Die Wissenschaftsminister der Länder fordern von der BMBF-Chefin ein Treffen. Ob Zentren für Gesundheitsforschung, HAW-Forschung oder Qualitätsoffensive Lehrerbildung: Der Gesprächsbedarf sei dringend.
Breites Spektrum: Aus Sicht der Länder haben sich mit dem BMBF (im Bild dessen Berliner Dienstsitz) viele offene Themen angesammelt. Foto: Ansgar Koreng, CC BY 3.0.
OB EXZELLENZSTRATEGIE, Deutsche Zentren für Gesundheitsforschung, HAW-Forschungsförderung oder die Zukunft der Qualitätsoffensive Lehrerbildung: Streitpunkte gibt es viele zurzeit in der Wissenschaftspolitik zwischen Bund und Ländern. So viele, dass unter Landeswissenschaftsministern aller Parteilager ein dringlicher Wunsch entstand: ein Treffen mit Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) außer der Reihe.
Am 30. Juni, lautete der Vorschlag an die Adresse der BMBF-Chefin, könne er stattfinden. An dem Tag, an dem sich laut Plan die Wissenschaftsstaatssekretäre von Bund und Ländern treffen sollten, in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz. Warum also nicht stattdessen eine Sommer-GWK auf Ministerebene? Man könne dafür auch nach Berlin oder Umgebung kommen, versicherten die Minister ihrer Bundeskollegin.
Doch Stark-Watzinger lehnte ab. Sie habe am 30. Juni einen anderen Termin. Was an sich schon Frust in den Ländern auslöste. Der dann aber noch gesteigert wurde, als durchsickerte, dass es sich bei dem Termin Stark-Watzingers um eine alltägliche Kuratoriumssitzung handelte, wie es sie viele gibt im Alltag von Spitzenpolitikern. In diesem Fall der Volkswagen-Stiftung. Nichts gegen deren Bedeutung für die Wissenschaftsförderung, kommentieren mehrere Landeswissenschaftsminister auf Anfrage, aber in der GWK gehe es um dringende wissenschaftspolitische Fragen von nationaler Bedeutung.
Eine Begebenheit, die Symbolcharakter hat für die derzeitigen Beziehungen zwischen Bund und Ländern in der Wissenschafts-, aber auch in der Bildungspolitik. Dabei spielt gar keine Rolle, ob Bettina Stark-Watzinger nun einen guten Grund hat für ihre Absage oder nicht. Wichtiger ist, dass es so weit gekommen ist, dass viele ihrer Länderkollegen offenbar der Meinung sind, sie suche nach Ausreden, um sich nicht mit ihnen treffen zu müssen. Dass dieselben Länderkollegen sich mit ihrem Ärger dann aber doch nicht öffentlich äußern wollen, weil es ja nichts nütze, man müsse irgendwie zusammenarbeiten und zu einem Ergebnis kommen.
Einer, der sich zitieren lässt, ist Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU), seit Anfang des Jahres Vorsitzender der GWK. Seine Stellvertreterin: Bettina Stark-Watzinger. Er sagt: "Frau Stark-Watzinger kann sich nicht auf Dauer wegducken. Es ist wirklich höchste Zeit, dass wir auf Ministerebene zusammenkommen und über die wichtigen anstehenden Fragen beraten. Wenn schon der GWK-Termin am 30. Juni nicht klappt, dann hoffen wir jetzt umso mehr auf den 23. Juni."
Neuer Termin,
neues Spiel?
An dem Tag treffen sich die Landeswissenschaftsminister turnusgemäß in der Kultusministerkonferenz (KMK), und dazu, sagt Blume, habe man nun auch die Bundesforschungsministerin eingeladen. Neuer Termin, neues Spiel?
Ob Stark-Watzinger am 23. Juni kommt, sei noch offen, heißt es auf Anfrage aus dem BMBF.
Wenn denn nur das Finden gemeinsamer Sitzungstermine das Problem wäre. Etliche Landesminister, ist zu hören, hätten nicht einmal Stark-Watzingers Handynummer erhalten bis heute. Und während sie sich mit früheren BMBF-Chefinnen außer der Reihe auch mal auf einen Kaffee getroffen hätten, sei das heute für die meisten ein fast undenkbares Szenario. Es fehle insgesamt an den informellen Kommunikationswegen, um immer vorkommende Missverständnisse und persönliche Misstöne aus dem Weg zu räumen.
Statt auf einem Bildungsgipfel befinde man sich in einem Tal, was die vertrauensvolle Zusammenarbeit betreffe, hatte Blume bereits im März der Nachrichtenagentur dpa gesagt. "Bundesankündigungsministerin" sei Stark-Watzinger geworden. "Weniger Ankündigungen, weniger Ermahnungen, mehr Miteinander – das wäre das Gebot der Stunde." Und Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Prien sagte neulich, als Stark-Watzingers Ministerium ihren Vorschlag zum Startchancen-Programm vorlegte: "Es wird wieder einmal klar: Der Bund hat keine Fachkompetenz in Sachen Bildung, sonst käme nicht so ein vermurkster Vorschlag heraus."
Mit Druck auf Stark-Watzinger
zu mehr Bundesgeldern?
Stark-Watzinger hat es mit ihrem FDP-Parteibuch allerdings auch schwer unter den Bildungs- und Wissenschaftsministern, die allesamt Union, SPD, Grünen oder Linken angehören. Sie sei "eine Königin ohne Land", sagen viele in GWK und KMK. Landesminister der anderen beiden Ampel-Parteien rufen ihre Kollegen zwar hier und da einmal zur Räson, wenn die öffentliche Kritik an Stark-Watzinger allzu heftig wird. Teilen die Analyse ansonsten aber. Und öffentliche Unterstützung für die Bundesministerin gibt es auch von ihnen kaum.
Im BMBF herrscht indes der Eindruck, es gehe einigen Ländern weniger um inhaltliche Diskussionen als darum, Wahlkampf zu machen und gemeinsam möglichst viel Druck auf Stark-Watzinger zu erzeugen, damit der Bund noch mehr Geld gibt.
Wobei Stark-Watzinger ein Argumentationsproblem hat: Der Ampel-Koalitionsvertrag hatte, ohne konkrete Summen zu nennen, tatsächlich erheblich mehr Bundesgelder für Bildung und Forschung versprochen. Und dass es wirklich viel zu klären gibt zwischen Bund und Ländern zurzeit, liegt auf der Hand. In der Bildungspolitik, siehe Startchancen, ohnehin. Dort scheint es hinter den Kulissen bereits Bewegung zu geben. Und was ist mit der Wissenschaft?
Worüber gestritten wird: die wichtigsten wissenschaftspolitischen Bund-Länder-Baustellen
o Die Landeswissenschaftsminister wollen von Stark-Watzinger aus erster Hand ihre Pläne zu den aktuellen Gesetzgebungsvorhaben des Bundes erläutert bekommen. Stichworte seien hier die Reform des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes oder das geplante Forschungsdatengesetz, sagt Markus Blume. Beide sind Bundeskompetenz, haben aber starke Auswirkungen auf die Praxis von Wissenschaft und Hochschulen in den Ländern. Und zu beidem, sagt Blume, habe es bislang "keinerlei Austausch gegeben".
o Der Bund will offenbar die Förderung der Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung stärker zentralisieren in Form einer Trägerstruktur. Aber was genau würde das für ihre Governance und den Einfluss der Länder bedeuten? Viele Minister fordern Aufklärung von Stark-Watzinger – und zwar vor dem nächsten GWK-Ministertreffen im Herbst. Zumal das BMBF bei der Zentren-Finanzierung den Anteil der Länder von zehn auf 50 Prozent erhöhen will, was naturgemäß auf deren erbitterten Widerstand stößt.
o Ende 2023 läuft die aktuelle Bund-Länder-Vereinbarung zur Forschung an HAW aus, und dann? Bislang hat der Bund die Förderung allein bezahlt, vertraglich zugesichert mit mindestens 60 Millionen Euro pro Jahr. Jetzt beharrt das BMBF – wie schon vor der letzten Verlängerung der Vereinbarung 2018 – auf einer Kofinanzierung durch die Länder. Die fragen sich aber auch ganz grundsätzlich, wie die Förderung weiterlaufen soll, wenn die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) irgendwann gegründet ist – in deren Haushaltstitel die HAW-Forschungsförderung gepackt wurde.
o Ebenfalls zu Ende geht die "Qualitätsoffensive Lehrerbildung", in die der Bund seit 2015 eine halbe Milliarde Euro gesteckt hat. Die Länder forderten schriftlich die Fortsetzung, Stark-Watzinger konterte zur Aufregung ihrer Länderkollegen, das Programm komme "vereinbarungsgemäß zum Abschluss". Ihr Haus prüfe aber, fügte die BMBF-Chefin immerhin hinzu, welche anderen "Möglichkeiten für ein zusätzliches Engagement des Bundes bestehen".
o Gesprächsbedarf gibt es auch in Sachen Exzellenzstrategie. In Paragraph 4 der von 2016 stammenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern steht nämlich, in der zweiten Förderrunde 2027 würden "bei Erfolg im wettbewerblichen Verfahren vier neue Förderfälle aufgenommen". Also maximal vier, betont der Bund. So sei es damals ausgemacht worden. Was aber, kontern die Länder, wenn eine oder mehrere der aktuellen Exzellenzuniversitäten bei der vorgesehenen Evaluation aus der Förderung kippen? Dann müsse in Sachen neue Förderfälle doch die Formel "4+x" gelten. Das ergebe sich übrigens auch aus der Verwaltungsvereinbarung, genauer aus Paragraph 6, demzufolge bei Ausscheiden einer Exzellenzuniversität aus der Förderung die Mittel neu für Neuanträge neu ausgeschrieben werden sollen. Was wie ein Streit ums Kleingedruckte scheint, ist gerade den Ländern, die bislang wenige oder gar keine Exzellenzunis haben, extrem wichtig.
Zumindest bei der ExStra-Frage ist man sich jetzt immerhin über das weitere Vorgehen einig. Die Staatssekretäre sollen ein gemeinsames Textverständnis herstellen – und eine Vorlage für die GWK-Ministerrunde im November schaffen. Bei vielen Themen aber, sagt der GWK-Vorsitzende Blume, bleibe der aktuelle Kommunikationsbedarf der Länder "dringend. Frau Stark-Watzinger muss sich jetzt als Ministerin zeigen."
Kommentar schreiben
tutnichtszursache (Donnerstag, 25 Mai 2023 09:10)
Im März, noch gar nicht so lange her, haben die Länderminister Stark-Watzinger bei deren Einladung zu einem Bildungsgipfel auflaufen lassen.
Dass sie jetzt ebenfalls keine Lust hat, zu hüpfen, wenn nun die Länderminister geruhen, sie herbeizitieren zu wollen, kann man zumindest menschlich verstehen.
Exzellenzmüde (Freitag, 26 Mai 2023 17:02)
Da wird bei der Auswahl der Exzellenzcluster politikseitig schon drauf geachtet werden, dass die Exzellenzuniversitäten die zwei Cluster behalten, die sie für ihren Status als Exzellenzuniversität brauchen. Das war ja schon in der letzten Runde so - da förderte man einfach mal 57 statt 45 Cluster, damit die Universitäten, die man als Exzellenzuniversitäten sehen wollte, mit mindestens zwei Clustern noch antragsberechtigt waren...das wird diesmal nicht anders sein.
Hanna (Freitag, 26 Mai 2023 20:56)
Wenn man schon 57 Exzellenzcluster hat, dann kann man auch gleich jeder Uni einen geben. Wo ist da noch die Exzellenz? Dieses Zwei-Klassen-System gehört zugunsten einer höheren Grundförderung abgeschafft.
na ja (Montag, 29 Mai 2023 17:31)
die nächste Runde Exzellenzsozialismus?