Holger Hanselka tritt schon nächste Woche sein neues Amt als Fraunhofer-Präsident an.
DIE 30.000 FRAUNHOFER-MITARBEITER erreichte die Nachricht am Freitagmorgen per internem Newsletter: Holger Hanselka, der am 25. Mai gewählte neue Präsident der Forschungsgesellschaft, wird sein Amt bereits am 15. August antreten – und damit schneller, als viele Beobachter es erwartet haben. Auch schneller, als er selbst es nach seiner einstimmigen Wahl im Fraunhofer-Senat gedacht hätte? Direkt danach sagte er hier im Blog, er wolle zwar "so schnell wie möglich" anfangen. "Aber das heißt, ich bleibe auch noch so lange am KIT, wie nötig, um dort einen guten Übergang zu gewährleisten."
Am KIT, dem zu Helmholtz gehörenden Karlsruher Institut für Technologie, war Hanselka seit 2013 Präsident, in der Helmholtz-Gemeinschaft fungierte er bis zuletzt als Vizepräsident für den Forschungsbereich Energie.
Zum KIT kam Hanselka wiederum von Fraunhofer, wo er zuvor über viele Jahre das Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF geleitet hatte. Auch dem Fraunhofer-Präsidium gehörte Hanselka damals bereits an. Praktisch die gesamte Neugebauer-Ära verbrachte er dann beim KIT. Sein Start als Nachfolger des parallel zu seiner Wahl zurückgetretenen Reimund Neugebauer bedeutet für den Maschinenbauingenieur insofern eine Rückkehr. Er kennt Fraunhofer genau, gleichzeitig fehlt ihm jede Verbindung zu den Fraunhofer-Machtstrukturen der vergangenen zehn Jahre. Eine ideale Mischung, so scheint es.
Die Eile seines Amtsantritts wiederum deutet auf zweierlei hin: Hanselkas Entschlossenheit loszulegen, ist groß – so groß, wie der Druck bei Fraunhofer, aus dem Schwebezustand herauszukommen, in dem sich die durch den Spesenskandal und Machtkämpfe gebeutelte Gesellschaft schon lange vor Neugebauers überfälligem Rücktritt befand. Hanselka soll diesen Neuanfang verkörpern, intern, extern, strategisch und kommunikativ.
Wer den 61-jährigen gebürtigen Oldenburger kennt, weiß, wie genau er beobachtet, wie akribisch er sich einarbeitet. Wie hartnäckig er nachfragt, wie er Ziele formuliert und diese dann verfolgt. Immer sachlich, norddeutsch-nüchtern. Frei von Barock und Machtgepose. Auf diese Weise hat er den Turnaround am 2013 konflikt- und krisengeplagten KIT geschafft.
Corporate Governance,
Zusammenarbeit, Vertrauen
Auf diese Weise, so die Erwartung an ihn, soll er es auch bei Fraunhofer machen. In der internen Mitteilung hieß es denn am Freitag, Hanselka habe bereits "klare Ziele" vor Augen: In enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Bund und Ländern, der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft wolle er "die Anwendung von neuen Technologien weiter beschleunigen sowie die Wettbewerbs- und Zukunftsfähigkeit Deutschlands, Europas und internationaler Partner von Fraunhofer stärken". Von großer Bedeutung sei für ihn dabei die Zusammenarbeit mit dem Mittelstand.
Und was ist mit der Aufarbeitung der jüngsten Fraunhofer-Vergangenheit? Sie wird im Newsletter nur indirekt angesprochen: Um die genannten Ziele zu erreichen, gelte es, "die Internationalisierung der Fraunhofer-Gesellschaft voranzutreiben sowie zukunftsweisende Corporate-Governance-Strukturen, neue Formen der Zusammenarbeit und eine von Vertrauen geprägte Unternehmenskultur zu etablieren". Corporate Governance, neue Formen der Zusammenarbeit und Vertrauen dürften hier für viele Fraunhofer-Mitarbeiter und Beobachter die entscheidenden Stichwörter sein. Und vieles an der nötigen Aufarbeitung wird nur explizit gehen, frontal und mit der nötigen Direktheit.
Hauptsache, der neue Präsident lässt sich nicht einspannen von denen, die den Neuanfang nur simulieren, ohne ihn wirklich zu wollen. Welche das sind, kann und muss der Neue schnell herausfinden. Dann hätte er mehr verdient als ein paar Vorschusslorbeeren.
Nachtrag am 11. August, 16 Uhr:
Inzwischen haben die Fraunhofer-Gesellschaft und das KIT den Wechseltermin auch in offiziellen Pressemitteilungen verkündet. Zur Findung der künftigen Präsidentin oder des künftigen
Präsidenten habe der Aufsichtsrat des KIT bereits eine Findungskommission eingesetzt, teilte die Karlsruher Einrichtung mit. Bis nach der erfolgreichen Wahl von Hanselkas Nachfolge soll der
Vizepräsident für Forschung, Oliver Kraft, kommissarisch die KIT-Leitung übernehmen.
Die Fraunhofer-Pressemitteilung zitiert Hanselka so: "Gemeinsam mit den über 30.000 Expertinnen und Experten bei Fraunhofer werde ich mich dafür einsetzen, nachhaltige Lösungen für die drängenden Themen unserer Zeit zu entwickeln. In einer Welt stetigen Wandels und täglich neuer Herausforderungen sind es gerade Wissenschaft und Forschung, die der Menschheit im Kampf gegen den Klimawandel, bei Sorgen um den Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung und den Fragen nach der Ernährung oder auch der Mobilität der Zukunft Hoffnung geben können." Weiter sagt Hanselka, Wandel entstehe immer zuerst innerhalb einer Organisation. "Deshalb werde ich gleich zu Beginn meiner Amtszeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, den Gremien und den Stakeholdern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft in einen intensiven Dialog treten. Nur so können wir eine moderne Unternehmenskultur und transparente, ergebnisorientierte Formen der Zusammenarbeit gemeinsam entwickeln, die für die Zukunftsfähigkeit von Fraunhofer und auch im Wettbewerb um die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von entscheidender Bedeutung sein werden."
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Roman Held (Freitag, 11 August 2023 20:00)
Eine sehr erfreuliche und motivierende Mitteilung. Gerade in der Zentrale ist ein Neuanfang schnell nötig. Dort ist es teilweise zu Schockstarre gekommen und Supportprozesse für die Institute werden verschleppt. 2012 hatte leider Herr Neugebauer das Rennen gemacht, wobei Herr Hanselka damals auch schon sehr gute Aussichten auf das Präsidentenamt hatte. Nun klappt es halt 11 Jahre später. Intern gibt es sehr viel zu tun.