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Klarheit erst Mitte 2024?

Forschungsministerin will Große Anfrage der Bundestagsopposition zum weiteren Vorgehen beim WissZeitVG "spätestens bis Ende Juni 2024" beantworten. Derweil kritisiert die Unionsfraktion die Themensetzung im Forschungsausschuss.

ANFANG OKTOBER HATTE die Bundestagsopposition von CDU/CSU eine Große Anfrage an die Bundesregierung gerichtet, Überschrift: "Weiteres Vorgehen der Bundesregierung hinsichtlich des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes" (WissZeitVG). Darin heißt es: "Aufgrund der fortschreitenden Zeit bedarf es aus Sicht der Fraktion der CDU/CSU nun dringend Klarheit, ob, wie, und wann die Regierungskoalition eine Novellierung des WissZeitVG vornehmen wird."

 

Jetzt ist bekannt geworden, welchen Zeitraum Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) gegenüber dem Bundestag für die Beantwortung in Aussicht gestellt hat. "Die Antwort wird ihnen spätestens bis Ende Juni 2024 zugehen", schrieb sie an Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD). Acht Monate nach Fragestellung. 12 Monate nach Vorstellung des BMBF-Referentenentwurfs.

 

Rechtlich ist das nicht zu beanstanden. Die Bundesregierung muss Große Anfragen gar nicht beantworten. Und wenn sie es möchte, hat sie bis zu ein Jahr lang Zeit dafür. Politisch aber ist die Rückmeldung aus dem BMBF bemerkenswert – bedeutet sie doch, dass Stark-Watzinger die Frage nach dem weiteren Fahrplan zur Novelle erst beantwortet will, wenn sie nach den ursprünglichen Planungen längst da sein sollte.

 

"Bis Ende 2023", hatte etwa Stark-Watzingers parlamentarischer Staatssekretär Jens Brandenburg einst als Ziel genannt. Das war allerdings vor dem Hin und Her um die WissZeitVG-Eckpunkte im Frühjahr. Im April 2023 hatte Brandenburg dann zu Protokoll gegeben, das Jahresende 2023 sei immer nur "der frühestmögliche Zeitpunkt" gewesen, ein Gesetzesbeschluss hielt er hier im Blog nun "voraussichtlich im ersten Quartal 2024" für "erreichbar". Das allerdings war wiederum, bevor die Ampel-Fraktionen öffentlich einräumen mussten, bei einer zentralen Frage, der Postdoc-Befristung, keinen Konsens gefunden zu haben. Zuletzt sagte Brandenburg im Newsletter Research.Table, der Gesetzentwurf befinde sich weiter in Ressortabstimmung.

 

Und nun also eine Antwort zum weiteren Vorgehen bis spätestens Ende Juni 2024? Diese Fristangabe führte dazu, dass die Union das Thema der Großen Anfrage umgehend auf die Tagesordnung des Bundestages setzen ließ. Das wiederum ist ihr Recht, wenn die Bundesregierung nicht innerhalb von drei Wochen inhaltlich antwortet. Die Plenardebatte sollte eigentlich am Mittwoch, den 8. November stattfinden, wurde jedoch kurzfristig von der Agenda genommen. Das sei allerdings nur der aktuellen innen- und außenpolitischen Lage geschuldet, heißt es aus der CDU-/CSU-Fraktion, man werde die Aussprache bei nächster Gelegenheit nachholen. 

 

Ampel-Ausweichmanöver
im Forschungsausschuss?

 

Den Druck auf Stark-Watzinger versucht die Union derweil auch anderswo zu erhöhen. In einem Brief an Kai Gehring (Grüne), den Vorsitzenden des Bundestagsausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, haben sich führende Unions-Wissenschaftspolitiker jetzt über die Themensetzung in dem Gremium beklagt. 

 

Die großen aktuellen Debatten zum inhaltlichen Kernbereich des Ausschusses fänden "zu oft und zu lange" anderswo statt, kritisierten Thomas Jarzombek und Stephan Albani am 31. Oktober. "Über Aktivitäten des BMBF erfahren die Ausschussmitglieder zu oft erst aus der Presse." Der Ausschuss komme seiner parlamentarischen Kontrollfunktion gegenüber der Bundesregierung "nicht in dem gebotenen Maße" nach. "Zentrale bildungs- und forschungspolitische Vorhaben der Bundesregierung, die bereits öffentlich angekündigt wurden, finden sich in den aktuell in Abstimmung befindlichen Planungen nicht wieder."

 

Schützt die Ampel-Mehrheit bei der Themenplanung im Ausschuss die Bundesforschungsministerin, damit sie nicht mit ihrer – aus Sicht der Union – mageren Arbeitsbilanz öffentlich bloßgestellt wird? Zumindest ist das der Vorwurf, der kaum verhohlen aus dem Schreiben an den Ausschussvorsitzenden Gehring spricht. 

 

Als Themen, die nicht in der Themenplanung auftauchten, aber dahin gehörten, nennen die CDU-Politiker Jarzombek und Albani in ihrem Brief als erstes: "das für die Zeit nach der parlamentarischen Sommerpause angekündigte Gesetzgebungsverfahren zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes", außerdem: "die Gründung der DATI inklusive inhaltlichem Konzept, die angekündigte große Strukturreform des BAföG und die inhaltliche Ausgestaltung der anstehenden Bund- Länder-Verhandlungen zu einem Nachfolgeabkommen zum DigitalPakt Schule."

 

Und sie fügen hinzu, es handle sich bei diesen und weiteren Themen "um zentrale Themen des Regierungshandelns im Bereich unseres Ausschusses. Insofern müsste die Auseinandersetzung mit diesen Themen im Interesse aller demokratischen Parteien sein." Auch an den Ausschussvorsitzenden persönlich richten sich die beiden. "Wir wären Ihnen dankbar", schreiben sie Gehring, "wenn Sie uns in diesem Sinne gegenüber der Bundesregierung noch stärker unterstützen und u.a. auf einen angemessenen wie tagesaktuellen Informationsfluss seitens des BMBF hinwirken würden."

 

Ausschussvorsitzender Gehring: Wünsche
der Union umfassend berücksichtigt

 

Kein Wunder, dass Kai Gehring in seinem nur zwei Tage später versandten Antwortschreiben angefasst reagierte. Hat er doch nach eigenem Empfinden viel Energie darauf verwendet, die Ausschussarbeit agiler, transparenter und lebendiger zu gestalten. Die Fachausschüsse des Bundestages seien die "Maschinenräume unserer Demokratie", hatte er im Interview hier im Blog bekräftigt. Und ausgerechnet der Maschinenraum, für den er zuständig ist, soll jetzt seine Arbeit nicht ordentlich machen?

 

Gehring verweist in seiner Antwort an die CDU-Parlamentarier darauf, dass die Agenda der Ausschussberatungen von ihm nur moderiert, aber von den Obleuten der Fraktionen beschlossen werde. In den vergangenen zwei Jahren sei dies "einvernehmlich" gelungen. Übersetzt: Die Union erregt sich künstlich über eine Themenplanung, die sie selbst mitgetragen hat. Explizit fügt Gehring hinzu: "Den Aufsetzungswünschen der Unionsfraktion wurde dabei als stärkster Oppositionskraft seit Anbeginn der Wahlperiode umfassend Rechnung getragen."  

Wobei der Konflikt um die Ausschussagenda nicht neu ist und im vergangenen Herbst schon einmal öffentlich geführt wurde. Allerdings hatten sich Regierungs- und Oppositionsfraktionen Ende November 2022 dann tatsächlich auf eine gemeinsame Planung für das erste Halbjahr 2023 verständigt.

 

Gehring widerspricht insofern auch dem Vorwurf, die Regierungsvorhaben kämen nicht genug vor. "Einige der von Ihnen genannten Themen", schreibt er an die Adresse von Jarzombek und Albani, schienen "bereits mit dem Vorschlag der Koalitionsfraktionen für die kommenden Ausschusssitzungen abgedeckt zu sein". So sei beispielsweise ein Gespräch zur Lage der Studierenden vorgeschlagen, "in dessen Rahmen ein Austausch zur BAföG- Reform oder dem KfW-Studienkredit passend erscheint. Die Thematisierung des Digitalpakts im Rahmen eines der vorgeschlagenen, bildungspolitischen Gespräche wäre ebenfalls naheliegend." DATI sei mehrmals und erst kürzlich Beratungsgegenstand gewesen. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz erwähnt der Ausschussvorsitzende hingegen nicht.

 

Die Ausschussplanung für die Monate Dezember und Januar steht derweil noch aus. Mal schauen, ob das WissZeitVG darauf auftauchen wird.



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Kommentare: 2
  • #1

    Hannah (Freitag, 10 November 2023 12:45)

    Liebe Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger,

    wieder ein verlorenes Jahr für die 90% der befristet beschäftigten Wissenschaftlichen Mitarbeiter:innen. Ende Juni 2024 (!) ist mein Arbeitsvertrag und die WissZVG-Zeit vieler anderer längst abgelaufen.

    Das Thema war schon vor Ihrem Amtsantritt 2021 eines mit hohem Handlungsdruck. Bis Juni 24 sind dann 2,5 Jahre der Ergebnislosigkeit vergangen. Wenn Sie das Thema nicht lösen können oder wollen, treten Sie zurück!

    Ich gehe dafür am 20.11. beim #Hochschulaktionstag mit vielen weiteren Hannahs auf die Straße!

  • #2

    Bernd Holst (Samstag, 11 November 2023 15:39)

    Vielleicht hat das was damit zu tun, dass im Ministerium Staatssekretäre arbeiten, die sich weniger durch ministerielle Erfahrung auszeichnen als vielmehr durch eine politische Nähe zu Ministerin. Das kann auch hilfreich sein. Allerdings ist es wichtig, dass erste Offiziere sich mit dem Maschinenraum auskennen. Wie ölt man das Getriebe so, dass es nicht nur quietscht, sondern läuft wie geschmiert? Erfahrungsgemäß gibt es da immer wieder Ausfälle