Die Kultusministerkonferenz berät über ihre eigene Zukunft. Was dabei herauskommen könnte und warum die Wissenschaftsminister es möglicherweise besonders eilig haben.
TRETEN DIE WISSENSCHAFTSMINISTER aus der Kultusministerkonferenz aus? Tatsächlich war das vor dem letzten KMK-Ministertreffen in diesem Jahr eine reale, wenn auch unwahrscheinliche Option. Dass sich indes etwas Grundsätzliches ändern würde in der Struktur der Ministerkonferenz, da waren sich die verantwortlichen Politiker vor Beginn der Sitzung am Donnerstagnachmittag einig. Die Frage war nur: wann und wie.
Von 16 Uhr an saßen die Kultusminister zusammen, um sich den Bericht der sogenannten, eigens eingesetzten KMK-Strukturkommission anzuhören, Thema: der schonungslose Abschlussbericht der Evaluation der Kultusministerkonferenz, den diese vergangenes Jahr selbst bei der Unternehmensberatung Prognos in Auftrag gegeben hatte. Diesmal ging es aber weniger um die – in weiten Teilen wenig schmeichelhafte – Bestandsaufnahme als um mögliche Schlussfolgerungen daraus, von denen Prognos der KMK gleich zwölf in Form von Empfehlungen ins Stammbuch geschrieben hatte.
Darunter die Konzentration ihrer Gremienarbeit auf die Vorbereitung verbindlicher Beschlüsse und die Einführung eines Monitorings, ob diese Beschlüsse dann auch überall umgesetzt werden; eine strategische, mehrjährige Vorhabensplanung, eine schlankere und flexiblere Gremienstruktur, eine klare Rollen- und Zielbestimmung sowie eine Organisationsreform für die KMK-Verwaltung, das Sekretariat – und die Erhöhung der Selbstständigkeit des Bereichs Wissenschaft und Hochschule.
Ausbuchstabieren bis März
Die daraus abgeleiteten Empfehlungen der Strukturkommission in Form von Eckpunkten wollten die Kultusminister erstmal zur Kenntnis nehmen und diskutieren, um dann voraussichtlich einen weiteren Arbeitsauftrag an die Kommission zu beschließen, nach dem Motto: Bis März buchstabiert ihr uns aus, welche konkreten Maßnahmen, abgeleitet aus der Evaluation und den Eckpunkten, aber auch darüber hinausgehend, wir als KMK wie umsetzen könnten. Offenbar sehr kurzfristig Nägel mit Köpfen machen wollten allerdings die Wissenschaftsminister, die schon vor den Kultusministern allein zusammengesessen hatten. Vielleicht schon während dieser KMK.
Die wahrscheinlichste Option: die Einrichtung einer eigenen Wissenschaftsministerkonferenz, aber nicht vollkommen unabhängig, sondern wie die bereits 2018 eingerichtete Kulturministerkonferenz unter dem Dach der KMK. Es wäre die Vermeidung des ganz großen Schisma, um die Zusammenarbeit zwischen Schul- und Wissenschaftsseite da zu erhalten, wo sie künftig und gerade jetzt – Beispiel Lehrkräftebildung – vonnöten ist. Gleichzeitig aber mit einem hohen Grad an Autonomie: mit teilweise eigenem, der Wissenschaftskonferenz zugeordnetem Personal zum Beispiel – was übrigens dann künftig genauso für die Kulturministerkonferenz gelten soll. Es wäre das bisher sichtbarste Zeichen, dass die KMK tatsächlich nicht nur über einen Umbruch ihrer Strukturen redet, sondern ihn auch betreibt.
Was die übrigen Prognos-Empfehlungen und die daraus abgeleiteten Eckpunkte der Strukturkommission angeht, soll diese, wenn es denn von den Ministern so beschlossen wird, bis März nicht nur den Fahrplan zur weiteren KMK-Reform ausarbeiten. Parallel soll es erneut eine Ausschreibung geben, auf die sich Unternehmensberatungen bewerben können, Inhalt: die professionelle Begleitung der KMK bei der Umsetzung ihres Selbstumbaus.
Bei der nächsten KMK im März würde der Zuschlag erteilt, und es könnte losgehen auf der Grundlage des dann vorliegenden Maßnahmenpakets. Und dann, sagen manche in der KMK, gehe der eigentliche Reformprozess erst los. Kommt dann etwa endlich auch die von vielen Beobachtern seit langem als zentral erachtete Frage der Abstimmungsmodalitäten innerhalb der KMK aufs Tapet – weg vom in weiten Teilen immer noch vorherrschenden Einstimmigkeitsprinzip? Was ist mit der Rolle des Generalsekretärs, und wird er oder sie künftig nur noch auf Zeit gewählt statt unbefristet? Und wäre es umgekehrt nicht nötig und richtig, die Dauer der KMK-Präsidentschaft auf mehrere Jahre zu verlängern, damit sie – auch öffentlich – wirksamer werden kann?
Startchancen-Vereinbarung erst im neuen Jahr
Enttäuschung gibt es dagegen in anderer Hinsicht. Die Kultusminister wissen schon seit einer ganzen Weile, dass aus dem im Herbst bekräftigten Ziel, zu dieser KMK die fertige Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund zum geplanten Startchancen-Programm vorzulegen, nichts wird. Zu viele Fragen sind nach der etwas unrund gelaufenen Einigung auf Eckpunkte im September noch offen – so viele, dass man sich jetzt auf Ende Januar als neuen Zieltermin verständigt hat. In welcher Form man dies wohl der Öffentlichkeit gegenüber kommunizieren wird? Und welche Folgen hat das für den vorgesehenen Start der Startchancen zum August 2024, wenn die Zeit immer knapper wird? Umgekehrt heißt es ohnehin weiter zittern, da, wie heute bekannt wurde, der Bundeshaushalt 2024 offenbar ohnehin erst im neuen Jahr beschlossen wird.
Weiter in der Schwebe ist auch immer noch die Fortsetzung des Digitalpakts, finanziell wie inhaltlich. Immerhin hat der Bund inzwischen den Ländern einen Vorschlag für eine Verwaltungsvereinbarung präsentiert, wobei dieser, Stichwort 50-50-Finanzierung, noch weit weg ist von dem, was die Länder ihrerseits hinzuzugeben bereit oder in der Lage sind.
Und dann ist da noch das Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) der KMK zur Zukunft der Lehrkräftebildung, das am Freitagmittag der Öffentlichkeit vorgestellt wird und den Reigen komplettiert: In einer weiteren Veröffentlichung Anfang des Jahres hatte sich die SWK bereits zum Umgang mit dem Lehrkräftemangel geäußert, im Sommer hatte der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zum Lehramtsstudium Mathematik vorgelegt, und vor wenigen Wochen der Stifterverband einen weiteren, sehr ambitionierten Katalog. Am Freitag werden die Kultusminister freilich nicht viel mehr tun, als der SWK freundlich für ihre Arbeit zu danken, dieses und jenes zu kommentieren und ansonsten aufs kommende Jahr verweisen, zum Beispiel auf den März: Dann nämlich wollen sie ihren eigenen Aufschlag zur Zukunft der Lehrerbildung beschließen.
Es wird also ziemlich viel "Im nächsten Jahr dann" gesagt werden bei dieser Kultusministerkonferenz. Bis auf, siehe oben, womöglich bei den Wissenschaftsministern. Deren Lust auf Neues scheint aber auch besonders groß zu sein.
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