Wird die DATI-Gründung doch noch zur Erfolgsgeschichte? Was das Ministerium von Bettina Stark-Watzinger endlich richtig macht, welche Unsicherheiten bleiben – und was vorher alles falsch lief: eine aktuelle Bestandsaufnahme.
ALS KURZ VOR WEIHNACHTEN die Entscheidung für Erfurt fiel, war kaum einer überrascht. Dass die geplante Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (DATI) in der thüringischen Landeshauptstadt angesiedelt werden könnte, machte schon monatelang die Runde, bevor das BMBF im Oktober 2023 die Besetzung der DATI-Gründungskommission bekanntgab. Zu deren Aufgaben die Entwicklung von Vorschlägen unter anderem für den Standort gehören sollte.
Ein Zeichen dafür, dass die Kommission, bestehend aus 16 Experten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft, tatsächlich mehr Feigenblatt als Impulsgeber ist, der Scheinlegitimation bereits feststehender DATI-Pläne im BMBF dient? Zu einer solchen Vermutung konnte auch kommen, wer eine interne, inhaltlich durchaus gelungene Arbeitsversion des Agenturkonzepts las, die – datiert auf den 27. September 2023 – schon für den November die Befassung des Bundeskabinetts mit dem finalen Konzept vorsah. Auch an der Zusammensetzung des Gremiums gab es Kritik vor allem von den HAWs, die sich als Urheber der DATI-Idee seit langem zunehmend an den Rand gedrängt fühlten.
Viel Optimismus
und gute Stimmung
Inzwischen hat die Gründungskommission sich viermal getroffen, sie hat Arbeitsgruppen unter anderem zu Governance und Förderformaten gebildet, und wer jetzt in die Gruppe der 16 hineinhorcht, erlebt erstaunlich viel Optimismus und gute Stimmung. Man ist ins Arbeiten gekommen, der Konflikt zwischen HAWs und Universitäten ist nicht weg, aber leiser (siehe auch Kasten), man fühlt sich vom BMBF ernstgenommen, und falls es im Ministerium einst den Plan gegeben haben sollte, die Empfehlungen der Kommission als netten Beischmuck abzutun, ist es damit definitiv vorbei.
Was auch daran zu erkennen ist, dass das BMBF das Bundeskabinett bis heute eben nicht mit einem fertigen Konzept befasst hat. Währenddessen hat die Gründungskommission den Text der Ausschreibung für den wissenschaftlichen Chefposten der DATI fertiggestellt und in ihrer vierten Sitzung am Dienstag beschlossen. Sobald der Bundeshaushalt steht, dürfte sie veröffentlicht werden. Und was die Standortwahl angeht: Zwar hat diese am Ende wie vorgesehen die Politik getroffen. Aber zuvor hatte die Kommission Erfurt selbst auf ihre in einem mehrstufigen Verfahren entstandene, in geheimer Abstimmung verabschiedete finale Vierer-Vorschlagsliste gesetzt, weil die Stadt – neben anderen – etwa in Sachen Erreichbarkeit und wirtschaftlichem Umfeld einfach gut passte. Die Konkurrenten waren Bochum, Dortmund und Potsdam.
"Das BMBF befindet sich in der Finalisierung des Konzepts und wird dies nach der Koordinierung mit den Ressorts dem Kabinett vorlegen", teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Die Verzögerung begründet sie mit der laufenden Pilot-Förderrichtlinie DATIpilot. Das Konzept solle deren Erkenntnisse, "insbesondere im Rahmen des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens, substanziell mit miteinbeziehen und wurde entsprechend erweitert".
Was unterwegs
alles schiefging
Nach mittlerweile fast zwei Jahren Irrungen und Wirrungen um die DATI, angefangen mit den ersten, "Grobkonzept" genannten Eckpunkten des damaligen BMBF-Staatssekretärs Thomas Sattelberger (FDP) im März 2022, könnte es also doch noch ein Happy End geben. Mit der Gründung nicht irgendeiner Agentur, sondern einer Einrichtung, die wirklich Neues ermöglicht, vor allem andere Entscheidungsverfahren in der Transfer- und Innovationsförderung. Wie bitter nötig ein solcher unabhängig vom Ministerium agierender Player wäre, zeigt ausgerechnet die vom Ministerium über weite Strecken verpeilte DATI-Konzeptions- und Gründungsphase. Denn dass es jetzt besser läuft, kann nicht über die vielen Prozessfehler zuvor hinwegtäuschen.
o Nach dem Vorpreschen Sattelbergers und seinem Abschied als Staatssekretär Mitte 2022 versuchte sein Nachfolger Mario Brandenburg (ebenfalls FDP) zunächst, Struktur ins Verfahren zu bringen und die Community über verschiedene Konferenzen und Formate zu beteiligen. An sich gut, doch blieben die Erwartungen etwa zwischen HAWs und Universitäten konträr, und der Handlungsdruck aus der Wissenschaftsszene stieg weiter an, je länger konkrete Ansagen auf sich warten ließen.
o Um Dampf aus dem Kessel zu nehmen, kündigte Brandenburg im November 2022 eine aus zwei Modulen bestehende Pilotförderlinie an, um bereits Förderformate zu testen und Fördergelder zu vergeben, bevor die DATI überhaupt existierte. Ähnlich war das BMBF in der vergangenen Legislaturperiode vor Gründung der Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) vorgegangen.
o Statt spätestens mit Ankündigung von "DATIpilot" die Gründungskommission einzuberufen, dokterte man fast ein weiteres Jahr am Gründungskonzept herum, was angesichts der jetzt erkannten Bedeutung der Kommission als weiterer Zeitverlust einzustufen ist. Als die Gründungskommission schließlich berufen wurde, blieb das Verhältnis zwischen ihrem Wirken und den konzeptionellen Arbeiten im BMBF zunächst unklar.
o Die Förderlinie, die dann erst Anfang Juli 2023 ausgeschrieben wurde, nahm wiederum mehr Zeit als geplant in Anspruch, verschärft durch eine Fehleinschätzung im BMBF zu ihrer Resonanz. Die erfreulich große Themenoffenheit bei der Ausschreibung und die hohe Projektdotierung (150.000 Euro, bei zwei Partnern 300.000 Euro) resultierten beim Modul "Innovationssprints" in knapp 3000 Antragsskizzen, die im Rahmen einer Vorauswahl erst mühsam auf 600 Bewerbungen heruntergebracht werden mussten. Fast alle davon präsentieren sich noch bis Februar in Form innovativer Roadshows. Dabei soll es insgesamt 150 Publikumssieger geben, erste Förderzusagen davon sind schon raus, weitere 150 Projekte werden Anfang März per Losverfahren bestimmt.
o Das BMBF brauchte so viel Zeit für Konzept und "DATIpilot", dass es 35 DATI-Millionen aus dem Haushalt 2023 verfallen ließ, denn der Bundestagshaushaltsausschuss hatte für deren Entsperrung das Vorliegen eines "schlüssigen Konzepts" verlangt. Angesichts der enormen Resonanz auf die "Innovationssprints"-Ausschreibung hätte die Community das Geld gut nutzen können. Eine BMBF-Sprecherin teilt mit, die benötigten Mittel stünden vorbehaltlich der Beschlussfassung über den Bundeshaushalt 2024 zur Verfügung. Die 2023-Millionen sind also passé. Und die geplanten 78,8 Millionen für 2024 könnten knapp werden.
o Positiv: Wie der Wissenschaftsjournalist Manfred Ronzheimer im Tagesspiegel Background berichtete, wurde nach der überraschend hohen Bewerberzahl der Fördertopf auf 90 Millionen Euro verdreifacht. Negativ: Die Roadshows fanden unter Ausschluss der Medien statt, laut Ronzheimer verweigerte das BMBF "aus Datenschutzgründen" sogar die Auskunft, welche Projekte bereits eine Förderzusage erhalten haben.
o So erfreulich anders die Endauswahl bei den "Innovationssprints" lief, so wenig transparent war die Vorauswahl. Die Ausschreibung nannte als Kriterien die "Originalität", die "gesellschaftliche Relevanz" und die "Umsetzbarkeit in der gegebenen Zeit", doch zu ihrer konkreten Operationalisierung macht das BMBF auch auf Nachfrage keine Aussage. Die aufgeführten Kriterien seien "so angelegt, dass sie eine themenoffene und gleichzeitig qualitativ überzeugende Auswahl von Projekten gewährleisten", heißt es. Sie seien mit gleicher Gewichtung in die Bewertung der Kurzskizzen eingeflossen. Als "grundsätzlich förderwürdig" seien Projektideen eingestuft worden, die alle drei Kriterien sehr gut erfüllten. Aber was genau bedeutet das? Wie erkennt man Originalität? Die, so BMBF, "strukturierte Vorauswahl sei durch den Projektträger Jülich umgesetzt worden, "in enger Abstimmung" mit dem Ministerium, "wie es bei der Umsetzung vieler BMBF-Förderrichtlinien üblich und bewährt ist". Tatsächlich sind aber auch bei BMBF-Ausschreibungen sehr häufig Peer-Review-Verfahren einbezogen.
Warten auf den
Bundeshaushalt
Vielleicht führt der Plan des BMBF, Erkenntnisse aus "DATIpilot" noch ins erweiterte Konzept einfließen zu lassen, ja auch genau dazu, die Unzulänglichkeiten der bisherigen Prozesse zu erkennen – die Empfehlungen der Gründungskommission möglichst vollständig umzusetzen und anschließend der Agentur möglichst freie Hand zu lassen. Der diesbezügliche Optimismus unter etlichen der 16 Experten spricht für das Ministerium von Stark-Watzinger und dessen eigene Lerneffekte.
Eigentlich bis März, voraussichtlich aber eher bis April will die Kommission ihre Arbeit abschließen. Dann könnte auch bereits feststehen, wer die DATI führen wird. Eine große Unsicherheit bleibt jedoch: Erst Anfang Februar steht der BMBF-Haushalt für 2024 endgültig. Und was ist, wenn die DATI im Laufe des Jahres doch noch vom zusätzlichen 200-Millionen-Spardruck durch die Globale Minderausgaben betroffen wird? Die Ministerin und ihr Staatssekretär Mario Brandenburg werden den zuletzt so erfolgreichen Vertrauensaufbau energisch fortsetzen müssen.
Wie es bei "DATIpilot" weitergeht
Auch beim Modul "Innovationscommunities" hat es mit über 480 derart viele eingereichte Skizzen gegeben, dass sich das Auswahlverfahren zieht und wieder eine
rekordverdächtig niedrige Bewilligungsquote entstehen dürfte. Denn eigentlich sollen nur zehn zum Zuge kommen, für die es jeweils bis zu fünf Millionen Euro für die Dauer von vier Jahren
geben soll.
Im Frühjahr soll die Vorauswahl laufen, analog zu den Sprints. Doch es geht anders weiter. Die 70 verbliebenen Antragsteller mit den am vielversprechendsten
eingestuften Skizzen sollen im April zu einer Präsentation vor
dem BMBF und einer extern
besetzten Jury eingeladen werden. "Auf Basis der Vorbewertung und der Bewertung der Präsentation erfolgt die finale Auswahl" erläutert das BMBF, mit Entscheidung und Förderzusage werde Ende April gerechnet. Die ausgewählten Communities können dann von Mai an formale Förderanträge für konkrete Projekte stellen.
Der Ärger vieler HAWs, sie seien als Ideengeber der DATI von den Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen an den Rand worden, schien zuletzt anhand einer Quote von über 40 Prozent bei Bewerbungen und erfolgreicher Vorauswahl ein Stückweit abzukühlen.
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A German in Boston (Donnerstag, 11 Januar 2024 09:50)
"Gute Stimmung" herrscht also. Gute Entscheidungen wären besser. Wenn DATI die hohen Erwartungen erfüllen soll, muss diese Agentur Fachleute aus dem Ausland anlocken. SPRIND hat das nicht geschafft und leidet schwer darunter. Warum sollten nun aber Amerikaner aus, sagen wir, Boston, wo der Transfer um Größenordnungen besser läuft als in Deutschland, nach Erfurt umziehen wollen -- eine provinzielle Mittelstadt, von der sie nie gehört haben? In einem Bundesland, in dem die AFD bundesweit Spitzenwerte erzielt? Mit einer Universität, die weder eine natur- noch eine ingenieurswissenschaftliche Fakultät aufweist, von einer Unimedizin ganz zu schweigen?
Eine Wurzel des Übels dürfte sein, daß auch diese Gründungskommission rein deutsch besetzt wurde, und noch dazu ganz überwiegend mit Insidern.
Eina andere Wurzel ist offensichtlich ein altes Laster des BMBF: Die Vermengung von Innovations- mit Regionalförderung. Aus den vielen Fehlschlägen, die daraus entstanden sind, hat man leider nichts gelernt.
Wenn DATI mit solchen Anfängerfehlern an den Start geht, kann man getrost davon ausgehen, daß hier eine weitere Subventionsruine heranwächst.
Norbert Esser (Samstag, 13 Januar 2024 08:22)
DATI braucht niemanden aus Boston. Es braucht jemanden, der weiß wie Transfer in Deutschland läuft bzw. nicht läuft. Und es wird sich erst noch zeigen, welche Rolle die Hochschulen spielen werden. Hoffen wir auf eine "Quantensprung". Und mangelnde Transparenz war und bleibt ein Quell des Misstrauens bei Förderentscheidungen der Projektträger. Hier bräuchte es neue Wege.
Aspergillus (Sonntag, 14 Januar 2024 21:20)
Datenschutz, sehr fadenscheinig. Das IFG und die Rechtsprechung dazu sind ein klarer Weg, an Details zum Auswahlverfahren zu kommen.
A German in Boston (Montag, 15 Januar 2024 07:44)
"DATI braucht niemanden aus Boston. Es braucht jemanden, der weiß wie Transfer in Deutschland läuft bzw. nicht läuft."
Genau diese Haltung hat dazu geführt, dass trotz zahlreicher Initiativen mehrerer Bundes- und Landesministerien der Transfer in Deutschland --Jahrzehnte später-- noch immer nicht läuft. Wenn man bessere Ergebnisse als in der Vergangenheit haben möchte, muss man frisches Denken und mehr Kompetenz zulassen.
Ein Fallbeispiel: 1993 wollte die Regierung Israels etwas für Start-ups tun. Auch damals wird es die Versuchung gegeben haben, einfach mehr Geld in bestehende Strukturen zu kippen. Also Großes anzukündigen, aber tatsächlich weiter im eigenen Saft zu kochen. Stattdessen lockte Yozma gezielt ausländische VC-Firmen ins Land mit erheblichen Anreizen. Heute gilt Israel als "Start-up Nation" und hat überdies --auch ganz anders als Deutschland-- eine florierende VC-Landschaft.
A. Freund (Dienstag, 16 Januar 2024 10:06)
Wenn die Deutschen mit dem DATI so weitermachen wie bisher, dann wird es nicht zu dem Erfolg führen, für den es verkauft wird. Wie ein Vorgänger schrieb, war die Einberufung einer rein deutschen Gründungskommission mit überwiegend "Insidern" der erste Misserfolg. Anstatt die besten Experten des Transfers aus führenden Staaten einzuladen, um zum Wohle des Landes an dem Prozess teilzunehmen, haben wir eine Fortsetzung der hiesigen Art, Dinge zu tun... Wenn die deutschen "Experten" so gut sind, warum ist dann der Transfer in Deutschland so schlecht? Sie hatten viel Zeit, ihr Handeln zu verbessern.
Und Zeit ist etwas, wovon Deutschland sehr wenig hat. Und so haben wir einen Prozess, der kaum ein "Wumms" ist, sondern eher ein "ächzen". Und ein unterfinanzierter noch dazu.
Und die "mangelnde Transparenz der Projektträger" bei Förderentscheidungen ist ein Ablenkungsmanöver - die Projektträger müssen entbürokratisiert werden damit sie schnelle handeln können.
Was das Hoffen auf einen "Quantensprung" angeht, wie ein Vorkommentator schrieb, kann ich nur den Kopf schütteln. Wir reden hier über eine Maßnahme, die Investitionen in Milliardenhöhe betreffen könnte und damit auch die technologische Zukunft Deutschlands.
Daumendrücken und Hoffen, wie in der Führungsetage des BMBF, nützt da gar nichts. Hier ist anständige und ehrliche Politik gefragt - nicht Vetternwirtschaft oder Insiderökonomie.