Einer Studie zufolge teilen viele Studierende der Islamischen Theologie und Religionspädagogik fundamentalistische Ansichten. Doch es gibt auch positive Tendenzen.
Universität Münster. Foto: PxHere, CC0.
DIE ZAHLEN sind beunruhigend: Die Universität Münster hat Studierende der Islamischen Theologie und Islamischen Religionspädagogik befragt, von denen 37 Prozent eingeschränkt oder voll der Aussage zustimmten, dass Juden zu viel Macht und Einfluss in der Welt hätten; 48 Prozent, dass Israel keine Existenzberechtigung habe, 56 Prozent, dass der Westen alles tun werde, um den erneuten Aufstieg des Islam zur Hochkultur zu verhindern.
60 Prozent waren eher oder ganz der Meinung, dass der Westen für die schlechten Umstände in vielen islamischen Ländern verantwortlich sei. Und 25 Prozent befürworteten die Einführung der Scharia.
Überraschend sind die Zahlen allerdings nicht, schon andere Studien kommen seit Jahren zu ähnlichen Ergebnissen. So berichtete im März 2024 etwa die AG Hochschulforschung der Universität Konstanz, dass in ihrer Studierendenbefragung 33 Prozent der Muslime allgemein antisemitische Haltungen gezeigt hätten und 37 Prozent einen israelbezogenen Antisemitismus – im Gegensatz zu vier bzw. sechs Prozent der befragten christlichen Studierenden. Auch deuten Untersuchungen darauf hin, dass stärkere Religiosität die Empfänglichkeit für antisemitische Ressentiments intensiviert, besonders bei Muslimen.
Deshalb sind die Umfragedaten aus Münster, erhoben vom dortigen Exzellenzcluster Religion und dem Zentrum für Islamische Theologie, auch politisch so brisant, wollen doch die befragten Studierenden unter anderem Religionslehrer werden, ansonsten Sozialarbeiter oder Seelsorger.
In jedem Fall handelt es sich um künftige Autoritäten für die nächste Generation junger Muslime in Deutschland. Ein Sprecher des Zentralrats der Juden in Deutschland sagt: "Wir haben die Ergebnisse der Studie mit etwas Irritation zur Kenntnis genommen und sind dabei, uns ein umfassenderes Bild über die Situation zu machen."
Tatsächlich sind die zugrundeliegenden Befragungsdaten schon zwei Jahre alt, doch die vor zwei Monaten im British Journal of Religous Education erschienene Studie drückt jetzt mitten hinein in eine ohnehin schon engagierte Debatte über die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen. Die nordrhein-westfälische Schulministerin Dorothee Feller (CDU) will das Modell in ihrem Bundesland weiter ausbauen.
Die damalige Forschungsministerin Schavan
sah einen "Meilenstein für die Integration"
Angefangen hatte die Ausbildung islamischer Religionslehrer und Seelsorger vor über einem Jahrzehnt mit Unterstützung der damaligen Bundesforschungsministerin Annette Schavan, die den Aufbau von zunächst vier Islam-Zentren an staatlichen Universitäten förderte, von Anfang an dabei: Münster/Osnabrück. Schavan sprach von einem "Meilenstein für die Integration" und äußerte die Erwartung, dass sich in der islamischen Theologie eine historisch-kritische Methode im Umgang mit dem Koran entwickele.
Die Zentren sollten einen weltoffenen, aufgeklärten Islam und den Dialog mit anderen Religionen fördern. "Wir wollen mit der großen Erfahrung, die wir an deutschen Universitäten mit der Theologie haben, auch einen Beitrag zur Weiterentwicklung der islamischen Theologie leisten", sagte Schavan damals.
Inzwischen kann an bundesweit neun Universitäten und mehreren Pädagogischen Hochschulen Islamische Theologie studiert werden. Die Münsteraner Wissenschaftler hatten mit ihrer Umfrage 252 Studierende an allen elf zu diesem Zeitpunkt bestehenden Standorten erreicht, was elf Prozent aller Studierenden der Fächer Islamischen Theologie und Islamische Religionspädagogik entsprach. Eine hohe Quote, wobei gut die Hälfte der Befragten aus Münster selbst stammte.
Professoren-Vertretung zweifelt
Aussagekraft der Studie an
Genau diesen hohen Anteil führt die Deutsche Gesellschaft für Islamisch-Theologische Studien (DEGITS) in einer Erklärung als Grund an, "Zweifel hinsichtlich der Belastbarkeit" der Daten und der Verallgemeinerbarkeit der Studie anzumelden. Das Thema Antisemitismus stelle ein großes und zunehmendes gesellschaftliches Problem dar, auch unter Muslimen.
Doch: "Die mögliche Tragweite der öffentlichen Diskussion dieser Zahlen, die fundamental das Vertrauen in Studierende der Islamischen Theologie und Lehrer:innen im islamischen Religionsunterricht gefährden kann, steht in keinem Verhältnis zu der Aussagekraft der Studie." Der die DEGITS noch dazu Einseitigkeit vorwirft, etwa in "Schwarz-Weiß-Formulierungen der Fragen und Vorannahmen, die diesen zugrunde liegen".
Sarah Demmrich ist eine der Autorinnen der Studie und sagt, sie habe sich sowohl über die öffentliche Berichterstattung als auch über die harsche Kritik der DEGITS gewundert. "Unser Ziel war nicht, die islamischen Religionsstudierenden in die Pfanne zu hauen, sondern ihre Reformorientierung zu messen." In der Umfrage hätten sich sowohl problematische als auch positive Einstellungen gezeigt, "doch berichtet wurden bislang fast nur die besorgniserregenden".
Erwähnenswert sei zum Beispiel die primäre Studienmotivation vieler Studierender, neben mehr religiösem Wissen auch mehr Wissen zum interreligiösen Dialog zu erlangen. Also genau im Sinne dessen, was Ex-Ministerin Schavan einst als ein Ziel ausgegeben hatte. Auch habe es eine starke Zustimmung zu demokratischen Werten gegeben und überwiegend eine Unterstützung der Geschlechtergleichheit.
Fundamentalistische Tendenz
sinkt mit Studiendauer
Auffällig sei, dass der Studienabschnitt eine Rolle spiele, sagt Demmrich: "Die fundamentalistischen Einstellungen sind bei Masterstudierenden signifikant geringer ausgeprägt als im Bachelor, auch antisemitische Haltungen scheinen in der Tendenz abzunehmen." Allerdings sei der gemessene Unterschied hier nicht statistisch bedeutsam gewesen.
Anzeichen dafür, dass das Konzept der staatlichen Islam-Studiengänge doch aufgeht? Bülent Ucar ist Professor für Islamische Religionspädagogik an der Universität Osnabrück und einer der bekanntesten Korangelehrten in Deutschland.
Er sagt: "Unsere Studienanfänger sind konservativer und deutlich religiöser als andere junge Muslime. Die Konfrontation mit der Wissenschaft und kritischer Reflexion führt dazu, dass ein beträchtlicher Teil das Studium wieder abbricht. Ein anderer Teil aber verändert mit den Semestern seine Positionen und Einstellungen, das Studium wirkt sich auf ihr Denken, Wirken und Leben aus."
An die Grundprinzipien
der Demokratie gebunden
Also ja, sagt Ucar: Die Studierenden verträten im Schnitt problematischere Positionen, aber Sinn und Erfolg des Studiums bestünden ja genau darin, "dass sie am Ende auf der Basis ihres Glaubens, der wissenschaftlichen Methoden und auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Kontext der Schule Religionsunterricht gestalten können." Dies, fügt Ucar hinzu, seien am Ende die glaubwürdigen Vorbilder, auf die junge Muslime hörten – "weil sie ihren Glauben teilen, ihnen zugleich aber neue Perspektiven eröffnen können."
Nordrhein-Westfalen hatte 2012 als erstes Bundesland islamischen Religionsunterricht als Regelfach an öffentlichen Schulen angeboten, zunächst an 33 Grundschulen. Inzwischen sind 246 – auch weiterführende – Schulen dabei, doch selbst nach zwölf Jahren werden lediglich sechs Prozent der knappen halben Million muslimischer Schüler in NRW erreicht.
Und zwischen 2018 und 2022 gab es nur 97 (alle aus Münster stammende) Lehramtsabsolventen für dieses Fach. Seit 2019 seien die Plätze für islamische Theologie nicht voll ausgeschöpft, zitiert der WDR die Universität Münster. Im laufenden Semester seien 70 Lehramtsstudierende für islamische Religion eingeschrieben.
Zu der Umfrage aus Münster heißt es aus dem NRW-Schulministerium, diese enthalte Daten aus dem Jahr 2022, sei nicht vom Ministerium in Auftrag gegeben worden und betreffe "primär das Studium der islamischen Theologie im BA-Studiengang und damit nicht nur das Lehramtsstudium".
Der Islamische Religionsunterricht unterliege in Nordrhein-Westfalen staatlicher Kontrolle und werde gemäß Schulgesetz regelmäßig evaluiert. Er werde in deutscher Sprache auf der Grundlage staatlicher Lehrpläne erteilt. Die Schulaufsicht begleite die Schulen.
"Der Unterricht ist wie alle anderen Fächer auch an die Grundprinzipien der Demokratie gebunden. Studienabsolventinnen und Studienabsolventen, die in die schulpraktische Lehrerausbildung des Vorbereitungsdienstes eintreten, werden unabhängig davon, ob sie als Beamte auf Probe oder als Tarifbeschäftigte beschäftigt werden, dienstrechtlich zu einem Bekenntnis zum Grundgesetz verpflichtet." Im Fall von Pflichtverletzungen würden erforderlichenfalls auch dienstrechtliche Konsequenzen gezogen.
Dieser Beitrag erschien zuerst im Tagesspiegel.
In eigener Sache: Die Unterfinanzierung wächst
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