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Gut gegangen

Bund und Länder haben sich mit drei Wochen Verspätung auf die Fortführung des HAW-Forschungsprogramms geeinigt. Eine gute Nachricht für die Hochschulen – und für die Wissenschaftspolitik insgesamt.

DIE WICHTIGSTE NACHRICHT des Tages für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften (HAW): Die Verlängerung ihres Forschungsprogramms steht. Natürlich unter dem derzeit nicht ganz unerheblichen Vorbehalt, dass der Bundeshaushalt 2024 demnächst beschlossen wird, und zwar inklusive der im Entwurf enthaltenen Millionen für die HAW. Mit der am Montagnachmittag verkündeten Einigung von Bund und Ländern in der Sondersitzung der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) endet somit die Hängepartie der vergangenen Wochen – zumindest, siehe Haushaltskrise, der Teil, auf den die Wissenschaftsminister von Bund und Länder Einfluss nehmen können.

 

Der GWK-Vorsitzende, Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) hatte insofern Recht, als er in der begleitenden Pressekonferenz von einem "wichtigen Signal in diesen herausfordernden Zeiten" sprach, dass Bund und Länder in schwierigen Zeiten gemeinsam handlungsfähig seien. Ob allerdings Blumes gleichzeitige Formulierungen von einem "echten Paukenschlag für die deutsche Forschungslandschaft"  und einem "echten Mehr" doch etwas groß geraten sind, kann man angesichts der Eckwerte der Einigung durchaus fragen.

 

Insgesamt 528 Millionen Euro stecken Bund und Länder gemeinsam in den Fortsetzung des Programms, davon sind sind bis zu 493 Millionen für die direkte Forschungsförderung vorgesehen. Macht auf die mit sieben Jahren erfreulich lange Laufzeit bis 2030 rechnerisch 70,4 Millionen pro Jahr. Eine Steigerung um gut zehn Millionen im Vergleich zum bisherigen Jahresvolumen für die Jahre 2019 bis 2023. Wobei zur Vollständigkeit gehört: Rechnet man die Geldentwertung der vergangenen vier Jahre ein, bleibt real nicht viel Zuwachs übrig.

 

Vielleicht ist das aber dann doch etwas kleinkariert angesichts des Umstandes, dass die Vereinbarung bis vor kurzem noch ganz auf der Kippe stand. Hatten sich Bund und Länder doch in kaum vereinbar erscheinende Verhandlungspositionen hineinmanövriert: Das BMBF bestand lange auf der Umsetzung des Ampel-Kabinettsbeschlusses, dass der Finanzierungsanteil des Bundes bei neuen Maßnahmen, bei denen der Bund die Länder unterstütze, nur noch maximal 50 Prozent betragen dürfe. Und die Landesfinanzminister hatten bei ihrer Sitzung in Brüssel erst kürzlich darauf beharrt: Auf keinen Fall dürften in der neuen Vereinbarung zum HAW-Programm, und sei es nur für ein einziges Jahr der Laufzeit, die 50 Prozent stehen, um keinen Präzedenzfall für andere Vereinbarungen zu schaffen. 

 

Alles eine Frage
der Kommunikation

 

In der Pressekonferenz nach dem Ampel-Kabinettsbeschluss gefragt, antwortete Bundesforschungsministerin (und GWK-Kovorsitzende) Bettina Stark-Watzinger (FDP) ausweichend, Bund und Länder hätten gemeinsam mehr für die HAW erreicht, beide Seiten hätten sich aufeinander zubewegt. Und sie betonte darüber hinaus: "Dass wir eine Einigung zur Weiterentwicklung und Fortsetzung erzielen konnten, zeigt, welche herausgehobene Bedeutung das Programm und damit die angewandte Forschung für uns hat."

 

Ganz ähnlich hörte sich das bei Markus Blume an: Es sei am Ende nicht mehr um Prozentanteile gegangen, die Länder brächten in jedem Fall künftig einen "signifikanten Anteil" der 528 Millionen auf. Konkret: knapp 83 Millionen Euro. Was rund 15,7 Prozent entspricht und in der Tat ein großen Unterschied zur bisherigen Kostenverteilung (Bund: 100 Prozent, Länder 0 Prozent) bedeutet – und auch mehr als die zehn Prozent, die die Landesfinanzminister ihrerseits lange zu geben bereit waren. In Wirklichkeit ist die Kostenverteilung freilich noch viel komplizierter, weil altes und neues Programm in der finanziellen Abwicklung ineinanderlaufen. 

 

Jedenfalls hatte man offenbar miteinander vereinbart, sich öffentlich keinen kommunikativen Schlagabtausch über die Frage zu liefern, wer denn nun am Ende seine Maximalposition hat räumen müssen. Eine kluge Entscheidung. Freilich wäre es noch klüger gewesen, wenn die Finanzseite die Wissenschaftspolitik gar nicht erst in solch eine Bredouille hineingebracht hätte. 

 

Auf nochmalige Nachfrage ergänzte Stark-Watzinger, Bund und Länder hätten sich auf ein Stufenmodell geeinigt, bei dem sich die Anteile der Länder über die Jahre hinweg erhöhten. Aber wie genau? Die Bund-Länder-Vereinbarung, auf die Blume und Stark-Watzinger in der Pressekonferenz für die Details verwiesen, war zunächst auf der GWK-Website noch nicht abrufbar.

 

Hamburgs Finanzsenator: Kein Präjudiz
für andere Förderverfahren

 

Klar ist indes: Der Bund ist über die sieben Jahre hinweg mit durchschnittlich 63 Millionen Euro pro Jahr dabei, er hält damit seine bisherige Finanzierungshöhe in der Summe über die Gesamtlaufzeit wie versprochen stabil. Die 2024er-Finanzierung übernimmt er sogar noch allein, weil für das Jahr in den Landeshaushalten noch kein Geld vorgesehen ist – und weil 2024 noch viel Geld für bis Ende 2023 im Vorgängerprogramm beantragte Projekte fließt. In den Jahren 2025 bis 2030 werden die Länder wegen des Stufenplans gegen Ende der Laufzeit stark steigende Summen drauflegen. Bis zu 50 Prozent im Jahr 2030? 

 

Auf Seiten der Landesfinanzminister, die gleichberechtigte Mitglieder in der GWK sind, hatte Hamburgs Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) die Verhandlungen koordiniert. "Wir haben im Interesse der Sache intensiv um eine pragmatische Lösung gerungen", sagte er am Nachmittag. Letztlich sei es gelungen, "in finanzpolitisch extrem herausfordernden Zeiten die wissenschaftspolitisch bedeutsame Förderung der Profilbildung von Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in der Forschung fortzuführen".  Und dann kam doch die Bemerkung zu der 50-Prozent-Agenda der Ampel: "Ohne Präjudiz für andere Förderverfahren haben wir dazu heute nach Abstimmung mit den Finanzministerien der Länder für dieses Programm grünes Licht gegeben."

 

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sagte, "gerade in diesen Zeiten" seien Investitionen in Wissenschaft und Forschung "wichtiger denn je, um die Innovationsfähigkeit unseres Landes zu erhalten – das sollten auch alle bedenken, die jetzt in Berlin über die Haushalte beraten".

 

Zu den inhaltlichen Neuerungen am HAW-Programm zählt laut BMBF-Chefin Stark-Watzinger, dass es ein regelmäßiges Monitoring  zum Erreichen der Programmziele geben soll. Im BMBF-Haushalt wurde die HAW-Forschungsförderung bereits 2023 in die Titelgruppe der geplanten Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) überführt. Was diese Einbindung praktisch für die Programmabwicklung bedeuten wird, dazu äußerte sich Stark-Watzinger zunächst noch nicht. Geplant ist in der neuen Programmphase aber ein Nebeneinander themenoffener Forschungsförderung und der Möglichkeit, zu aktuellen Bedarfen kurzfristig Förderlinien mit thematischen Schwerpunkten aufzusetzen.

 

Die Hochschulen für angewandte Wissenschaften begrüßten den GWK-Beschluss. Auch freuten sie sich, dass Blume und Stark-Watzinger sich in der Pressekonferenz deutlich zur hohen Bedeutung der angewandten Forschung und des Transfers an HAWs geäußert hätten, hieß es in einer Stellungnahme des Sprecherkreises der HAW in der Hochschulrektorenkonferenz. 

 

Gleichwohl bleibe das Gesamtvolumen deutlich hinter den von den HAWs geforderten 150 Millionen Euro jährlich zurück und "versetzt sie nicht in die Lage, ihr enormes Potenzial in der anwendungsorientierten Forschung zur Lösung der großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen deutlich stärker als bisher auszuschöpfen". Die Hochschulen setzten ihre Hoffnung für die Zukunft auf die sich gegenseitig verstärkende Wirkung von angewandter Forschung durch die HAW-Forschungsprogramm und die separate Transferförderung die DATI, "die insbesondere den Bedarfen der HAWs gerecht werden soll".

 

GWK beschließt Aktionsplan
gegen Antisemitismus 

 

In ihrer GWK-Sitzung verurteilten die Minister zugleich mit Entschiedenheit "alle antisemitischen Vorfälle an wissenschaftlichen Einrichtungen in Folge des barbarischen Terrorangriffs der Hamas gegen Israel". Bund und Länder seien sich einig, dass Hochschulen und Forschungseinrichtungen sichere Orte für Bildung und Forschung sein müssten, "in denen Antisemitismus, Hassreden und Rassismus nicht geduldet werden und gegen Rechtsverstöße entschieden vorgegangen wird". Die GWK beschloss, gemeinsam einen Aktionsplan zu erarbeiten, der im Rahmen der nächsten Sitzung der Kultusministerkonferenz beraten werden soll. Diese findet schon in zehn Tagen statt.

 

"Wir sind uns einig: Jüdinnen und Juden in Deutschland müssen sich sicher fühlen können – auch und gerade an unseren Hochschulen", sagte Markus Blume. Die Hochschulen seien Orte gelebter Demokratie, der Toleranz und der Vielfalt sowie Lernorte für Zivilcourage. "Wir lassen deshalb nicht zu, dass unter dem Deckmantel der Wissenschaftsfreiheit Antisemitismus verbreitet wird." Bettina Stark-Watzinger sagte, durch den "Zivilisationsbruch" des Hamas-Terrorangriffs sei "ein schamloser Antisemitismus auch an Hochschulen in Deutschland sichtbar geworden. Das ist unerträglich und wir müssen uns dem klar entgegenstellen."

 

 

Nachtrag am 28. November:

So sieht der Stufenplan aus

Wie Bund und Länder den 50-Prozent-Konflikt lösten – und warum im Jahr 2030 nur noch 60 Millionen in die Projektförderung gehen

Jetzt ist die am Montag in der GWK abgeschlossene neue Bund-Länder-Vereinbarung online. Unter Paragraph 5 findet sich denn auch das, worüber weder Blume noch Stark-Watzinger in der Pressekonferenz im Detail sprechen wollten: die Ausbuchstabierung des Stufenplans. Und tatsächlich: Der Länderanteil an den neu zur Verfügung gestellten Fördermitteln steigt von 0 Prozent (2024) über 2,2 Prozent (2025), 6,8 Prozent (2026), 13,7 Prozent (2027), 20 Prozent (2028) und 25 Prozent (2029) auf 50 Prozent im letzten Jahr der Laufzeit, 2030, an. 

 

Allerdings stehen die Prozentwerte, wohl ganz bewusst, nicht in der Vereinbarung, sondern nur die absoluten Zahlen. Klar wird aber auch so, weshalb Hamburgs Finanzsenator Dressel das mit dem "Kein Präjudiz" am Montag so hervorgehoben hatte.

 

Ganz echt sind die 50 Prozent Länderanteil im letzten Jahr allerdings nicht, denn die Kosten für das Programmmanagement und das in der Form neue programmbegleitende Monitoring trägt der Bund laut Vereinbarung allein. Dieser Ausgabenposten ist über die gesamte Laufzeit mit 35 Millionen berechnet, beträgt also rechnerisch sieben Millionen pro Jahr. Was, auf die Gesamtausgaben fürs Jahr 2030 bezogen, den Bundesanteil wiederum auf gut 55 Prozent erhöhen würde.

 

Eigentlich der perfekte Kompromiss, weil so beide Seiten intern sagen können, sie hätten ihr Ziel erreicht. Was allerdings aus Sicht der HAWs bitter ist: Der Bund fährt seine Beteiligung parallel zum stark steigenden Länderanteil von 2029 an drastisch zurück. 2030 gibt er so nur noch 30 Millionen in die Projektförderung, das Programmvolumen insgesamt sinkt dann auf 60 Millionen Euro (plus Abwicklungskosten) ab. Die höchste Jahrestranche wird 2028 mit 81,25 Millionen Euro erreicht. 



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Kommentare: 2
  • #1

    Zukunft (Dienstag, 28 November 2023 14:50)

    Liege ich richtig in der Annahme, dass es für #ichbinhanna immer unattraktiver wird, in so einem unterfinanzierten Bereich zu arbeiten? Am Ende fragt keiner mehr, warum die Rente einer #ichbinhanna so niedrig ist. Vielleicht führen diese Kürzungen ja zum Umdenken bei den Univerantwortlichen. Zu holen gibt es nichts mehr in der Wissenschaft.

  • #2

    Forschungsreferent (Mittwoch, 29 November 2023 17:37)

    Was für ein Popanz um ein Förderprogramm für HAW ("Schonraum")!? Der politische Stellenwert steht in keinem Verhältnis zur finanziellen Ausstattung des Programms.

    Das Programm war mit seinen inhaltlich aufgeblasenen Förderlinien (zuletzt de facto nur noch FH-Kooperativ) und überzogenen (asymmetrischen) Anforderungen an die Vorhaben in der letzten Runde nicht mehr wirklich attraktiv.

    Und es war wie so viele Programme wahnsinnig überzeichnet (bei 50 Mio. p. a. für neue Projekte und Obligo).

    ich behaupte: In den Drittmittelbilanzen von HAW spielt das Programm keine zentrale Rolle mehr. Was auch ein gutes Zeichen ist. Man sollte es daher nicht zu hoch hängen.

    Die große Chance ein generisches und schlankes Förderinstrument – gerne offen für alle Hochschultypen – für anwendungsorientierte Forschung in der Bundesrepublik wurde im Rahmen der DATI verspielt.

    Das Programm "Forschung an Fachhochschulen" wird das nicht annährend auffangen.