Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der KMK präsentiert heute ihre Vorschläge im Kampf gegen den akuten Lehrermangel. Ein Podcast mit den Kommissionsvorsitzenden Felicitas Thiel und Olaf Köller über die Gestaltungsmöglichkeiten der Bildungspolitik, wissenschaftliche Argumente – und den Widerstand der Lehrerverbände.
WER AUF schnelle Abhilfe hofft, wird enttäuscht: Deutschlands Schulen würden noch die nächsten zwölf bis 15 Jahre "im demographischen Loch" bleiben, sagt Olaf Köller. Mit Massen an Lehrkräften, die jedes Jahr in Pension gehen, und viel zu kleinen Studienanfänger-Kohorten, um sie zu ersetzen. Erst danach, sagt der wissenschaftlicher Direktor des IPN Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik, würden die Altersjahrgänge langsam wieder etwas größer. Was bedeutet: Es dürfte noch rund zwei Jahrzehnte dauern, bis ein Ende des bundesweiten Lehrermangels in Sicht ist.
Das wissen auch die Kultusminister – und haben deshalb gleich zwei Expertisen bei der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der Kultusministerkonferenz in Auftrag gegeben: ein Gutachten zu den langfristigen Perspektiven und Struktur der Lehrerbildung, das Anfang 2024 kommen soll. Und, eben weil sich mit langfristigen Perspektiven kein kurzfristiges Krisenmanagement betreiben lässt, bereits jetzt möglichst handfeste Ratschläge, wie sich die Unterrichtsversorgung in Zeiten des Mangels sichern lässt.
Köller und die Schulpädagogin Felicitas Thiel von der Freien Universität (FU) Berlin stehen der SWK vor. Im Fragensteller-Podcast diskutieren sie mit Jan-Martin Wiarda die zentralen Kommissions-Empfehlungen "zum Umgang mit dem akuten Lehrkräftemangel", die die SWK diesen Freitag offiziell veröffentlichte. Von "zeitlich befristeten Notmaßnahmen" spricht die Kommission – von denen einige, sagt Thiel, "nicht auf sehr viel Gegenliebe stoßen" dürften. Was – nach den ersten Reaktionen zu urteilen – noch euphemistisch formuliert ist.
Unter anderem empfiehlt die SWK, die Klassengrößen zu prüfen. "Schon in einer maßvollen Erhöhung der Klassenfrequenzen liegt ein erhebliches Potenzial", heißt es in dem Papier. Weitere Vorschläge der Kommission: eine Begrenzung der Möglichkeiten zur Teilzeit und die Überprüfung bestehender Sabbathmodelle. "Wir müssen uns überlegen: Wo gibt es Reserven im System?", sagt Thiel im Podcast und fügt hinzu: "Wir können nicht alles durch Quer-und Seiteneinsteiger abdecken." Der europäische Vergleich, sagt Thiel, biete "eine argumentative Handhabe, um in den Diskurs mit den Lehrerverbänden einzusteigen". Diese, ergänzt Köller, müssten sich bei Widerspruch in der jetzigen Mangellage fragen lassen: "Was ist die Alternative?"
Außerdem erläutern die Bildungswissenschaftler, was die Kommission von Hybridunterricht hält, was passieren muss, damit die Quereinsteiger besser auf ihren Einsatz vorbereitet werden; wie der vorbeugende Gesundheitsschutz für Lehrkräfte verbessert werden kann – und warum Mehrarbeit nicht automatisch zu einer schlechteren Lehrergesundheit führen muss.
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Bernd Käpplinger (Donnerstag, 09 Februar 2023 17:22)
Vielen Dank für den Podcast. Schade, wie handzahm die beiden Gesprächspartner mit den Arbeitgebern in den Kultusministerium umgehen, aber Beratende wollen Folgeaufträge... Rechte zur Teilzeitarbeit sollen tendenziell beschnitten werden, aber was haben die Ministerien ggf. falsch gemacht haben, wovon man für die Zukunft lernen könnte? Nur etwas Weichgespültes zwischen den Zeilen. Aber so viel Kritik dann bitte nicht, sondern wie Geier Sturzflug 1983 sang: nun wird in die Hände gespuckt, die Kranken packen eine Schippe drauf und Opa wieder reaktiviert. Die Satire von gestern ist die Realität von heute und morgen...