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Die Milliardenrechnung

Was erwartet Bildung und Forschung in den Verhandlungen um den Bundeshaushalt für 2025? Wie ist die Ausgangsposition für BMBF-Chefin Stark-Watzinger? Und warum führte ein BILD-Bericht neulich in die Irre? Eine Analyse vor Beginn der Haushaltsaufstellung.

JAKOB VON WEIZSÄCKER gab sich im Interview verständnisvoll. "Die Bundesregierung kämpft ressortübergreifend mit einem massiven Spardruck, obwohl man eigentlich deutlich mehr in die Zukunft investieren müsste. Darunter leidet auch das BMBF", sagte der frühere Chefvolkswirt im Bundesfinanzministerium am Dienstag hier im Blog. 2022 wechselte von Weizsäcker ins Saarland und an die Spitze des dortigen Ministeriums der Finanzen und für Wissenschaft. Anfang Juli soll der SPD-Politiker nun auch Vorsitzender der geplanten Wissenschaftsministerkonferenz, kurz WissenschaftsMK, der Länder werden – und setzt schon einmal den Ton für die künftige Gestaltung der Beziehungen mit seiner Bundeskollegin, BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP).

 

Dabei argumentiert von Weizsäcker durchaus dialektisch. Der Spardruck in der Bundesregierung verkompliziere die Bund-Länder-Zusammenarbeit, wenn der Bund versuche, ihn zu Lasten der Länder weiterzureichen. Allerdings, fügte er hinzu, das solle man nicht der Bundesbildungsministerin zum Vorwurf machen, "die ich sehr schätze". Wem denn dann? FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner? SPD-Bundeskanzler Olaf Scholz? 

 

Das durch von Weizsäcker kritisierte Weiterreichen des Spardrucks kann sich jedenfalls in zweierlei Hinsicht manifestieren. Erstens: Durch den vergangenes Jahr gefassten Beschluss des Bundeskabinetts, dass der Finanzierungsanteil des Bundes bei neuen Maßnahmen, bei denen der Bund die Länder unterstützt, nur noch maximal 50 Prozent betragen dürfe. Wofür die Ampel jedoch grundlegende föderale Erwägungen anführte und nicht in erster Linie ihre knapper werdenden Kassen. Eine erste Konsequenz war das komplizierte Feilschen um die Verlängerung der HAW-Forschungsförderung.

 

Zweite Form des Weiterreichens: Die tatsächliche oder befürchtete Komplett-Absage von wissenschafts- oder bildungspolitischen Vorhaben im Ampel-Koalitionsvertrag. Tatsächlich: Das angekündigte "Bundesprogramm Digitale Hochschule" zur Förderung "innovativer Lehre, Qualifizierungsmaßnahmen, digitale Infrastrukturen und Cybersicherheit" wurde bereits Ende 2022 vom BMBF kassiert, Grund: "die angespannte Haushaltslage".

 

Das Geld für die unverzichtbaren 
Zukunftsinvestitionen mobilisieren?

 

Befürchtet: Es ist erst zwei Wochen her, dass die Kultusminister die Fortsetzung des "Digitalpakts Schule" vor dem Aus sahen, O-Ton von Schleswig-Holsteins Ressortchefin Karin Prien (CDU) am 13. März hier im Blog: Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger versuche in ihrer Budgetnot öffentlich, "andere Gründe vorzuschieben, um aus ihrer Zusage für den Digitalpakt herauszukommen". Das BMBF warf Prien hinter vorgehaltener Hand "Profilierungsversuche" vor. Einen Tag später klangen die Kultusminister und, abgestuft Prien, immerhin wieder versöhnlicher und optimistisch: Im Mai solle ein gemeinsamer Vereinbarungsentwurf mit dem BMBF vorliegen.

 

Gefragt, welche Erwartungen er in dieser Legislaturperiode noch an den Bund habe, antwortete Finanz- und Wissenschaftsminister Jakob von Weizsäcker: "Vor allem erwarte ich ein Signal, dass es perspektivisch gelingt, das notwendige Geld für die unverzichtbaren wissenschafts- und forschungsgetriebenen Zukunftsinvestitionen zu mobilisieren." Und er fügte hinzu: "Der 2025er Haushalt wird dafür ganz entscheidend sein."

 

Und hier lässt sich dann auch der ganz persönliche Erwartungsdruck auf Bettina Stark-Watzinger nicht wegdiskutieren. Was, wenn nicht das Mobilisieren von möglichst viel Haushaltsgeldern für Bildung und Forschung, ist denn Aufgabe einer Bundesministerin für Bildung und Forschung – und, wenn es ihr gelingt, Ausdruck ihrer Stärke?

 

Klar ist: Ein Bundeshaushalt 2025 muss Geld für den Digitalpakt II enthalten, wobei dieser wie der Digitalpakt I (zunächst) nicht im BMBF-Budget auftauchen dürfte, dem sogenannten "Einzelplan 30", sondern an anderer Stelle, voraussichtlich im Einzelplan 60 ("Allgemeine Finanzverwaltung"). Genauso wie die erstmals volle Bundesmilliarde für das Startchancen-Programm für Schulen in sozialen Brennpunkten. Außerdem: Was ist mit einer angemessenen Finanzierung der noch immer zu gründenden Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI)? Laufen die mit Abstand größten Ausgabenposten im BMBF-Haushalt, die verschiedenen Wissenschaftspakte, inklusive ihren zwischen Bund und Ländern vereinbarten jährlichen Aufwüchsen, weiter unangefochten durch die Haushaltsaufstellung? Und welchen Spielraum lässt das für die übrige BMBF-Forschungsförderung?

 

Bis zum 19. April sollen die Bundesministerinnen und Bundesminister ihre Bedarfe und Forderungen für 2025 anmelden. Bis dahin feilen überall in den Ressorts hohe Beamte an ihren Verhandlungskonzepten und Excel-Listen. Spätestens nach dem 19. April dürfte dann auch durchsickern, welchen Betrag Stark-Watzinger etwa für den Digitalpakt II ansetzt. Öffentlich hat sie hierzu Aussagen bislang vermieden – dafür aber auf den 50-Prozent-Beschluss des Bundeskabinetts zur Kofinanzierung von Bund-Länder-Programmen verwiesen (beim Basis-Digitalpakt I mussten die Länder nur zehn Prozent drauflegen, bei seinen Ergänzungen gar nichts). 

 

In einem "Knallhart-Brief" an alle Ressorts habe der Bundesfinanzminister seine Kabinettskollegen bereits vorab "zum Sparen verdonnert" berichtete die BILD neulich. Demzufolge sollte etwa das BMBF nächstes Jahr nur noch 20,56 Milliarden Euro ausgeben können, was 4,4 Prozent  (0,93 Milliarden) weniger als 2024 wären. Die Ampel steuere auf "ihren größten Streit" zu, es gehe um ein "Riesen-Milliardenloch", befand die Zeitung.

 

Die Forderungen gewichten,
dem Haushalt Konturen geben

 

Schlechte Nachrichten auch für Stark-Watzinger? Nun ja. Die Wahrheit ist: Die 20,56 Milliarden entsprechen exakt der im Sommer 2023 von der Bundesregierung präsentierten mittelfristigen Finanzplanung. Genau wie das laut BILD von Lindner angeblich gerade festgelegte Gesamtvolumen des 2025er-Bundeshaushaltes von 451,8 Milliarden Euro. Der Neuigkeitswert des Zeitungsberichts vor diesem Hintergrund: extrem gering.

 

Kein Wunder. Noch lässt sich seriöserweise eben sehr wenig sagen über das, was kommt. Und dafür mehr über das, was ist: 21,49 Milliarden Euro kann Stark-Watzingers Ministerium dieses Jahr theoretisch ausgeben. Zwar sogar fast 1,2 Milliarden Euro mehr, als im Sommer 2023 geplant war – was aber größtenteils daran liegt, dass die letzte Portion des Digitalpakts I aus dem (aufgelösten) Sondervermögen in Einzelpan 60 in den BMBF-Etat verschoben wurde (1,25 Milliarden Euro). Echtes zusätzliches Geld gegenüber der Planung von 2023 gibt es vor allem für die nächste (in ihren Dimensionen in der Ampel noch umstrittene) BAföG-Novelle. Umgekehrt muss Stark-Watzinger aus ihrem Etat gleichzeitig ungewöhnlich hohe Globale Minderausgaben zu stemmen, was Kritiker für eine Kürzungs-Zeitbombe mit noch unklarer Zielrichtung halten. Die Gesamtschau zeigt insofern: Wie auch immer der BMBF-Haushalt 2025 ausfällt, schon die 21,49 Milliarden als Vergleichswert zu nehmen, hätte etliche Tücken und Schwammigkeiten in sich.

 

Am Mittwochabend treffen sich Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) zum Gespräch in Kanzleramt, ein Treffen zwischen Unkereien um den Fortbestand der Ampel und Beschwörungen eines erneuten gemeinsamen Aufbruchs. Geld ist in solchen Situationen immer ein wichtiger Kitt. Mittelfristig entscheidend wird dann sein, wie Lindner und die übrigen Ampelspitzen die bis 19. April angemeldeten Forderungen aus den einzelnen Ministerien gewichten – und  auf dieser Basis dem nächsten aus der mittelfristigen Finanzplanung stammenden Gerüst des 2025er-Haushalt seine Konturen geben. Ein Abgesang auf Stark-Watzingers Geschick in den Haushaltsverhandlungen ist daher bislang nicht angebracht. Lobeshymnen für das Geleistete, siehe Globale Minderausgaben, sind es allerdings auch nicht. Ein klarer Fall also für die Dialektik eines Jakob von Weizsäcker. 

 

Anmerkung am 27. März, 14 Uhr: Ich habe die Ausführungen zum Haushalt 2024 auf Nachfrage hin noch einmal konkretisiert.


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