Der BMBF-Haushalt soll 2024 um 1,16 Milliarden schrumpfen. Schaut man sich den Plan genauer an, entsteht trotzdem der Eindruck, die Ministerin habe sich erstaunlich gut geschlagen. Allerdings gibt es eine große Ausnahme: Vor allem beim BAföG-Titel wird gekürzt.
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ERST AM MITTWOCH soll der Haushaltsentwurf der Bundesregierung ins Bundeskabinett gehen. Doch mir lag das Papier bereits vor. Demnach sind für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) für das kommende Jahr 20,300 Milliarden Euro vorgesehen: rund 507 Millionen Euro weniger, als in der mittelfristigen Finanzplanung vom August 2022.
Nimmt man als Referenzwert die Soll-Ausgaben des laufenden Jahres, ergibt sich zwar ein noch größerer Rückgang um 1,162 Milliarden Euro, was rund 5,4 Prozent entspräche (während der Bundeshaushalt insgesamt um 6,4 Prozent schrumpfen soll). Doch übertreibt dieser Vergleich das tatsächliche BMBF-Minus. Denn der Großteil dieser Differenz, 700 Millionen Euro, erklärt sich aus dem Wegfall der Energie-Einmalzahlung an Studierende und Fachschüler.
Mit einem blauen Auge
davongekommen?
Hat Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) also gut verhandelt, hat sie die Connections zu ihrem Parteifreund Christian Lindner so erfolgreich genutzt, dass das BMBF beim Zeitenwende-Sparhaushalt entgegen der Unkenrufe mit einem blauen Auge davonkommt?
Auf den ersten Blick: ja. Ein Weniger von rund 500 Millionen Euro entspricht einem Minus von 2,4 Prozent. Das muss aus einem so großen Haushalt herauszuholen sein. Einerseits. Andererseits sind von den (ohne Einmalzahlung) 20,762 BMBF-Milliarden in diesem Jahr ein Großteil gebunden, das heißt: Sie werden durch Vereinbarungen vor allem mit den Bundesländern auch nächstes Jahr fällig, zum Teil sogar mit einem garantierten Aufwuchs.
Rechnet man zum Beispiel den Zukunftsvertrag "Studium und Lehre stärken" (2023: 1,94 Milliarden, 2024: 2,05 Milliarden), die Zahlungen an die vier großen Forschungsorganisationen Max Planck, Helmholtz, Fraunhofer und Leibniz (2023: 5,73 Milliarden, 2024: 5,86 Milliarden) und an die Deutsche Forschungsgemeinschaft (2023: 2,04 Milliarden, 2024: 2,08 Milliarden) zusammen, sind allein durch diese Posten 2023 rund 9,71 Milliarden Euro verplant, 2024 sind es sogar rund 9,99 Milliarden.
Das wird weder den Hochschulen noch den Forschungsorganisationen reichen, um die Inflation auszugleichen, und doch sind sie durch die garantierten Aufwüchse in einer privilegierten Lage. Addiert man noch die Exzellenzstrategie und das Bund-Länder-Programm zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses (400 Millionen bzw. 121 Millionen in beiden Jahren) hinzu, ist mit gut 10,51 Milliarden Euro mehr als die Hälfte des BMBF-Haushaltes im nächsten Jahr gebunden. Und der Resthaushalt des Ministeriums verringert sich (Energie-Einmalzahlung wieder rausgelassen) von 10,53 auf 9,79 Milliarden.
Das bedeutet: Die kleinere Hälfte des BMBF-Haushalts muss das komplette Minus und den Zuwachs der anderen (größer werdenden) Hälfte tragen. Wobei diese Darstellung noch simplifiziert ist, denn auch diese Spar-Hälfte enthält weitere nicht kürzbare Posten, etwa die den Akademien ebenfalls zugesagte jährliche Erhöhung um drei Prozent. Das heißt immer noch nicht, dass Stark-Watzinger schlecht verhandelt hat, es zeigt nur, unter welchen Zwängen ihr Ministerium 2024 und vor allem dann 2025 steht.
Vor diesem Hintergrund ist es erstaunlich, an wie vielen Stellen die Ministerin voraussichtlich nicht sparen wird, zumindest nicht auf der Ebene der Haushaltstitel und Titelgruppen. Bei der besonders diskutierten Förderung der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung etwa soll es eine leichte Aufstockung um 1,5 auf 107 Millionen Euro geben (was das für einzelne Förder-Schwerpunkte bedeutet, bleibt freilich abzuwarten); die Nationale Forschungsdateninfrastruktur (NFDI) wächst wie versprochen um 23,5 auf 81 Millionen.
Die Stiftung "Innovation in der Hochschullehre" bekommt nur scheinbar weniger (110 statt 150 Millionen), tatsächlich steuern von 2024 an die Länder vereinbarungsgemäß die übrigen 40 Millionen bei. Die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) springt um 43 auf 190 Millionen, sogar die immer noch nicht gegründet Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) wird um 28,8 auf 78,8 Millionen aufgestockt, wobei 35,4 Millionen davon (Vorjahr: 15 Millionen) bis zur Aufhebung durch den Haushaltsausschuss gesperrt sind.
Bei einem Posten dürften die Bildungs- und Wissenschaftsminister der Länder aufmerken: Sie hatten die Fortsetzung der Ende 2023 auslaufenden Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB) gefordert, Stark-Watzinger hatte das abgelehnt. Trotzdem stehen 2024 immerhin 52,3 Millionen Euro in dem bisherigen QLB-Titel, der einen neue Bezeichnung trägt: "Professionalisierung pädagogischer Prozesse". Dahinter verbergen sich allerdings neben QLB-Ausgaberesten die aus EU-Mitteln finanzierten "Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unterrichten" (50 Millionen), die bislang im Titel der Nationalen Bildungsplattform (siehe unten) untergebracht waren. Von der Planung eines QLB-Nachfolgeprogramms also tatsächlich keine (haushalterische) Spur.
Gespart wird vor
allem am Bafög-Titel
Wo aber wird denn dann – abgesehen von Posten, die ohnehin abgeschmolzen werden sollten – am kräftigsten gespart? Die eindeutige Antwort: vor allem beim BAföG. Für die Studierenden sind 1,37 Milliarden und damit 440 Millionen weniger als 2023 vorgesehen – und bei den Schülern 551 Millionen, 212 Millionen weniger. Auf den zweiten Blick muss man allerdings auch hier differenzieren: Die eingeplanten Ausgaben orientierten sich laut BMBF an wissenschaftlichen Prognosen (wohl vor allem des Fraunhofer-Instituts für angewandte Informationstechnik (FIT), was Schüler und Studierende im kommenden Jahr erfolgreich beantragen werden – auf Grund der geltenden Rechtslage.
Was zwei aufschlussreiche Schlussfolgerungen zulässt. Erstens: Finanzministerium und BMBF preisen offenbar ein, dass die von Stark-Watzinger als so großzügig gepriesene BAföG-Erhöhung vom vergangenen Jahr verpufft – und die Zahl der Empfänger nach einer zwischenzeitlichen Stagnation sogar wieder zurückgehen könnte. Zweitens: Obwohl dies so ist, wird keine sichtbare Vorsorge getroffen für die dringend nötige weitere Anhebung der Bedarfs- und Fördersätze in 2024, denn dafür müsste es wie in der Vergangenheit üblich einen Puffer geben.
Sollte es nächstes Jahr bei geltender Rechtslage doch mehr BAföG-Bezieher geben und sollten diese mehr beantragen als Geld im Haushalt vorhanden, muss und wird das BMBF zwar zahlen (und zur Deckung zur Not wiederum anderswo einsparen müssen, falls das Finanzministerium nichts nachschießt). Klar ist allerdings auch: Die Erhöhung der Fördersätze und erst recht die versprochene große BAföG-Reform noch in dieser Legislaturperiode würde massiv zusätzliches Geld erfordern.
Weniger für
Lebenswissenschaften
Ansonsten sind 2024 Rückgänge etwa der Förderung der Lebenswissenschaften (-151 Millionen) vorgesehen, darin ist laut BMBF neben Umschichtungen ein Konsolidierungsbeitrag von 37 Millionen Euro enthalten. Umgekehrt gibt es aber zum Beispiel einen deutlichen Zuwachs bei der Titelgruppe "Nachhaltigkeit, Klima, Energie" (+96 Millionen), was, wie das Ministerium auf Nachfrage erläutert, im Wesentlichen auf den zu finanzierenden Neubau des Forschungsschiffs Polarstern II zurückgeht.
Insgesamt sollen rund 2,69 Milliarden Euro in die sogenannte missionsorientierte Forschung fließen, im Vorjahr waren es mit 2,67 Milliarden vergleichbar viel. Die Zahlungen für die viel kritisierte Nationale Bildungsplattform sollen um fast 98 auf noch 106,5 Millionen sinken, was laut BMBF – neben der erwähnten Umbuchung der Digitalen Kompezenzzentren – auf die langsamere Projektentwicklung zurückzuführen sei und keine Auswirkungen auf die fachliche Umsetzung habe.
Bleibt die Frage: Wo ist die von Lindner für 2024 erstmals versprochene zusätzliche Bildungsmilliarde? Die Antwort: Sie kommt. Allerdings wohl erst zur Hälfte. 500 Millionen sind eingeplant, was insofern keine Überraschung ist, weil Stark-Watzinger das "Startchancen"-Programm, für das sie die Bildungsmilliarde vorgesehen hat, (trotz zwischenzeitlich heftiger Kritik aus den Ländern) erst im zweiten Halbjahr 2024 starten will. Sie sagt, ein früherer Beginn sei konzeptionell nicht zu schaffen.
Dass die Sache ganz offensichtlich auch haushälterische Gründe hat, ist freilich daran zu sehen, dass man den Rest der Bildungsmilliarde 2024 natürlich auch für Anderes ausgeben könnte, Anlässe gäbe es genug. Eingeplant sind die 500 Millionen nicht im BMBF-Haushalt, sondern sie stehen wie angekündigt "vor der Klammer" – im Einzelplan der Allgemeinen Finanzverwaltung. Und auch wenn ich die Zusatz-Bildungsmilliarde wiederholt als unzureichend kritisiert habe, vor allem im Vergleich zu all den Bildungs-Versprechungen im Ampel-Koalitionsvertrag, ist es in der Konsequenz doch ein Erfolg für Stark-Watzinger, dass zumindest der Einstieg 2024 gelingt.
Allerdings, unken viele in der Koalition, werde sich 2024 noch als vergleichsweise einfacher Haushalt herausstellen, die richtige Bewährungsprobe – auch für das BMBF – stehe 2025 an. Dann müsse Stark-Watzinger nochmal Farbe bekennen: Was wird aus der BAföG-Reform? Kommt der – bereits auf 2025 – verschobene Digitalpakt 2.0, und wieviel frisches Geld macht der Bund dafür locker?
Letzteres würde zwar wie beim Digitalpakt 1.0 nicht über Stark-Watzingers Budget abgewickelt, doch eng genug wäre das auch so: Im neuen Finanzplan der Bundesregierung, der ebenfalls am Mittwoch beschlossen werden soll, steht der BMBF-Haushalt für 2025 mit 20,56 Milliarden Euro – was 260 Millionen mehr als 2024 wären, aber satte 540 Millionen weniger als noch im August 2022 vorgesehen. Und von den 260 Millionen würden etwa 80 Prozent gleich wieder in die weitere Dynamisierung von Zukunftsvertrag, Max Planck, DFG und Co fließen. Wie soll das gehen? Vorerst aber gilt: Ihre Priorität für Bildung und Forschung hat die Ministerin in schwieriger Zeit verteidigt – wenn auch, siehe vor allem das BAföG, mit Abstrichen bei der Bildung.
Dieser Artikel erschien in etwas kürzerer Fassung zuerst im Tagesspiegel. Zuletzt habe ich ihn am 05. Juli 2023 aktualisiert.
BMBF, Studentenwerk, Bundestagsopposition
Wer sagt was zum Haushaltsentwurf?
Der Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion für Bildung und Forschung, Thomas Jarzombek, kommentierte, die Ankündigung einer Bildungsmilliarde hätten viele in der Ampel wohl falsch verstanden: "Es wird nun eine Milliarde gekürzt und nicht ergänzt." Stark Watzinger habe den vielversprechenden Ankündigungen der vergangenen anderthalb Jahre keine Taten folgen lassen. "Für Bildung und Forschung fehlt es jedoch derzeit spürbar an Rückhalt im Kabinett. Anspruch und Realität klaffen weit auseinander." So seien die Kürzungen beim BAföG ein "Offenbarungseid" für die Koalition. "Auf Basis einer unabhängigen wissenschaftlichen Berechnung wird deutlich, dass sich Bundesministerin Stark-Watzinger bei der Wirkung ihrer BAföG-Reform völlig verschätzt hat." Auch um die angekündigte große Strukturreform des BAföG, die eigentlich in diesem Jahr kommen sollte, sei es seit Monaten "erstaunlich still" geworden in der Koalition.
Der parlamentarische Staatssekretär im BMBF, Jens Brandenburg (FDP), sagte, trotz sehr schwieriger Ausgangslage würden Bildung und Forschung weiter gestärkt. "Wir setzen weiterhin auf wichtige Investitionen in Zukunftsthemen wie Energieforschung, Innovation und Transfer und bringen zentrale Schwerpunkte wie das Startchancenprogramm zur Realisierung." Zugleich warnte er, auf eine Konsolidierung des Haushalts müssten alle Ressorts gemeinsam hinwirken. "Das gilt auch für künftige Haushaltsjahre. Der Einzelplan 30 darf dabei nicht über Gebühr belastet werden." Bildung und Forschung seien tragende Säulen vieler zukunftsorientierter Projekte dieser Bundesregierung."
Vergleicht man die neue mittelfristige Finanzplanung mit der vom August 2022, soll das BMBF 2024 und 2025 auf insgesamt 1,04 Milliarden Euro verzichten. 2026 kehrt der Ansatz mit 21,2 Milliarden dann zur alten Planung zurück, 2027 sind (neu) 21,150 Milliarden vorgesehen.
Unterdessen kommentierte der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerk, Matthias Anbuhl, angesichts der geplanten Kürzungen, die BAföG-Versprechen der Bundesregierung drohten zu implodieren. "Die groß angekündigte Strukturreform und BAföG-Sätze, die zum Leben reichen – all das wird nun womöglich Lindners Rotstift geopfert." Das sei fatal, denn mehr als ein Drittel der Studierenden lebe prekär. "Dieser Gruppe steht das Wasser finanziell bis zum Hals. Lässt die Ampel-Koalition sie im Stich?"
Anbuhl forderte eine Ministerin, die auch im Gegenwind für die Studierenden kämpfe. "Und wir brauchen ein Parlament, das seine Kompetenzen nutzt und den Finanzminister beherzt korrigiert." Studienabbrüche aus Geldmangel könne sich dieGesellschaft nicht leisten. "Diese jungen Menschen sind die künftigen Lehrkräfte, Ärzt*innen und Ingenieur*innen, die wir so händeringend brauchen."
Die bildungspolitische Sprecherin der linken Bundestagsfraktion, Nicole Gohlke, sagte, die Bundesregierung schieße mit ihren Haushaltsplänen "den Vogel ab. Eine Kürzung beim BAföG wird für viele junge Menschen ein Studium unerschwinglich machen und die soziale Spaltung des Bildungssystems weiter vorantreiben." Die letzte BAföG-Erhöhung sei innerhalb kürzester Zeit von der Inflation aufgefressen aufgefressen worden. "Fast 40 Prozent der Studierenden sind armutsgefährdet. In einer solchen Situation ausgerechnet beim BAföG zu kürzen, ist fatal." Auf den KfW-Kredit, laut Gohlke "die einzige Alternative zum BAföG", fielen gerade fast acht Prozent Zinsen an, ergänzte die Linken-Politikerin. "So treibt die Bundesregierung viele Studierende in die Armutsfalle."
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David J. Green (Freitag, 07 Juli 2023 19:22)
Bestimmt ist im letzten Absatz der KfW-KREDIT gemeint.
Jan-Martin Wiarda (Samstag, 08 Juli 2023 13:25)
Lieber Herr Green,
vielen Dank! Sie haben natürlich Recht. Ich habe den Fehler gerade korrigiert.
Beste Grüße
Ihr Jan-Martin Wiarda