Erneut will die Bundesregierung bei DAAD & Co kürzen. Das hat sie schon für dieses Jahr vorgehabt – und traf auf starken Widerstand. Und nun?
ES MUTET AN wie ein Déjà-vu. Vergangenen Sommer hat die Wissenschaftscommunity gegen drohende Kürzungen beim Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der Alexander-von-Humboldt-Stiftung (AvH) und dem Goethe-Institut angekämpft. Also bei den Organisationen, die den internationalen Austausch in Wissenschaft und Gesellschaft führen. Furore machte vor allem die Social-Media-Aktion "#IGotFundedbyDAAD", ein tausendfacher Protest früherer und aktueller Stipendiaten. Am Ende verwandelte der Haushaltsausschuss des Bundestages die Sparpläne im 2023er-Bundeshaushalt zumindest für DAAD und AvH in Rekordzuschüsse, doch das Misstrauen gegenüber dem Auswärtigen Amt blieb.
Und nun steht im Haushaltsentwurf, den das Bundeskabinett für 2024 beschlossen hat, wieder ein Minus vor den Budgets: jeweils gut drei Prozent weniger Betriebsmittel für DAAD, AvH und Goethe-Institut. Bei sechs Prozent Inflation und einem fortdauernden Krieg in Europa. Schon wird in den sozialen Medien über ein Revival von "IGotFundedbyDAAD" diskutiert. Hat das Auswärtige Amt von Annalena Baerbock denn gar nichts gelernt?
Die Antwort: Doch, hat es. Während das Ministerium zur Erfüllung seiner Sparauflagen DAAD & Co vergangenes Jahr sogar überdurchschnittlich zur Kasse bitten wollte, verhält es sich dieses Jahr immerhin umgekehrt: Knapp 18 Prozent soll das Auswärtige Amt kürzen, sodass die drei Prozent weniger bei den sogenannten Mittlerorganisationen, so bitter das klingt, bereits eine deutliche Priorisierung bedeuten.
Also dieses Jahr kein Grund, politisch Druck zu machen? Doch, aber anders, grundsätzlicher. Im Ampel-Koalitionsvertrag haben SPD, Grüne und FDP versprochen, die Budgets von DAAD und AvH analog zum Pakt für Forschung und Innovation zu erhöhen, also um drei Prozent pro Jahr, jedes Jahr. Bisher machen sie keine Anstalten, dieses Versprechen umzusetzen.
So erfreulich es ist, wenn geplante Kürzungen durch allerlei Verschiebungen und Sondermittel (2023 allein für den DAAD acht Ukraine-Millionen) in ein Plus umgewandelt werden: Die wiederholte Unsicherheit schwächt die Autonomie, behindert das langfristige Planen – und provoziert jedes Jahr aufs Neue eine so kräftezehrende wie politisch schädliche Kürzungsdebatte.
Und am Ende steht dann doch – wie bei der AvH – eine schleichende De-Priorisierung, wie der langfristige Vergleich des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 zeigt. 55,7 Millionen Euro zahlte das Auswärtige Amt in dem Jahr der Stiftung. Gegenüber jetzt geplanten 54,4 Millionen für 2024.
Selbst wenn das drohende Drei-Prozent-Minus am Ende wieder gestrichen würde, bliebe eine Stagnation – bei einem gleichzeitigen Wachstum des Bundeshaushalts von knapp einem Viertel zwischen 2019 und 2024. Das hat Folgen: Ihre Stipendiensätze, teilt die AvH mit, seien seit 2012 nicht mehr erhöht worden.
Dieser Kommentar erschien heute zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.
Nachtrag am 10. August:
Es gibt frische gute Nachrichten von der AvH. Bundesfinanzministerium und Bundesrechnungshof hätten gestern Abend endlich einer Erhöhung der Stipendiensätze um gut sieben Prozent zugestimmt, heißt es aus der Stiftung. Allerdings summiert sich der Kaufkraftverlust seit 2012 auf ein Viertel.
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