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Nicht auf Kosten der jungen Generation

Dass der Haushaltsausschuss des Bundestages 150 Millionen Euro zusätzlich für eine BAföG-Strukturreform bewilligt hat, ist ein großartiges Signal. Jetzt darf das Erreichte auf keinen Fall wieder zur Disposition gestellt werden. Ein Gastbeitrag von Lina Seitzl.

Lina Seitzl ist SPD-Politikerin und seit 2021 Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie ist Berichterstatterin ihrer Fraktion für das BAföG. Foto: privat.

WENIGER GELD  im Haushalt des Bundesbildungsministeriums für das BAföG und exorbitant hohe Zinssätze beim KfW-Studienkredit: In den vergangenen Monaten rückte die Studienfinanzierung wieder stärker in den Blick öffentlicher Debatten. Gut so, denn allzu oft werden gerade Studierende und ihre Bedürfnisse in unserer Gesellschaft übersehen.  

 

Dass der Haushaltsausschuss des Bundestages in seiner Bereinigungssitzung die dringend erforderlichen Mittel in Höhe von 150 Millionen Euro für die BAföG-Strukturreform bereitgestellt hat, zeigt den klaren parlamentarischen Willen für diese Reform. Jetzt kommt es darauf an, dass in der akuten Haushaltskrise das Erreichte nicht erneut zur Disposition gestellt wird. Die Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger ist jetzt gefordert, Vorschläge für diese Reform schnell ins Kabinett einzubringen. Es kann und darf nicht jedes Mal die junge Generation sein, deren Interessen hintenanstehen müssen. Im Gegenteil: Dass die BAföG-Strukturreform pünktlich zum Wintersemester 2024/2025 an den Start geht, wäre ein wichtiges Signal für unsere Studierenden sowie für den Bildungsstandort Deutschland. 

 

Denn die wirtschaftliche und soziale Lage von Studierenden bleibt in Teilen prekär, wie die aktuelle Studierendenbefragung belegt. So zeichnet sich bei der Studienfinanzierung eine zunehmende Polarisierung ab: Während ein Viertel der Befragten über eine sehr auskömmliche Finanzierung verfügt, muss mehr als ein Drittel mit weniger als 800 Euro monatlich auskommen, 60 Euro unterhalb der für sie vorgesehenen Unterhaltstabelle. Darüber hinaus schlägt die Inflation vor allem bei Menschen mit geringem Einkommen zu Buche, die einen überproportional hohen Anteil ihres Lebensunterhalts für Wohnen und Lebensmittel ausgeben. Das betrifft gerade auch Studierende. Die dramatisch gestiegenen Mietpreise in den Hochschulstädten tragen zusätzlich zu einer erheblichen finanziellen Mehrbelastung bei.

 

In Zeiten des Fachkräftemangels und der Transformation können wir es uns nicht leisten, wenn junge Menschen aus wirtschaftlichen Gründen ihr Studium nicht beenden oder gar davon Abstand nehmen ein Studium zu beginnen, weil sie es nicht finanzieren können. Für den Erfolg des Standorts Deutschland brauchen wir kluge Köpfe, die Innovationen voranbringen. Diese Menschen werden auch an unseren Hochschulen ausgebildet. Deshalb muss die Politik jetzt handeln. 

 

Nicht von Krise zu Krise denken

 

Die Koalition hat in diesem Jahr bereits wirksame Maßnahmen zugunsten Studierender auf den Weg gebracht. Mit der 200-Euro-Einmalzahlung, den Heizkostenzuschüssen und der Ausweitung der Energiepreispauschale auf Minijobs konnten wir spürbar zu ihrer Entlastung beitragen. Doch dürfen wir nicht nur von Krise zu Krise, von Hilfspaket zu Hilfspaket denken. Um studentische Armut wirkungsvoll zu bekämpfen, braucht es strukturelle Antworten. 

 

Das wirkungsvollste Instrument, das uns zur Verfügung steht, ist das BAföG. Hier haben wir gleich zu Beginn der neuen Legislatur eine Novelle auf den Weg gebracht, die Bedarfssätze und Elternfreibeträge erhöht und die Altersgrenzen ausgeweitet. Dennoch dreht sich die Welt seither in rasanter Geschwindigkeit weiter. 

 

Gern werden Studierende mit Ratschlägen abgespeist: Sie "sollen sie halt mehr Nudeln mit Ketchup essen" oder neben einem Vollzeitstudium zu jobben. Aber das verkennt die soziale Lage. Wenn die derzeitige BAföG-Wohnkostenpauschale in nur noch zwei Hochschulstädten zum Leben ausreicht, kann die Antwort nicht sein, dass eben für jene Betroffene nur noch Chemnitz oder Magdeburg in Frage kommt - während die Zulassung zum Medizinstudienplatz in Freiburg vorliegt. Und trotz der teils existentiellen Finanzierungssorgen wird von Studierenden aber gleichzeitig erwartet, ihr Studium in Regelzeit abzuschließen, ihren Lebensunterhalt mit Nebentätigkeiten aufzustocken und nicht zuletzt zur Fachkräftesicherung von morgen beizutragen. Hier gerät die externe Anspruchshaltung mit den derzeitig vorherrschenden Rahmenbedingungen in eine immer stärkere Schieflage. 

 

Was zu einer gleichberechtigten Teilhabe gehört

 

Darum sehe ich es als eine vordringliche politische Aufgabe an, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die die BAföG-Förderung wieder zurück in die Mitte der Gesellschaft rückt. Warum das Existenzminimum analog zum Bürgergeld für Studierende nicht zählen sollte oder warum das BAföG nicht analog zu anderen Sozialleistungen einen regelmäßigen Anpassungsmechanismus erhält, widerspricht einer gleichberechtigen Teilhabe junger Menschen. Das BAföG braucht auch sein strukturelles Update, damit wieder mehr junge Menschen darauf Anspruch haben. Dazu gehört unter anderem die Ausweitung der Förderhöchstdauer ebenso wie die einfachere Möglichkeit das Studienfach zu wechseln zu können – ohne den BAföG-Anspruch zu verlieren. 

 

Wir brauchen die Investitionen in die klugen Köpfe unseres Landes genauso wie die Investitionen in neue Technologien, in den Klimaschutz und in die Infrastruktur. Denn die klugen Köpfe sind die Software, ohne die uns alle Hardware materieller Investitionen wenig nützt. Jeder Euro, den wir jetzt bei ihnen einsparen, wird uns später teuer zu stehen kommen. 



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