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"Ein umfassender, wissenschaftsbasierter Ansatz"

Bücherschecks, datengestützte Schulentwicklung und ein 12-Punkte-Plan: Bildungsminister Steffen Freiberg sagt, wie er die Brandenburger Schüler aus dem Leistungstief holen will, was er jetzt vom Bund erwartet – und warum er die Wissenschaftlichkeit von PISA für unumstritten hält.

Steffen Freiberg (SPD), 42, war seit 2016 Bildungsstaatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern, seit 2022 in Brandenburg. Nachdem Rücktritt von Britta Ernst wurde er dort im Mai 2023 Minister für Bildung, Jugend und Sport. Foto: Sophie Weise / Ganz in Weise.

Herr Freiberg, Sie wollen Bücherschecks für fast drei Millionen Euro an Brandenburgs Schüler verschenken. Ihr neues Mittel gegen Bildungsarmut?

 

Wir hatten noch Restmittel aus dem Bundesprogramm "Aufholen nach Corona", und damit die nicht verfallen, haben wir uns entschieden, sie zusammen mit dem Börsenverein des Deutschen Buchhandels in ein Bücherprojekt für unsere Schülerinnen und Schüler zu stecken. Es gehört zu den wesentlichen Erkenntnissen der aktuellen PISA-Studie, dass die Förderung von Sprach- und Lesefähigkeit die zentrale Voraussetzung ist für den Kompetenzerwerb in allen anderen Fächern, einschließlich der Mathematik. Wir schenken den Schülern aber nicht einfach Bücherschecks.

 

Sondern?

 

Fast alle Schulen im Land, von der Grundschule bis zum Gymnasium, erhalten je nach Schülerzahl Schecks, angefangen mit 500 Euro für die ganz kleinen bis rauf zu 11.600 Euro für die ganz großen Standorte. Die Schulen entscheiden dann, was sie damit machen und wie sie diese Bücher zielgerichtet für die Verbesserung der Sprach und Lesefähigkeit auch im Rahmen schulischer Bildungsprozesse nutzen und dabei den individuellen Bedarf der Schüler berücksichtigen. Das ist also nicht als reines Freizeitvergnügen gedacht.

 

Und wenn die Schüler finden, dass sie einen Comic brauchen, einen Fantasy-Roman oder einen Sportalmanach?

 

Solange diese Bücher nach Meinung der Lehrkräfte eine sinnvolle inhaltliche Gestaltungsperspektive bieten, aus ihrer Sicht zum Lesen und Weiterdenken anregen, ist alles denkbar. Es geht vor allem um das Lesen lernen, über Lesen üben in allen Formen. Die empirische Bildungsforschung zeigt, dass Unterrichtsmaterialien dann einen besonderen Lernerfolg erzielen, wenn sie einen Bezug zur Lebenswelt der Schülerinnen haben. Wichtig ist in jedem Fall, dass die Bücher den Kindern und Jugendlichen gehören. Ein trauriges Ergebnis verschiedener Befragungen besteht nämlich darin, dass es Schülerinnen und Schüler auch bei uns Brandenburg gibt, die nicht mehr als ein, zwei Bücher in der Familie besitzen. 

 

Sie erwähnen gleich mehrfach die Bedeutung von Studien und Bildungsforschung. Auch in dem 12-Punkte-Plan, den Ihre Vorgängerin Britta Ernst (SPD) im Oktober 2022 vorgestellt hat, spielen wissenschaftliche Begleitung, Evaluation und eine datengestützte Schulentwicklung eine auffällig große Rolle. Warum?

 

Der letzte IQB-Bildungstrend ergab für die Brandenburger Neuntklässler bedrückende Ergebnisse. Und zwar quer durch alle Schulformen. Wir sehen, dass sich in den vergangenen zehn, 15 Jahren die soziale Schülerschaft verändert hat, nicht nur in Brandenburg, sondern bundesweit. Und das hat, anders als oft behauptet, wenig mit der Frage zu tun, ob die Schüler aus Einwandererfamilien stammen oder nicht. Der pädagogische Rückhalt in den Elternhäusern schwindet, gleichzeitig führt der Konsum digitaler Medien zu einem Mangel an Bewegung und Gesundheit. Hinzu kommt, dass die Schule ihre Rolle als gesellschaftliche Instanz teilweise eingebüßt hat – und damit auch der Respekt vor den Lehrkräften abnimmt. Die Corona-Pandemie hat diese Entwicklungen noch beschleunigt. Woraus folgt: Wenn wir die Lage verbessern wollen, braucht es mehr als die Aufwertung der Unterrichtsqualität. Es braucht einen umfassenden, wissenschaftsbasierten Ansatz, und den verfolgen wir mit unserem 12-Punkte-Plan: von der Stärkung der Basiskompetenzen in Deutsch und Mathematik über die sozialen Unterstützungssysteme an den Schulen bis zur Neuorganisation der Lehrkräftefortbildung. Für mich ist dabei klar: Die einzigen Menschen, die Unterricht verändern können sind diejenigen, die unterrichten. Unseren Lehrkräften müssen wir neben Anerkennung konkrete, praxistaugliche und unmittelbar verwendbare Unterstützung anbieten, bei Material und Fortbildung.

 

"Es kann pädagogisch schlicht nicht falsch sein, allen Schülern unabhängig vom eigenen Geldbeutel die Gelegenheit zu geben, sich nach ihren Interessen und ihrem Bedarf ein eigenes Buch auszusuchen." 

 

So sehr Sie Daten und wissenschaftliche Empirie betonen: Die Bücherschecks für insgesamt fast drei Millionen Euro geben Sie raus, ohne anschließend sagen zu können, was die Aktion gebracht hat. 

 

Weil ich überzeugt bin, dass die Lehrkräfte vor Ort am besten wissen, was ihre Schülerinnen und Schüler gebrauchen können. Wenn ich anfangen würde, hier vom Ministerium zentral Bücher zu bestellen, würden viele Schulen zu Recht fragen: "Und was sollen wir jetzt damit?" Ob man einen direkten Effekt der Aktion in einer Evaluation nachweisen könnte, weiß ich nicht. Es kann aber pädagogisch schlicht nicht falsch sein, allen Schülern unabhängig vom eigenen Geldbeutel die Gelegenheit zu geben, sich nach ihren Interessen und ihrem Bedarf ein eigenes Buch auszusuchen. Wer nicht richtig Lesen, Schreiben und Rechnen lernt, dem wird später die soziale, politische, wirtschaftliche Teilhabe nur eingeschränkt möglich sein. Klar ist, unsere Bücherschecks sind nur ein Baustein – und kein Allheilmittel. Anderes behauptet aber auch keiner. 

 

Wie passt Ihre Überzeugung, dass die Lehrkräfte vor Ort am besten wissen, was richtig ist, zu Ihrer Strategie der datengestützten Schulentwicklung?

 

Wenn ich auf unsere Lehrerinnen und Lehrer höre, sagen die: Vom Wiegen allein wird die Sau nicht fett. Und das stimmt ja auch. Für das Messen um des Messens willen können wir den Kollegien den Aufwand nicht zumuten. Darum müssen wir immer genau wissen, wo wir was erheben. Wir tun das, was wir als Landesregierung brauchen, um unsere Schulpolitik daran auszurichten. Indem wir zum Beispiel die IQB-Bildungstrends oder die bundesweiten VERA-Vergleichsarbeiten durchführen. Wobei letztere bereits einen zusätzlichen Mehrwert für die Schulen bieten, auf den es ankommt. Noch mehr tun das die Individuelle Lernstandsanalysen in der Grundschule (ILeA), die wir in Brandenburg sehr konsequent einsetzen, wie einige andere Bundesländer auch. Die geben den Lehrkräften eine individuelle Rückmeldung zu ihren Schulklassen an die Hand, die Schulen können die Bildungsbiografien ihrer Schülerinnen und Schüler genau verfolgen und überlegen, wie sie ihnen mit welchen Mitteln gezielt helfen können. Das tun sie nicht allein, sondern die Schulleitungen stehen in einem regelmäßigen und strukturierten Austausch mit der Schulaufsicht – auf der Grundlage der Daten für jede einzelne Schule. Das minimiert die Gefahr, dass bestimmte Entwicklungen den Kollegien entgleiten, und umgekehrt werden positive Trends erkannt, honoriert, und es wird daraus gelernt.  

 

Der Deutsche Philologenverband war neulich so verärgert über OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher und dessen Interpretation der PISA-Ergebnisse, dass der die Kultusminister zum Ausstieg aus dem internationalen Schulvergleich aufforderte – zumindest bis Schleicher seinen Posten geräumt hat. Was sagen Sie dazu?

 

Zu solchen Forderungen äußere ich mich nicht, nur so viel: PISA ist Teil der von der Kultusministerkonferenz (KMK) beschlossenen Strategie zum Bildungsmonitoring. Und solange dieser Beschluss der KMK gilt, werde ich mich an ihn halten. Das Prinzip der Wissenschaftlichkeit von PISA ist unumstritten und hängt nicht von den Äußerungen einzelner ab. Ich für meinen Teil habe erst neulich wieder aus dem Gespräch mit der deutschen PISA-Koordinatorin Doris Lewalter viele Erkenntnisse gezogen – etwa die bereits erwähnte, dass die Sprachförderung auch für die mathematischen Kompetenzen eine große Bedeutung hat. 

 

Lange Zeit haben alle Brandenburger Schulen unabhängig von der Zusammensetzung ihrer Schülerschaft die gleiche Finanzierung bekommen. Das gerade zwischen Bund und Ländern vereinbarte "Startchancen"-Programm speziell für benachteiligte Schülerinnen und Schüler bedeutet auf Bundesebene nun einen Paradigmenwechsel. Wie vollziehen Sie den in Brandenburg?

 

Unserem 12-Punkte-Plan folgend haben wir auch bei uns im Land erstmals einen Sozialindex veröffentlicht, der alle unsere Schulen anhand von drei Kriterien nach ihrer sozialen Belastung einstuft, und zwar nach ihrer Inklusionsquote, nach dem Anteil von Familien mit Bürgergeldbezug und mit nichtdeutscher Familiensprache. Abhängig von ihrer Einstufung erhalten die Schulen jetzt in einem Pilotprojekt seit dem 1. Februar unterschiedlich hohe Budgets zur freien Verfügung für unterrichtsunterstützende und -begleitende Maßnahmen. Insgesamt 3,5 Millionen Euro übers Land verteilt pro Jahr. Wir sind natürlich noch am Anfang, anders als Hamburg, das seit Jahren so vorgeht, aber auch wir haben jetzt ein neues Instrument zur Verfügung, das künftig vermehrt zur Anwendung kommen soll. Die Brandenburger Schulen, die über das "Startchancen"-Programm gefördert werden sollen, werden wir zum Beispiel darüber auswählen, wobei da am Ende die Schulträger mit entscheiden, ob sie mitmachen wollen. 

 

"Ich bin jetzt sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird,
den Digitalpakt 2.0 auf den Weg zu bringen."
 

 

Apropos "Startchancen"-Programm: Die Länder sollen das Bundesgeld, insgesamt eine Milliarde pro Jahr, zu gleichen Teilen gegenfinanzieren. Gehe ich richtig in der Annahme, dass die von Ihnen eingeführten Schulbudgets eine Art Vorauszahlung auf den Brandenburger Länderanteil sind?

 

Wie gesagt ist das bislang bei uns nur ein Pilotprojekt, die Gelder dafür sind also nicht dauerhaft im Haushalt vorgesehen. Wenn sich das ändert  wäre es sicher so, dass das einzahlen würde auf unsere Kofinanzierung im "Startchancen"-Programm. Mir fallen aber noch weitere Maßnahmen für Schulen in sozial herausfordernde Lage ein, die wir schon vergangenes Jahr auf den Weg gebracht haben und die zu den "Startchancen" passen.

 

Parallel zu den "Startchancen" verhandelten Bund und Länder über die Fortsetzung des Digitalpakts. Allerdings aus Sicht der Länder lange so ergebnislos, dass in der KMK zwischenzeitlich sogar ein Junktim zwischen beiden Programmen diskutiert wurde: Eine Einigung bei den Startchancen nur gegen die Zusicherung, dass der Digitalpakt 2.0 auch kommt. Schnee von gestern?

 

Man kann in der Politik nie ganz sicher sein, bevor die Tinte trocken ist. Aber ich bin jetzt sehr zuversichtlich, dass es gelingen wird, den Digitalpakt 2.0 auf den Weg zu bringen. Ohne ihn würden wir den in den vergangenen Jahren erreichten Stand bei der digitalen Ausstattung der Schulen aufs Spiel setzen. 

 

Es habe bei den Digitalpakt-Verhandlungen kurz vor der finalen Startchancen-Einigung "substanzielle Fortschritte" gegeben, lautete zuletzt die unter den Kultusministern vereinbarte Formulierung. In Ihrem 12-Punkte-Plan versprechen Sie, die Digitalisierung "als Verbesserung der Unterrichtsqualität und der individuellen Förderung" weiterzuentwickeln. Welche konkreten Forderungen haben Sie vor dem Hintergrund an den Bund?

 

Das Wichtigste ist eine langfristige, möglichst kontinuierliche Förderung der Schulen, außerdem die Möglichkeit, über die Anwendungsbereiche des Digitalpakt 1.0 hinauszugehen und dabei trotzdem nicht bürokratischer zu werden. 

 

Der Bund fordert seinerseits, dass die Länder statt zehn diesmal 50 Prozent der Ausgaben tragen. Aus Ihrer Sicht vorstellbar? 

 

Ich werde solche Forderungen nicht in der Öffentlichkeit bewerten, bevor wir als Kultusminister mit unserer Kollegin aus dem Bund am Tisch gesessen und darüber gesprochen haben. Das steht aber noch nicht an, jetzt verhandeln die Staatssekretäre über alle inhaltlichen Fragen, die finanziellen sind ausgeklammert, bis der Vereinbarungsentwurf die Ministerebene erreicht. Das war übrigens bei den Verhandlungen um den Digitalpakt 1.0 genauso.  

 

"Wenn ich mir anschaue, mit welchen gewachsenen Strukturen jedes Bundesland umzugehen hat, kann ich nicht alles wegwischen und sagen: Alles Unsinn. Dann muss ich mit den Strukturen und den Menschen darin Stück für Stück in Richtung einer Verbesserung arbeiten."

 

Ehrgeizig ist Ihr 12-Punkte-Plan auch in Hinblick auf den Ganztagsausbau, um den ab 1. August 2026 geltenden Rechtsanspruch auf eine Ganztagsbetreuung in der Grundschule zu gewährleisten. Laut erstem Ganztag-Förderbericht der Bundesregierung hat Brandenburg allerdings auch besonders großen Nachholbedarf. Nur 51 Prozent aller Grundschulen im Land boten demzufolge 2022 Ganztag, unter den 13 verglichenen Bundesländern der zweitschlechteste Wert, nur Baden-Württemberg lag noch deutlich darunter. 

 

Meine Statistiken besagen, dass fast 96 Prozent unserer Erstklässler den Hort besuchen. Es kommt also auf die Klassenstufen an, von denen wir reden, bei uns ist die Betreuungsquote der unter 6- und 7-Jährigen traditionell sehr hoch. Hinzu kommt, dass sich die einzelnen Erhebungen sehr stark voneinander unterscheiden, was an den unscharfen Definitionen liegt. Sie dürfen nicht vergessen, dass in den ostdeutschen Ländern die Betreuung von Kindern im Grundschulalter nicht nur an der Grundschule stattfindet, sondern nachmittags immer schon im Hort. In Brandenburg und in Ostdeutschland insgesamt haben die Horte traditionell überwiegend den Charakter von Bildungseinrichtungen und sind daher konzeptionell sehr nahe an den Schulen, die als sogenannte verlässliche Halbtagsgrundschulen arbeiten. Das ist also eine Darstellungsfrage, zumindest an dieser Stelle. Insofern können wir uns jetzt gegenseitig mit Statistiken bewerfen und ich zum Beispiel anführen, dass Brandenburg unter den ostdeutschen Ländern den besten Betreuungsschlüssel im Kindertagesbereich hat. Unsere Abdeckung mit Kitaplätzen ist also im Gegensatz zu dem, was die im Bericht der Bundesregierung angeführte Statistik nahelegt, sehr vorzeigbar, gerade im Vergleich zu den Herausforderungen in manchem westdeutschen Bundesland, wo die flächendeckende Kindertagesbetreuung nicht überall gelebte Praxis war. Aber natürlich haben auch wir an manchen Orten einen Mangel, und an dem arbeiten wir. 

 

Als Sie vergangenes Jahr Vorsitzender der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) waren, haben Sie und die damalige KMK-Präsidentin Katharina Günther-Wünsch dafür gesorgt, dass JFMK und KMK erstmals zusammen getagt und gemeinsame Beschlüsse gefasst haben, auch zur Qualität im Ganztag. Was allerdings fehlte, war ein Plädoyer für den gebundenen Ganztag: also den sich über den Tag hinweg ziehenden Wechsel zwischen Schulunterricht, Selbstlernphasen, Freizeitangeboten und wieder Unterricht – was viele Bildungsexperten favorisieren.

 

Man sollte die Kirche im Dorf lassen. Klar, wenn ich am Reißbrett ein Ganztagssystem planen und aufbauen könnte, käme ich vermutlich sehr schnell beim gebundenen Ganztag an. Wenn ich mir aber anschaue, mit welchen gewachsenen Strukturen jedes Bundesland umzugehen hat, kann ich nicht alles wegwischen und sagen: Alles Unsinn. Dann muss ich mit den Strukturen und den Menschen darin Stück für Stück in Richtung einer Verbesserung arbeiten. Was hier in Brandenburg die Schulen, die Horte und ihre jeweiligen Träger umfasst. 

 

Der Anlass für den 12-Punkte-Plan waren die enttäuschenden Leistungen der Brandenburger Schüler vor allem beim Bildungstrend. Wann werden sich all die ergriffenen Maßnahmen denn in besseren Leistungen bemerkbar machen?  

 

Dass sich schon im nächsten Bildungstrend für Mathematik etwas zeigt, weiß ich nicht, da will ich keine Prognose abgeben. Aber wir sprechen ständig mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, gleichen unsere Maßnahmen immer wieder mit ihren Erkenntnissen ab, und insofern bin ich überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Dass der sich in den Kompetenzmessungen der einzelnen Schüler möglichst bald bemerkbar macht, hoffe ich natürlich sehr. 

 

Weil Sie als Minister dann gut dastehen?

 

Nein, weil die Schülerinnen und Schüler dann für ihr weiteres Leben gut dastehen.



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Kommentare: 3
  • #1

    Hanna (Mittwoch, 14 Februar 2024 17:02)

    Der 12-Punkte-Plan ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn die Punkte auch entsprechend organisatorisch und finanziell gestützt werden.

    Ein Schwerpunkt, den ich als Mittelbaulerin an der Universität überblicke, ist die Lehramtsausbildung. Wenn hier keine attraktiveren Stellen geschaffen werden, besteht weiterhin der personelle Kollaps in der Lehrkräftebildung: Die mit dem Land verhandelten Stellen zum Aufwuchs in der Lehrkräftebildung weisen durchgängig hohe Lehrdeputate auf (11 LVS), womit die eigene Qualifizierung Doktorat/Habilitation kaum möglich ist. Gleichzeitig sind die Stellen (ungerechtfertigterweise und nur aufgrund des im Gesetz unscharfen Qualifizierungsbegriffes) meist nach WissZVG befristet. Wer auf so einer Stelle arbeitet, weiß, dass er/sie ohne Doktorat/Habil nach 6 Jahren von der Uni nicht weiterbeschäftigt wird, bis dahin die Promotion/Dissertation nicht geschafft hat und somit auch keine Anschlussstelle (Postdoc/Professur) bekommt. Die Stellen sind also vergleichsweise sehr unattraktiv!
    Gutes Personal kann kaum gefunden werden und wer dort trotzdem promovieren/habilitieren will, muss den Einsatz für die Lehre (also den eigentlich wichtigen Punkt der Lehrkräfteausbildung) auf ein Minimum beschränken, um die Dissertation/Habilitation in der WissZVG-Zeit abschließen zu können. Das Resultat sind im Vergleich zu früher schlecht ausgebildete Lehrer:innen.

    Kostengünstige Maßnahmen, um gutes Personal zu gewinnen und zu halten (Stichwort Fachkräftemangel) wären: mehr entfristete Stellen im Mittelbau schaffen bzw. mehr aktuell beschäftigte Postdocs durch Tenure-Verfahren/Entfristungen dauerhaft zu binden.

    Kostenintensivere Maßnahmen: niedrigere Lehrdeputate. So könnte auch endlich wieder mehr Forschung in die Lehrkräftebildung gehen: die Fragen von Digitalisierung, neue Formen des Lernens sind drängend. Aktuell läuft Brandenburg hier den Entwicklungen nach und sollte zu mehr Forschung v.a. im Grundschulbereich beitragen.

  • #2

    Nachfrage (Freitag, 16 Februar 2024 11:57)

    @Hanna

    Nur zum Verständnis:
    - Es gibt in Brandenburg Promotionsstellen mit 11 Stunden LVS?

    - Glaube ich, vermutlich sind es 4. Warum sollte jemand dann in 6 Jahren seine Promotion nicht schaffen können?

    - Regen Sie in ihrem Kommentar an, länger laufende Promotionsstellen zu schaffen oder diese gleich ganz zu entfristen?

    - Die klassischen Habil-Stellen früher hatten 8 Stunden LVS - da wurde viel habilitiert. Und die 3 Stunden mehr machen das jetzt unmöglich?

    - In welchem Fachgebiet sind Sie denn tätig? Es scheint, dass in diesem Gebiet alle nach einer Qualifikation an der Uni dort bleiben wollen?


    Danke für die Aufklärung.

  • #3

    Hanna (Dienstag, 20 Februar 2024 14:36)

    @ Nachfrage:
    Ich spreche für das Lehramt.

    Das Land Brandenburg hat den Universitäten im Zuge des benötigten Aufwuchses an Lehramtsstudienplätzen zwar viele neue Stellen genehmigt, zugleich aber hohe Deputate gefordert. Insgesamt sind es also nicht genug Stellen, damit in der Lehrkräftebildung Promovierende auf 4 LVS oder Postdocs auf 6 LVS (befristet) angestellt werden könnten.

    Die Lösung der Universitäten (auch in anderen Bundesländern) ist es, Personen mit Masterabschluss oder Doktorat auf WiMi-Stellen mit im Regelfall 11 LVS anzustellen. Das wäre grundsätzlich ok, sofern diese nicht auch auf Basis des WissZVG mit dem Grund der "eigenen Qualifikation" befristet würden. Auch wenn die beschäftigten Personen faktisch promovieren/habilitieren, tun sie es auf dem Papier nicht, sondern "qualifizieren" sich laut Tätigkeitsdarstellung z.B. "in der Lehre". (Irgendeine "Qualifikationsmöglichkeit" muss man ja erfinden, damit man das Personal nach WissZVG befristen darf).

    Wer auf solch einer Stelle befristet arbeitet, muss an der Promotion/Habilitation zu weiten Teilen nach Dienstschluss arbeiten. Um sich auf Anschlussstellen wie Postdoc-Stellen oder Professuren bewerben zu können, sind ja Promotion/Habilitation meist Voraussetzung dafür. Hier und auch bei der Beantragung von Drittmitteln muss man sich aber dann mit Personen messen, die mit 4 LVS deutlich mehr Zeit für die Forschung und Publikationen hatten.

    Das Problem im Lehramt (nicht nur im Brandenburg, auch in anderen Bundesländern) ist, dass sich aufgrund der Verbeamtung mit entsprechend besserem Netto-Gehalt, unbefristeten Vertrag und Pension als Schullehrer*in, ohnehin kaum jemand für eine Karriere/Stelle in der universitären Lehrkräftebildung interessiert. Wenn hier dann überwiegend befristete Stellen mit hohen Deputaten angeboten werden, wirkt sich dies auf die Personalsituation an den Unis aus. Hohe Fluktuation und mittelmäßiges Personal, das pro Person viele Studierende betreut und diesen zukünftigen Lehrkräften aufgrund des Arbeitspensums und der Priorisierung der eigenen Forschung (die Dissertation/Habilmuss ja nach 6 Jahren trotzdem fertig werden) nicht genügend Aufmerksamkeit schenken kann, nagen an der Qualität der Lehrkräfteausbildung.

    Im Vergleich zu früher: Jede LVS mehr, insbesondere kombiniert mit mehr Zeitdruck durch Befristung, bedeutet für die künftigen Lehrkräfte eine schlechtere Betreuungsrelation. Und das ist es ja, was wir beobachten: ein kontinuierliches, korrelierendes Absinken der Schülerleistungen über die Jahrzehnte (IQB-Bildungstrend, Pisa etc.).

    Die Anregung ist, befristete Stellen mit 4 LVS für Promovierende, 6 LVS für Habilitierende zu schaffen. Werden mehr LVS verlangt, ist die eigene Qualifizierung (Promotion/Habil) nicht zu schaffen und die Befristung nach WissZVG (im ursprünglichen Sinne des Gesetzgebers eigentlich) unzulässig (jedoch haben Gerichte dies anders entschieden). Für Hochdeputatsstellen müssten
    grundsätzlich entfristete und in der Entlohnung mit Schullehrkräften zumindest gleichgestellte Stellen geschaffen werden, um die Lehrkräftebildung für Personal attraktiver zu machen und die Qualität der Lehramtsausbildung an den Universitäten zu verbessern.