Dass auch das Ministerium von Bettina Stark-Watzinger einen Beitrag zum Sparpaket wird leisten müssen, gilt in der Ampel als wahrscheinlich. Aber was heißt das praktisch? Eine Analyse.
NACHDEM BUNDESFINANZMINISTER Christian Lindner (FDP) vorgegangene Woche laut Handelsblatt seine Spar-Briefe an alle Ressorts verschickt hatte, sah es zunächst so aus, als könnte das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als eines der wenigen Häuser nahezu ungeschoren davonkommen. Es gebe keine Sparliste und es seien auch "keine sogenannten roten Briefe" verschickt worden, sagte die Sprecherin des Finanzministeriums, Nadine Kalwey, vor der Bundespressekonferenz. Die 2024er Budgetrahmen ("Plafonds") für die einzelnen Ministerien orientierten sich an der bisherigen Finanzplanung und an "den politischen Prioritäten der Koalition, die Ihnen ja auch bekannt sind. Besonders wichtig dabei sind Investitionen in Energiesicherheit, Bildung, Klimaschutz und Digitalisierung."
Dann jedoch verbreitete der SPIEGEL am Wochenende per Vorabmeldung, dass sich an dem von Lindner angestoßenen Sparpaket in Höhe von insgesamt 3,7 Milliarden Euro alle Ministerien bis auf das für Verteidigung beteiligen müssten – und das BMBF müsse mit einem Minus von 533 Millionen Euro gar den zweithöchsten Beitrag erbringen.
Aber in Vergleich zu was sollte dieses BMBF-Minus eigentlich sein? Zur bisherigen Planung für 2024? Oder zum 2023er Haushalt, der vor allem durch die 700-Millionen Euro schwere Energiepauschale für Studierende und Fachschüler auf Rekordniveau aufgebläht war?
Tatsächlich herrscht selbst unter den Haushältern der Regierungsfraktionen gerade maximale Verwirrung über die Pläne im Bundesfinanzministerium, es kursieren offenbar sogar mehrere Zahlensätze, von denen die Version des SPIEGEL nur eine ist. Absichtlich geworfene Nebelkerzen aus dem BMF, weil Lindners Entwurf anders als zunächst kolpotiert eben doch noch keine Rückendeckung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat? Lediglich das Vorgehen bis zur Haushaltsaufstellung sei bislang abgestimmt, betonte die stellvertretende Regierungssprecherin Christiane Hoffmann.
Die Extra-Bildungsmilliarde
soll trotzdem kommen
Doch egal, welche der kursierenden Versionen des BMBF-Haushalts man nimmt: Sie alle sehen vor, dass Linders FDP-Ministerkollegin Bettina Stark-Watzinger 2024 mit weniger Geld als 2023 wird auskommen müssen. Allerdings wäre allein das noch keine Überraschung und kein Drama, weil schon die bisherige (aus dem August 2022 stammende) Finanzplanung für 2024 einen Betrag angibt, der um über 600 Millionen Euro unter dem jetzigen Planwert für 2023 (21,5 Milliarden) liegt. Wenn BMF-Sprecherin Kalwey also neulich in der Pressekonferenz angab, die Plafonds für 2024 "orientierten" sich an der bisherigen Finanzplanung, könnte das – großzügig interpretiert – für das BMBF sogar zutreffen.
Und was ist mit der von Lindner versprochenen zusätzlichen Bildungsmilliarde pro Jahr, die 2024 zum ersten Mal kommen soll? Sie werde auf keinen Fall kassiert, versichern die Ampel-Finanzpolitiker. Wenn sie aber Teil des normalen Haushalts wäre und der sich an der bisherigen mittelfristigen Finanzplanung orientierte, wäre die Bildungsmilliarde eine Mogelpackung. Das wissen sie auch im BMF. Daher, ist zu hören, könnte die Bildungsmilliarde "vor die Klammer" gezogen werden, wie das im Haushaltsjargon heißt – also außerhalb des BMBF-Kernhaushalts oben drauf kommen – was die behauptete Priorität für das Thema Bildung im Sparpaket zum Ausdruck brächte.
Für den BMBF-Kernhaushalt aber würde es in jedem Fall eng. Es drohen Kürzungen vor allem dort, wo das Ministerium nicht gesetzlich oder (nicht mehr) durch Vereinbarungen mit den Ländern gebunden ist. Einen Vorgeschmack, was das bedeuten könnte, hat die Aufregung um verschiedene Forschungsförderlinien im vergangenen Sommer gegeben.
Gebunden ist das BMBF zum Beispiel beim Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken", da steht 2024 eine Erhöhung um 160 Millionen Euro an, was den Druck auf den Rest-Haushalt weiter erhöht. Unerbittlich weiter steigen auch die Kosten für internationale Kooperationen. So könnte der Beschluss, die finanziell aus dem Ruder gelaufene Beschleunigeranlage FAIR in Darmstadt weiterzubauen und dabei Russlands Anteil allein aus Deutschland vorzustrecken, im Rest der Wissenschaftslandschaft noch kräftige Schmerzen verursachen.
Wer sich fragt, warum Stark-Watzinger etwa die Forderungen der Länder nach einer Verlängerung der Qualitätsoffensive Lehrerbildung ablehnt, findet hier möglicherweise seine Antwort. Vor dem Hintergrund wird ebenfalls nachvollziehbar, warum es für Stark-Watzinger attraktiv sein könnte, 2024 noch möglichst wenig von der Bildungsmilliarde in die Startchancen zu stecken: Weil dann etwas mehr Luft im Gesamthaushalt bliebe? Die Frage ist aber, für welche Vorhaben sie die Extra-Milliarde überhaupt einsetzen dürfte.
Das Haushaltsjahr 2025
wird noch entscheidender
Noch entscheidender für die Bildungscommunity ist, wie es 2025 mit dem BMBF-Haushalt weitergeht. Es ist das Jahr der Bundestagswahl – die letzte Chance, weitere zentrale Ampel-Vorhaben zu starten, wenn die Koalition nicht wortbrüchig werden will. Etwa den Digitalpakt Schule 2.0, der sogar höher dotiert sein sollte als sein Vorgänger, der 2024 ausläuft. Die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI), ohnehin spät dran, würde ohne spürbar zusätzliches Geld mit einer Hypothek aus der Legislaturperiode gehen. Der zweite Teil der BAföG-Novelle steht auch noch aus, und es ist sogar der wichtigere: Neben einer weiteren Erhöhung der Fördersätze soll er eine grundlegende konzeptionelle Reform bringen, hin zu einer stärkeren Elternunabhängigkeit vor allem.
Nur: Die Signale aus dem Finanzministerium zeigen fürs BMBF nicht nach oben, sondern auch für 2025 nach unten – je nach Version noch dazu deutlich. Allerdings gibt es andere Stimmen in der Bundesregierung, die sagen, wenn man in 2024 ordentlich spare, habe man 2025, eben im Jahr der Bundestagswahl, schon wieder Luft nach oben.
Eine Anfrage ans BMBF, was Lindners Haushaltsplanungen für Bildung und Forschung bedeuten, hat derweil wenig Sinn – man hat in der Bundesregierung Stillschweigen vereinbart. Und so lautet die – erwartbare – Antwort einer Sprecherin von Bettina Stark-Watzinger: "Das regierungsinterne Haushaltsaufstellungsverfahren für das Jahr 2024 dauert noch an. Insofern bitten wir um Ihr Verständnis, dass wir uns zu dem laufenden Verfahren nicht äußern können."
Da ist ja auch, siehe oben, etwas dran: Es kann, aber es muss so nicht kommen. Vielleicht kann Stark-Watzinger die Kürzungsansagen noch etwas entschärfen. In den vorgesehenen Sechs-Augen-Gesprächen mit Lindner und Kanzler Scholz. Der größte Widerstand gegen das Sparpaket insgesamt soll aber von den Grünen kommen. Am 5. Juli sollte Lindners Haushaltsentwurf dann ins Kabinett gehen. Eigentlich. Denn auch das scheint nicht (mehr) sicher zu sein, vielleicht dauert es noch länger. Umgekehrt gilt in der Ampel als unstrittig, dass auch das BMBF einen Sparbeitrag wird leisten müssen. Vor dem Hintergrund des Narrativ der "Chancen"- und "Fortschritts"-Koalition, mit der SPD, Grüne und FDP Ende 2021 in ihre Zusammenarbeit gestartet sind, bleibt so oder so vor allem eines: Ernüchterung.
Dieser Beitrag erschien in kürzerer Fassung zunächst in meinem kostenfreien Newsletter.
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