Chef des Verbands aller Hochschulen, der Hochschulrektorenkonferenz: Das könnte eine Position mit viel Einfluss auf das höchste Gut Deutschlands sein, die Bildung. Könnte.
Kopf-an-Kopf-Rennen? Oliver Günther (links) will HRK-Präsident werden. Walter Rosenthal auch. Das Ergebnis könnte knapp ausfallen. Fotos: Ernst Kaczynski /Uni-P-EK, CC BY-SA 4.0; Jürgen Scheere/FSU, CC0.
AM 9. MAI WIRD GEWÄHLT. Dann entscheidet sich, wer die nächsten drei Jahre als Präsident die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) führen wird. Falls man bei diesem Interessenverband von bundesweit 269 Hochschulen aller Arten und Größen überhaupt von Führung sprechen kann.
Die "Stimme der Hochschulen" lautet der Claim der HRK, doch ist dieses Bild gleich doppelt schief. Erstens sind nur die Hochschulleitungen wahlberechtigt und die HRK entsprechend nur die Stimme der Hochschulleitungen. Zweitens hat sich innerhalb der HRK eine Handvoll schlagkräftiger Hochschul-Clubs etabliert, die mit dem Dachverband um die Aufmerksamkeit der Wissenschaftspolitik konkurrieren.
Karriere-Höhepunkt oder -Endstation?
Kein Wunder, dass die HRK-Präsidentschaft als ehrenvolle, aber fast immer Endstation in der Karriere von Wissenschaftsmanagern gilt. Viele einflussreiche Hochschulrektoren und Hochschulrektorinnen haben sich gedrückt, als es galt, die Nachfolge für Peter-André Alt vorzubereiten, der vier Monate vor Ende seiner Amtszeit zu einer Stiftung gewechselt ist.
So stehen in zwei Wochen in Trier nur zwei Bewerber zur Auswahl, wobei auch das mit der "Auswahl" auf den ersten Blick relativ zu sein scheint. Zwei in Westdeutschland sozialisierte Männer, beide über 60, beide stehen seit Jahren an der Spitze einer mittelgroßen ostdeutschen Universität.
Oliver Günther, Jahrgang 1961, ist Wirtschaftsinformatiker und führt seit 2012 die Universität Potsdam. Und das sehr erfolgreich: Für ihre Größe wirbt die Hochschule vergleichsweise viel Fördergeld für Forschungsprojekte ein, bei der erfolgreichen Unterstützung von Startup-Gründungen lag Potsdam 2020 hinter TU und HAW München auf Platz drei in Deutschland. Und beim sogenannten Humboldt-Ranking schaffte die Hochschule Platz 9 von 82, das heißt: Nur acht Universitäten konnten innerhalb von fünf Jahren mehr internationale Spitzenwissenschaftler mit einem Stipendium der Alexander-von-Humboldt-Stiftung nach Deutschland holen.
Walter Rosenthal, Jahrgang 1954, ist Arzt und Pharmakologe und seit 2014 Präsident der Friedrich-Schiller-Universität Jena. So gut, dass die ZEIT und das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ihn 2022 zum "Hochschulmanager des Jahres" gekürt haben. Rosenthal habe die Universität Jena auf die Landkarte gesetzt, würdigte ihn die Jury. Er habe die Universität baulich entwickelt, strategisch neu ausgerichtet, Nachhaltigkeit zur Chefsache gemacht und bei aller Durchsetzungsfähigkeit stets Wert daraufgelegt, alle Hochschulmitglieder angemessen einzubinden. Einer von vielen sichtbaren Erfolgen: Jena ist neben Dresden die einzige ostdeutsche Hochschule außerhalb Berlins, die einen Cluster in der Exzellenstrategie erringen konnte.
Doch inwiefern können die beiden die HRK zu strategischer Stärke und Einheit verhelfen? Das fragen sich gerade auch die Chefs der Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), die stets fürchten, mit ihren Interessen von den Universitäten und ihren mächtigen Verbünden German U15 oder TU9 untergebuttert zu werden. Wer von beiden ist in der Lage, rhetorisch an Peter-André Alt anzuknüpfen, der das Talent hatte, seinen geringen Machtspielraum mit herausragenden Reden und pointierten Zeitungsinterviews und Gastbeiträgen zu überdecken?
Qual der Wahl
Natürlich interessieren sich gerade auch die nicht wahlberechtigten Hochschulmitglieder überall im Land für die Personalie: Können die beiden Kandidaten wirklich die Vielfalt verkörpern und fördern, die Deutschlands Hochschulen heute ausmachen? Und was verstehen die beiden unter modernen Karrierestrukturen in einem System, dass durch hohe Befristungsquoten und wenig Aufstiegsmöglichkeiten geprägt ist?
In ihrer einzigen öffentlichen Wahldebatte äußerten sich Günther und Rosenthal zu fast allen Themen ähnlich, teilweise identisch. Sie wollen die HRK nach innen und außen stärken, sie wollen alle Hochschularten zur Geltung bringen, sie wollen Personalreformen, aber zugleich Postdocs nicht zu früh entfristen. Und natürlich wollen sie beide Druck auf die Wissenschaftspolitik von Bund und Ländern machen.
Wer wird es am Ende werden? Öffentlich will sich keine befragte Hochschulleitung auf einen Kandidaten festlegen. Rosenthal, der lange außeruniversitäre Forschungsinstitute leitete, gilt als bevorzugter Kandidat der einflussreichen großen Forschungsuniversitäten. Günther ist dafür politisch extrem gut vernetzt und beliebter bei den – zahlenmäßig vielen – Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Bei den mittelgroßen Unis könnten dagegen beide gleichermaßen punkten. Insgesamt könnte Günther davon profitieren, dass er auf den ersten Blick dynamischer rüberkommt als der zurückhaltende und gelegentlich bedächtig wirkende Rosenthal. Was für einige aber auch genau der Grund sein könnte, letzteren zu wählen.
Dieser Artikel erschien zuerst im Tagesspiegel.
Warum wollen Sie HRK-Präsident werden?
Die Hochschulrektorenkonferenz braucht einen neuen Chef, und das inmitten unruhiger Zeiten. Oliver Günther und Walter Rosenthal wollen es beide werden. Bei "Wiarda wundert sich" treffen sie sich zur Wahldebatte.
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