Lange galten sie als hervorragend finanziert. Doch explodierende Energiekosten und hohe Tarifforderungen im öffentlichen Dienst versetzen Helmholtz, Max Planck & Co in Krisenstimmung. Bekommen das besonders die jungen Wissenschaftler zu spüren?
"Haushaltsengpass vermeiden": Das Deutsche GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam.
Foto: Andreas Schwarzkopf, CC BY-SA 3.0.
10,5 PROZENT MEHR GEHALT. Ein Mindesterhöhungsbetrag von 500 Euro pro Arbeitnehmer. Und eine Laufzeit von nur zwölf Monaten. So lautet die Forderung der Gewerkschaften, mit der sie in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen gegangen sind. Für viele Beschäftigte ist sie ein Hoffnungsschimmer inmitten von Inflation und Energierekordpreisen.
Diese Woche startet die erste Verhandlungsrunde mit den Arbeitgeberverbänden, die die 10,5 Prozent bereits als "unrealisierbar" abgelehnt haben. Das ganz normale Spiel in außergewöhnlichen Zeiten?
Wer bei den Chefs der großen außeruniversitären Forschungsinstitute nachfragt, erlebt echte Ratlosigkeit. Wie soll das gehen, fragen sie – wenn doch Bund und Länder unsere Etats pro Jahr nur um drei Prozent anheben? Und sie geben sich selbst die Antwort: Nachdem sie alle kurzfristigen Einsparungen wegen der Energiekostenexplosion schon ausgereizt haben, nur mit Stellenstreichungen und kürzeren Vertragslaufzeiten. Was wiederum nur bei den befristet Beschäftigten geht. Bei den jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern also. Über deren dringend nötige Besserstellung sich doch politisch eigentlich alle einig waren.
Ein Anruf bei Stefan Schwartze, dem Administrativen Vorstand des Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam. Ja, sagt er: "Wir haben Maßnahmen ergriffen, um einen Haushaltsengpass zu vermeiden und trotz der zu erwartenden Tarifsteigerungen für die Zukunft Flexibilität zu behalten, und diese Maßnahmen bewusst offensiv kommuniziert."
Dazu gehöre, dass Arbeitsverträge für aus dem Haushalt finanzierte Postdocs zurzeit grundsätzlich nur bis Ende 2024 verlängert und keine neuen Entfristungsverfahren eingeleitet werden. Zwar garantierten Bund und Länder den außeruniversitären Forschungsorganisationen pro Jahr drei Prozent Aufwuchs über den Pakt für Forschung und Innovation (PFI). "Bei uns Helmholtz-Zentren kommen für die Forschungsprogramme allerdings nur zwei Prozent davon an, der Rest geht in spezifische Projekte."
"Am Ende wird das zu einem
Abbau an Wissenschaft führen"
Schwartzes Kollege vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig, Christian Scherf, spricht ebenfalls von einer "enormen" Herausforderung für Forschungseinrichtungen, die sich ohne eine Kompensation durch den Staat "vor allem im Personalbereich und in den Betriebskosten nicht ohne die Konsolidierung der laufenden Aktivitäten" auffangen lasse.
Martin Stratmann, Präsident der Max-Planck-Gesellschaft (MPG), sagt, die bevorstehenden Tarifabschlüsse seien "Teil der Inflation, die wir derzeit erleben und die uns über die kommenden zwei bis drei Jahre zehn Prozent unseres realen Etats kosten wird. Am Ende wird das zu einem Abbau an Wissenschaft führen." Doch lasse sich die genaue Höhe erst beziffern, wenn "alle Fakten auf dem Tisch sind": Neben der Höhe der Tarifabschlüsse meint er damit die Entwicklung der Energiekosten und der allgemeinen Inflation.
Apropos Energiekosten: Bevor die Politik mit Preisbremsen und Notfallfonds um die Ecke kam, hatte Stratmann im Herbst davor gewarnt, die MPG müsse im schlimmsten Fall die Praxis beenden, jährlich tausend Doktoranden einzustellen, gegebenenfalls auch Institute schließen. Jetzt ist das Energiekostenproblem zwar abgemildert, aber dafür drohen die Tarifabschlüsse. Und wieder könnten die jungen Wissenschaftler die Leidtragenden werden?
Wer in solchen Warnungen allein verhandlungstaktisches Geraune vermutet, unterschätzt den Mut, den sie erfordern. Denn die durch den PFI finanzierten Forschungsinstitute von Helmholtz bis Max Planck gelten in der Wissenschaftsszene als sehr gut finanziert, weil sie seit anderthalb Jahrzehnten jedes Jahr automatisch mehr bekommen. Zurzeit die garantierten drei Prozent eben, was im Fachjargon "Dynamisierung" genannt wird. Und was den PFI-Organisationen etwa beim früheren FDP-Wissenschaftspolitiker Thomas Sattelberger die Bezeichnung "fette Katzen" eingetragen hat, die vor lauter Wohlgenährtheit zu wenig Performance zeigten.
Der Fluch der Drei-
Prozent-Garantie?
Entsprechend zurückhaltend sind die Institute normalerweise mit öffentlichen Klagen – haben doch viele Hochschulen den Luxus regelmäßiger Erhöhungen je nach Bundesland gar nicht oder bestenfalls seit ein paar Jahren. Beim vom Bund und Länder gemeinsam finanzierten Zukunftsvertrag, der zur bundesweiten Hochschulfinanzierung beisteuert, wurde die Drei-Prozent-Dynamisierung gerade erst beschlossen. Nur dass die Garantie von drei Prozent angesichts der aktuellen Inflationsraten plötzlich beginnt auszusehen wie der Fluch der drei Prozent.
Das zur Leibniz-Gemeinschaft gehörende Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) für Sozialforschung bereitet sich ebenfalls auf die nötigen Einsparungen vor. Diese drohten insbesondere auf Kosten der institutsübergreifenden Flagschiffprojekte zu gehen, für die man Geld man aus den Forschungsabteilungen in einen Gemeinschaftsfonds überführt habe. "Aus wissenschaftlicher Sicht ist es sehr bitter, dass wir nun ausgerechnet an diese strategischen Mittel gehen müssen", sagen WZB-Chefinnen Jutta Allmendinger und Ursula Noack. Auch würden Instandhaltungsmaßnahmen für das denkmalgeschützte Gebäude zurückgestellt und derzeit keine zusätzlichen Stellenbesetzungen vorgenommen.
Wäre es nicht viel angenehmer, wenn der Staat wie bis heute an vielen Hochschulen die Gehaltsabschlüsse übernehmen und ansonsten nach haushaltspolitischem Gusto mal mehr und meist weniger drauflegen würde?
Das dann bitte doch nicht, sagt Bettina Böhm, die Generalsekretärin der Leibniz-Gemeinschaft mit ihren insgesamt 97 Instituten. "Der große Wert des PFI besteht in seiner Planbarkeit und der Gewährung einer verlässlichen finanziellen Grundlage." Er sollte aber nicht so verstanden werden, dass er zusätzliche Finanzierungen per se ausschlösse. Wobei die Leibniz-Institute noch etwas mehr Zeit haben, denn die meisten zahlen ihre Gehälter nach dem Tarifvertrag der Länder, und der wird erst ab Herbst verhandelt. Vielleicht, so hofft Böhm, sei die Inflation bis dahin ja schon wieder niedriger – und der Druck auf die Verhandlungen habe etwas nachgelassen.
BMBF: "Eine Erhöhung des Aufwuchses
steht nicht auf der Agenda"
Derweil erwarten Tarifexperten, dass es am Ende auf gut fünf Prozent Gehaltserhöhung plus eine massive Einmalzahlung hinauslaufen könnte. Wie wäre es, wenn Bund und Länder dann einmalig etwas zum PFI zuschießen würden? So fordern die WZB-Chefinnen Allmendinger und Noack, die Politik müsse "für einen Ausgleich sorgen, so dass Deutschland insbesondere im wissenschaftlichen Bereich seine Innovations- und Leistungsstärke halten kann".
Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger lässt ausrichten, sie "nehme die Sorgen der Forschungseinrichtungen sehr ernst". Ihre Sprecherin sagt, das BMBF werde die Tarifverhandlungen eng begleiten, "zum jetzigen Zeitpunkt aber keine Bewertung abgeben". Eines schließt sie jedoch aus: "Eine Erhöhung des PFI-Aufwuchses steht nicht auf der Agenda, weder beim Bund noch bei den Ländern."
Und was ist, wenn die jungen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dann besonders unter Druck geraten? Deren Belange, sagt die Ministeriumssprecherin, seien "eine Priorität des BMBF". Deshalb bereite man unter anderem eine Reform des Wissenschaftzeitvertragsgesetzes vor.
Nur, dass dieses mit der Wissenschaftsfinanzierung rein gar nichts zu tun hat.
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Noch 'ne Hanna (Montag, 23 Januar 2023 11:30)
"Nur, dass dieses mit der Wissenschaftsfinanzierung rein gar nichts zu tun hat."
Hier muss ich widersprechen: Im Moment ist das Sonderbefristungsrecht eine riesige, sperrangelweit geöffnete Tür, durch die die Leitungen nur deshalb durchgehen, weil's so einfach ist. Mittlerweile wird die Nutzung des Sonderbefristungsrecht aus Haushaltsgründen zwar kritischer betrachtet als vor #IcchBinHanna, aber spürbare Konsequenzen gibt es immer noch nicht. Das verleitet die Leitungen dazu, diesen Weg zu gehen, statt Alternativen zu prüfen. Knappheit ist nunmal Grundtatbestand, daran kann man nichts ändern. Mehr Geld für die Forschung müsste bei anderen Aufgaben abgezogen werden, was zu demokratischen Verwerfungen führen kann: Ich persönlich finde z.B. auch ohne eigene Kinder zur Zeit KiTas und Schulen, also "Startchancen" und digitale Bildung, wichtiger als "Spitzenforschung". Der Bund kann nicht viel machen - außer natürlich, die Tür zum Missbrauch des Sonderbefristungsrecht schließen, so dass die AuFs sich Gedanken über alternative Wege zur Kostensenkung machen müssen. Denn die hohen Tarifabschlüsse werden von den Leitungen ja nur beklagt, so lange es um die Angestellten geht - die spätere Übertragung auf die Beamt*innen scheint dagegen kein Problem zu sein. Dabei wäre es ein leichtes, die W-Vergütung auszunehmen: Man müsste nur die jeweiligen Gesetzgeber drum bitten.
Ursula Droper (Montag, 23 Januar 2023 14:08)
In Deutschland werden durch redundante F&E u.a. Zentren, z.B. Batterie oder grüner Wasserstoff usw. Unsummen an Steuergeldern jedes Jahr doppelt und dreifach ausgegeben - streng genommen verplempert. Denn Deutschland rutscht im Innovationsranking International immer weiter zurück, ja wird gar als Wirtschaftsstandort immer unattraktiver. Hochschulen, aber auch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen (bspw. Fraunhofer) machen in den Bundesländer teilweise genau dasselbe. Wie lange kann so etwas noch gut gehen? Deutschland braucht endlich Reformen und Neuausrichtungen seiner Forschungslandschaft, wollen wir nicht nach ganz hinten durchgereicht werden.
Ralf Meyer (Mittwoch, 25 Januar 2023 17:14)
Ich sehe nicht, dass Einschränkungen der Befristungsmöglichkeiten den Mitarbeiter*innen in den Forschungseinrichtungen helfen würden, so wie das ein früherer Kommentar nahelegt. Die Personalkosten sind in der Regel der größte Ausgabenposten. Wenn dort die Kosten steigen, lässt sich das durch Sparen bei Sachmitteln kaum ausgleichen. Wenn also gespart werden muss, so werden je nach Größe des Problems viele oder all frei werdenden Stellen nicht mehr neu besetzt („Stellensperre“). Zur Zeit geht es noch um Risikovorsorge, das heißt, es ist unklar, ob überhaupt und in welcher Höhe die Ausgaben gesenkt werden müssen. In dieser Situation nutzen die Forschungseinrichtungen die Möglichkeit, Stellen befristet zu besetzen, statt sie nicht zu besetzen. Wenn eine befristete Einstellung nicht mehr möglich wäre, so würden sie in dieser Situation wohl die Besetzung von Stellen verschieben, also jetzt nicht ausschreiben. Ist keine Stelle wirklich besser als eine befristete Stelle?
Düsentrieb (Donnerstag, 26 Januar 2023 15:25)
@Droper Sie haben Recht, daß in D Milliardenbeträge verschwendet werden für "Innovationsförderung" ohne Impact. Aber es bringt leider überhaupt nichts, diese Defizite offen zu legen: Die Verhältnisse in D sind so zementiert, daß sich nichts ändert, ganz egal wie offen die Probleme thematisiert werden.
Noch 'ne Hanna (Donnerstag, 26 Januar 2023 20:38)
@Ralf Meyer: Bei der Einschränkung der Befristungsmöglichkeiten geht es nicht darum, den Forschungsorganisationen zu "helfen", sondern darum Rechtsmissbrauch zu unterbinden: Das Sonderbefristungsrecht wurde nicht geschaffen, um den wissenschaftlichen Einrichtungen mehr Flexibilität zu ermöglichen, aber es wird so genutzt, was u.a. betriebswirtschaftlich problematischem Entscheidungsverhalten führt. Das Sonderbefristungsrecht schafft ein Moral Hazard, welches z.B. dazu führt, dass Risikomanagement im Hinblick auf Energiekosten vernachlässigt wird, indem bei der Planung wissenschaftlicher Infrastruktur die Möglichkeit plötzlicher Energiepreisschocks nicht korrekt "eingepreist" wird: Bei Berücksichtigung des Risikos müsste von Projekten wie FAIR abgesehen werden. Dass Sie selbstverständlich davon ausgehen, dass das Sonderbefristungsrecht allein den Forschungseinrichtungen dienen und ihnen diese weitergehende Flexibilität ermöglichen soll, spricht Bände und bestätigt meine Aussage, dass der damit verbundene Rechtsmissbrauch dringend unterbunden werden muss, um nicht weiter die ineffiziente Allokation knapper Ressourcen zu befördern.