Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbandes. Foto: DPhV.
1. Was ist für Sie das größte Problem in unserem Bildungssystem?
Dass auf absehbare Herausforderungen reflexhaft und mit Vereinheitlichung reagiert wird. Konkretes Beispiel: Auf den "Schweinezyklus" von Lehrermangel und Lehrerüberschuss wird mit "polyvalenter" und vereinheitlichter, schulartunabhängiger Lehrerausbildung reagiert. Ich prophezeie und spitze zu: Wenn keiner mehr weiß, auf welchen Beruf er sich gerade einlässt, und keiner mehr weiß, an welcher Schulart er landen wird, wird auch keiner mehr Lehrer.
2. Hat der Bildungsföderalismus in Deutschland langfristig eine Zukunft?
Ja, wenn die Politik den Bildungsföderalismus als Instrument nutzt, die Menschen auf individuellen Wegen entsprechend der jeweiligen Bedarfe einer Region, eines Bundeslandes zu gemeinsamen, bundeseinheitlich anerkannten Bildungszielen und -abschlüssen zu bringen – eben nicht im Sinne eines Wettbewerbs um die besten Ziele, sondern im Sinne eines Wettbewerbs um die jeweils besten Wege, subsidiär im Sinne des Grundgesetz-Artikel 30.
3. Welche konkreten Erwartungen haben Sie in diesem Zusammenhang an den Bildungsgipfel?
Aus der Gipfelperspektive sieht häufig vieles ähnlich, nahezu identisch aus. Im Bildungsföderalismus brauchen wir für neue Gipfelvereinbarungen notwendig auch die speziellen "Basis"-Perspektiven der Länderbildungsminister und -ministerinnen dazu. Das muss langfristig vorbereitet sein, um sie auf dem Bildungsgipfel gegebenenfalls modifiziert beschließen zu beschließen. Das sehe ich nicht, gehe deshalb ohne konkrete Erwartungen an diesen "Gipfel", lasse mich aber gerne positiv überraschen.