bräuchten und was Martin Schulz 2017 vorschwebte, war aber eine ganz andere Größenordnung. Bundesprogramme, die eher zehn als zwei Milliarden umfassen.
Absolut. Wir wollen und brauchen etwas Anderes, etwas Längerfristiges als Reparaturprogramme auf Zeit. Genau das erhoffe und erwarte ich mir von dem Startchancen-Programm, das wir im Koalitionsvertrag vereinbart haben und mit dem wir Schulen in schwierigen sozialen Lagen unterstützen und grundsätzlich die Bildungsgerechtigkeit verbessern wollen. Die Frage ist nur, wie wir zurzeit mit zehn Milliarden Euro überhaupt mehr erreichen als mit zwei Milliarden?
Mit zehn Milliarden können Sie deutlich mehr Gebäude sanieren.
Und modern ausgestattete Räume schaffen, in denen Schülerinnen und Schüler sich wohlfühlen und gern lernen, das ist richtig. Aber es geht ja um mehr als schöne Räume, es geht um eine bessere pädagogische Betreuung. Und da stecken wir in dem Dilemma, dass wir mit noch so viel Geld nicht die fehlenden Lehrkräfte und SozialpädagogInnen herbeischaffen können, die wir so dringend benötigen.. Deswegen müssen wir kreativ vorgehen, ohne zu resignieren.
"Das ist mir zu spät. Wir müssen 2023 mit dem Startchancen-Programm beginnen, das ist auch realistisch, wenn wir mit den Grundschulen loslegen."
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sagt mittlerweile, das Startchancen-Programm werde voraussichtlich erst zum Schuljahr 2024/25 anlaufen, und verweist auf die mit den Ländern nötigen Verhandlungen und weitere Vorarbeiten.
Ganz ehrlich: Das ist mir zu spät. Ich bin der Auffassung, wir müssen 2023 mit dem Startchancen-Programm beginnen, das ist auch realistisch, wenn wir zunächst mit den Grundschulen loslegen und später andere Schulformen hinzunehmen. Das wäre beispielsweise kreativ und es würde der besonderen Bedeutung der frühen Bildung und der Grundkompetenzen Rechnung tragen.
Müsste die Ampel nicht auch langsam mal sagen, wieviel Geld sie in die Startchancen investieren will? Das BMBF hüllt sich gegenüber den Ländern in Schweigen – dabei hängt von der Summe ab, was überhaupt verhandelt werden kann.
Im Koalitionsvertrag stehen keine Summen, es sind also auch noch keine vereinbart worden. Deshalb steht die Bundesministerin für Bildung und Forschung in Konkurrenz mit den Vorhaben anderer Ministerien. Der Bundesfinanzminister wiederum besteht darauf, schon im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Grundsätzlich habe ich Verständnis dafür – wir können ja nicht dauerhaft über unsere Verhältnisse leben. Fragwürdig finde ich allerdings, ob man wirklich die Augen fest verschließen und so tun kann, als hätten wir die Krise hinter uns. Immerhin haben wir uns mit dieser Fortschrittskoalition mehr vorgenommen als Krisen zu bewältigen: Es geht um die Gestaltung der Zukunft. Und wenn wir uns anschauen, wie dramatisch es um die Bildungschancen unserer Kinder steht, dann ist klar: die Gestaltung der Zukunft gelingt nur mit der Ausfinanzierung wichtiger bildungspolitischer Projekte wie dem Startchancen-Programm.
Also doch der angesprochene Wumms für die Bildung. Es erscheint, um ihn innerparteilich abzusichern, wollen Sie einen Umweg über eine neue Kommission zur Transformation im Bildungssystem gehen, die der SPD-Parteivorstand gerade eingerichtet hat, unter Einbeziehung zahlreicher Experten aus Forschung und Bildungspolitik.
Vor allem wollen wir betrachten, welche Auswirkungen diese sogenannte Transformation – also der digitale Wandel, die Umgestaltung unserer Industriegesellschaft zur Klimaneutralität oder auch der demografische Wandel – auf unser Bildungssystem hat. Was müssen unsere Kitas und Familien, die Schulen, die Ausbildungsbetriebe und Hochschulen leisten, um möglichst alle Menschen dazu befähigen, an der Gesellschaft der Zukunft teilzuhaben und sie sogar mitzugestalten? Diese Umbrüche finden ohnehin statt, sie warten nicht auf unser Einverständnis. Die Frage ist, ob die Menschen davon überrollt werden oder ob sie sich darauf einstellen und sie mitgestalten können. Bei unserem Bundesparteitag im nächsten Jahr wollen wir ein transformationspolitisches Programm der SPD beschließen, das es uns auch ermöglicht, unsere bildungspolitische Arbeit auf allen Ebenen zu begleiten – und ab und zu auch zu treiben.
Aus allem, was Sie sagen, spricht die immer gleiche Dringlichkeit, die ich doch nur schlecht zusammenbringen kann mit den politischen Realitäten. Etwa auch mit der, dass die SPD bei den Koalitionsverhandlungen auf das Bildungsressort verzichtet hat. Wieso, wenn Ihnen das Thema doch so wichtig ist?
Klar haben wir Interesse an diesem wichtigen Zukunftsressort. Am Ende ist unsere Koalition aber eine Übereinkunft von drei Partnern. Das betrifft die Verteilung der Ministerien genauso wie die Inhalte des Koalitionsvertrages, der von allen drei Parteien gemeinsam entwickelt wurde. Und so, wie unsere SPD-MinisterInnen bei ihren bereits umgesetzten Projekten die Kolleginnen und Kollegen der anderen Parteien mit im Boot hatten, so sind auch die bildungspolitischen Pläne des BMBF Vorhaben der gesamten Koalition. Und, wenn sie kommen, unser gemeinsamer Erfolg. So wird es auch beim Startchancen-Programm sein.
Gilt das mit den gemeinsam verantworteten Vorhaben auch für die Streichung der Sprachkitas durch die grüne Familienministerin Lisa Paus – obwohl der Koalitionsvertrag deren Verstetigung versprochen hatte?
Wir haben es hier mit einem Problem der Diskontinuität zu tun. Wäre es wie ursprünglich geplant beim Auslaufen der Sprachkitas Ende 2022 geblieben, hätte es eine Förderlücke gegeben. Denn das Kitaqualitätsgesetz, das die Sprachförderung in der Kita verstetigen und die Fläche bringen soll, läuft erst später an. Zum Glück haben die Bundestagsfraktionen im Haushaltsausschuss eine Lösung gefunden und das Sprachkita-Programm verlängert. Es bleibt aber ärgerlich, dass die Einrichtungen so lange mit so großer Unsicherheit konfrontiert waren.
"Auf den Anfang kommt es an - das sagt bei uns am Sonntag zwar auch jeder. Am Montag aber fehlt der politische Mut, das umzusetzen."
Das ging mir jetzt zu schnell. Der Koalitionsvertrag versprach beides: das neue Kitaqualitätsgesetz und die Verstetigung der Sprachkitas. Wenn die Länder deren Weiterfinanzierung jetzt aus dem Qualitätsgesetz bezahlen sollen, bedeutet das in der Konsequenz, dass gegenüber den ursprünglichen Plänen gespart wird.
Es kommt doch vor allem darauf an, dass die Sprachförderung in den Kitas verstetigt wird – und zwar in allen Kitas. Wir sehen ja angesichts der Ergebnisse des IQB-Bildungstrends, wie wichtig die Förderung schon der frühkindlichen Sprachentwicklung ist. Aber das ist nun wirklich in erster Linie Aufgabe der Länder und der Kommunen. Wir unterstützen gern an der Stelle, aber einfach immer mehr Kompetenzen Richtung Bund zu schieben, das halte ich auch nicht für zielführend.
Die politische Priorität für Bildung, die Sie in Deutschland anmahnen, ist in den skandinavischen Ländern Realität. Mit dem Ergebnis, dass Schweden oder Dänemark nicht nur viel mehr Geld für Bildungseinrichtungen ausgeben und den Ganztag als durchgängigen Normalfall finanzieren, sondern auch in der Coronakrise weitgehend auf Schulschließungen verzichtet haben. Wie erklärt sich dieser Unterschied?
Zunächst einmal glaube ich: Am mangelnden gesellschaftlichen Interesse liegt es auch bei uns nicht. Auch wenn nur wenige Menschen Kinder im eigenen Haushalt haben, sagen 80 Prozent, Bildung sei ein wahnsinnig wichtiges Thema. Viele sind Lehrkräfte, andere helfen als Onkel und Tanten und Großeltern, wo sie können. Auch sie haben einen eigenen Blick aufs Bildungssystem, auf die Notwendigkeiten und Schwierigkeiten, die es dort gibt. Es fehlt aber der politische Druck, denn das Thema geht in der politischen Debatte oft unter und erst recht in der politischen Berichterstattung. Mir fehlt in der Bildungspolitik aber auch der Mut, den die skandinavischen Länder haben.
Welchen Mut meinen Sie?
Finnland zum Beispiel hat den Fächerunterricht abgeschafft aus der Erkenntnis heraus, dass die Schüler die notwendigen Kompetenzen viel nachhaltiger über die Beschäftigung und Lösung von Problemen erwerben können als über den strikt voneinander getrennten Fachunterricht. Diese Bereitschaft, aus der Box heraus zu denken und die Bildung damit vielleicht auch politisch interessanter zu machen, vermisse ich in Deutschland ein Stückweit – und freue mich deshalb umso mehr auf die Beratungen in unserer Kommission zur Bildung. Auch beim Fokus auf die frühe Bildung sind die skandinavischen Länder mutiger. Sie finanzieren die Bildung da am besten, wo die Grundlagen für Bildungskarrieren gelegt werden – während wir das meiste Geld weiter ins Gymnasium und insbesondere in die Oberstufe stecken. "Auf den Anfang kommt es an" - das sagt bei uns am Sonntag zwar auch jeder. Am Montag aber fehlt der politische Mut, das umzusetzen. Was mir Hoffnung macht, ist die wachsende Zahl von Kindern und Jugendlichen. Die Idee mancher Finanzpolitiker, demnächst könnten wir dank des demografischen Wandels auf Investitionen in Bildung ganz verzichten, darf man wohl getrost als von der Realität eingeholt bezeichnen.
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Anne Sliwka (Freitag, 16 Dezember 2022 20:18)
Es stimmt nicht, dass Finnland den Fachunterricht abgeschafft hat. Er wurde durch das phänomenbasierte Lernen ergänzt, aber nicht abgeschafft.
Working Mum (Donnerstag, 22 Dezember 2022 08:45)
Gesellschaftliches Interesse an Kindern und Jugendlichen sowie deren Bildungschancen müsste sich nicht in wohlfeilen Lippenbekenntnissen zur Wichtigkeit von Bildung ausdrücken, sondern in der konkreten Priorisierung dieser Interessen von Kindern, Jugendlichen und Familien in der politischen Entscheidungsfindung. Und das kann ich leider nicht erkennen. Im Gegenteil. Es macht mich wütend, aber ich bin zu erschöpft, um mich laut und vernehmbar dagegen aufzulehnen. So geht es leider vielen Eltern, an dieser Stelle hat Frau Esken mit ihrer Analyse Recht.