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Hochschulen, achtet auf die Kindergrundsicherung!

Wenn das Reformprojekt scheitert, steht auch eine wichtige Neuerung der BAföG-Studienfinanzierung auf dem Spiel.

Bild: Sam Dan Truong / Unsplash.

STUDIERENDE SIND KEINE KINDER, doch ist es ausgerechnet die Kindergrundsicherung, die ihnen als junge Erwachsene zu mehr finanzieller Selbstständigkeit verhelfen könnte. Im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP steht auf Seite 76: "Das BAföG wollen wir reformieren und dabei elternunabhängiger machen. Der elternunabhängige Garantiebeitrag im Rahmen der Kindergrundsicherung soll künftig direkt an volljährige Anspruchsberechtigte in Ausbildung und Studium ausgezahlt werden."

 

Der Garantiebeitrag ist der Teil der Kindergrundsicherung, der das Kindergeld ersetzen soll. Das Kindergeld war zwar im Gegensatz zum BAföG schon immer unabhängig vom Einkommen der Eltern, wurde aber im Normalfall selbst bei erwachsenen Studierenden an Mutter und/oder Vater überwiesen. Besserverdienende Eltern wählen übrigens regelmäßig die Alternative eines höheren Steuerfreibetrages, weil der sich mehr für sie lohnt. Die direkte Auszahlung des Garantiebetrages wäre also ein echter Gewinn an Autonomie für Azubis und Studierende. 

 

Nun zur Realität. Im maximal öffentlich und unkonstruktiv ausgetragenen Streit von Grünen und FDP um die Kindergrundsicherung geht es derzeit um alles Mögliche: politische Ränkespielchen, schlechte Kommunikation und je nach Blickwinkel schräge oder überzogene Stellenbedarfs-Berechnungen. Um Kinder hingegen nur am Rande und um Azubis und Studierende überhaupt nicht. So gibt es immer mehr Experten, die bezweifeln, dass die Reform überhaupt noch kommt in dieser Legislaturperiode.

 

Derweil ist die ursprüngliche Vision, das komplexe Dickicht der Sozialleistungen zu entwirren und zugleich aus der Hol- und Beantragungsschuld der Leistungsberechtigten eine Bringschuld des Staates zu machen, ohnehin schon merklich abgebröckelt. Beispiel Garantiebetrag: Der wird keinen Euro höher als das Kindergeld, und anders als im Koalitionsvertrag versprochen soll er laut den Plänen aus dem Familienministerium nicht automatisch, sondern nur auf Antrag direkt an die Studierenden und Azubis ausgezahlt werden. Noch dazu soll die Logik, dass besserverdienende Eltern über den höheren Freibetrag mehr Geld rausholen können, bestehen bleiben. Ernüchternd wenig Veränderung angesichts des inzwischen Jahrzehnte alten Zieles, die Studienfinanzierung endlich unabhängiger von den Eltern zu machen. 

 

Und wenn die Kindergrundsicherung tatsächlich komplett durchfällt? Die Hochschulpolitiker von SPD, Grünen und FDP sollten sich auf dieses Szenario vorbereiten. Denn natürlich könnte man die Direktauszahlung des Kindergeldes (das dann noch so hieße) auch ohne Kindergrundsicherung durchsetzen, sogar vergleichsweise einfach.

 

Eine BAföG-Reform hat die Ampel schon hinter sich, für die parlamentarische Auseinandersetzung über die zweite bringen sich die Fraktionen gerade in Stellung. Immerhin enthält der BMBF-Entwurf eine Reihe struktureller Verbesserungen, eine finanzielle Studienstarthilfe etwa oder eine längere Förderhöchstdauer, doch verlangen SPD und Grüne eine weitere Erhöhung der Bedarfssätze. Hätten die Hochschulpolitiker danach überhaupt noch Zeit, Nerv und Einigkeit für Reform Nummer 3? Die Antwort: Sie müssten.

 

Dieser Kommentar erschien heute zuerst im Newsletter ZEITWissen3.



Bundesrats-Ausschüsse fordern grundlegende Nachbesserungen an der geplanten BAföG-Novelle

Bringen die Länder sich für eine harsche BAföG-Kritik in Stellung? Der Bundesrats-Ausschuss für Kulturfragen und der Bundesrats-Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik empfehlen dem Plenum der Länderkammer, deutliche Nachbesserungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung zu verlangen.

 

Die Ausschüsse kritisieren, dass der vom Bundestags-Haushaltsausschuss gesetzte finanzielle Rahmen von 150 Millionen Euro für dieses Jahr nicht ausgeschöpft werden solle, und verlangen eine Anhebung des BAföG-Bedarfssatzes mindestens auf Bürgergeldniveau. Auch müssten die Wohnkosten-Pauschale steigen und die Erhöhung des Freibetrags über die geplanten fünf Prozent hinausgehen. 

 

Mit der Forderung, die Freibeträge, Bedarfssätze und Sozialpauschalen künftig automatisiert anzupassen, bewegen sich die Bundesrats- Ausschüsse in Richtung der Versprechung im Ampel-Koalitionsvertrages, der mehr

Regelmäßigkeit bei den Erhöhungen in Aussicht gestellt hatte. 

 

Und die Liste der Forderungen ist noch länger: Statt der geplanten Einführung eines "Flexibilitätssemester" solle die BAföG-Förderungshöchstdauer die Regelstudienzeit plus zwei Semester umfassen, die Antragsbearbeitung müsse für die BAföG-Ämter vereinfacht werden, die Zahl der verlangten Nachweise sei für die Mitarbeiter dort nicht zumutbar. Auch sei die vorgesehene Studienstarthilfe zu gering von der Höhe her und werde zu wenigen Personen zugute kommen. 

 

Wie die Länder tatsächlich reagieren, ist noch unklar. So habe die Bundesrats-Ausschüsse für Finanzen sowie für Frauen und Jugend keine Einwände gegen die Novelle geltend gemacht. Da die Zustimmung der Länder beim BAföG nicht nötig ist, kann der Bundestag einen möglichen Einspruch des Bundesratsplenums überstimmen.

 



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