In einem internen Beschluss verständigen sich BMBF und Kultusminister auf Ansätze für eine neue gemeinsame Zeitplanung, legen die nächsten Schritte fest und stellen nebenher ein paar scheinbare Selbstverständlichkeiten klar.
Foto: Brad Flickinger, CC BY 2.0.
JETZT STEHT FEST, was alle Experten längst befürchtet haben: Die Verhandlungen um den geplanten Digitalpakt 2.0 werden über den Juni hinaus andauern. Das geht aus dem neuen Arbeitsplan hervor, auf den sich BMBF und Kultusminister geeinigt haben. Damit ist die Forderung der Länder, zumindest bis zum Treffen der Kultusministerkonferenz (KMK) Mitte Juni eine unterschriftsreife Vereinbarung vorliegen zu haben, endgültig passé. Ursprünglich hatten Bund und Länder sogar bis Mitte Mai, dem offiziellen Ende des Digitalpakts 1.0, fertig sein wollen, um den Schulen und Schulträgern direkt eine Anschlussperspektive präsentieren zu können. Doch inzwischen steht sogar in den Sternen, ob überhaupt noch vor der Sommerpause unterschrieben werden kann.
Vergangenen Dienstag hatte sich die Verhandlungsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre von Bund und Ländern getroffen und ihre Positionen abgeklopft, nachdem zunächst der Bund Ende April die Länder mit dem völlig neuen Entwurf einer "Gesamtvereinbarung zwischen Bund und Ländern über den Digitalpakt 2.0 (2025-2030)" konfrontiert hatte. Woraufhin die Länder zehn Tage später mit eigenen Forderungen gekontert hatten. Entsprechend kompliziert scheint sich das Gespräch vergangene Woche gestaltet zu haben, so dass es noch einmal fast eine Woche dauerte, bis man sich per Umlaufverfahren zumindest auf die nächsten Verhandlungsschritte verständigt hatte, inklusive Ansätzen einer neuen Zeitplanung. Der interne Beschluss liegt mir vor.
Das sind die wesentlichen Punkte des
gemeinsam formulierten "Arbeitsauftrags"
o Die verhandelnde Fachebene von Bund und Ländern soll sich "zeitnah" zu einer mehrtägigen Klausur treffen. Konkret, ist zu hören, sollen es der 18. und 19. Juni werden. Während der Klausur sollen "gemeinsame Textentwürfe" vor allem für die vom Bund geforderte Rahmenvereinbarung erarbeitet werden. Doch anders als vom Bund verlangt soll dabei nicht sein Aufschlag von Ende April als Grundlage gelten, sondern "auf Basis der von Bund und Ländern vorgelegten Papiere" soll "ein neuer Entwurf der Rahmenvereinbarung" entstehen. Allerdings stimmten die Länder zu, dass "insbesondere auch" die im BMBF-Konzept aufgeführten drei "Handlungsstränge" feste Bestandteile werden. Die Kultusminister sind also auch einverstanden, über die – von ihnen eigentlich abgelehnte – Weiterfinanzierung der digitalen Kompetenzzentren aus Digitalpakt-Mitteln (Handlungsstrang II) zumindest zu verhandeln.
o "Sehr zeitnah" nach der Klausurtagung sollen sich dann die verhandlungsführenden Staatssekretäre, Torsten Klieme aus Bremen, Wilfried Kühner aus Sachsen und Sabine Döring für das BMBF, über den Rahmenvereinbarungs-Entwurf der Fachebene beugen und ihn gemeinsam "bewerten". Direkt danach erteilen sie der Fachebene den Auftrag, "zügig neben der Arbeit an der Rahmenvereinbarung auch die weitere Finalisierung der Verwaltungsvereinbarung voranzutreiben". Diese liegt seit Februar mehr oder weniger auf Halde.
o Es muss wirklich schnell gehen, denn schon in der 26. Kalenderwoche (ab 24. Juni) ist die nächste Verhandlungsgruppe auf Ebene der Staatssekretäre geplant, um über die Entwürfe von Rahmen- und Verwaltungsvereinbarung als "gleichwertige Gesprächspunkte" zu sprechen. Was die Vorbereitung dafür sein soll, dass im Juli die Minister beiden den letzten Schliff geben?
Ministerieller Schliff
dann im Juli?
Könnte sein, heißt es aus Verhandlungskreisen. Erstens ist das Ziel mit der 26. Kalenderwoche – trotz des Zeitdrucks, den die Länder auf den Bund ausüben – unter einem starken Vorbehalt ("Je nach Beratungs- und Bearbeitungsstand") formuliert. Zweitens würde ein ministerieller Schliff im Juli voraussetzen, dass der Bund bis dahin sagt, welche Geldsumme er denn nun für den Digitalpakt 2.0 auszugeben bereit ist. An der Stelle klafft in allen bisherigen Vereinbarungsentwürfen eine Leerstelle.
Viele Kultusminister vermuten ja, dass all die zeitlichen Verzögerungen der vergangenen Monate vor allem daher rühren, dass BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) selbst nicht weiß, wieviel Geld sie von ihrem Parteikollegen und Finanzminister Christian Lindner für den Pakt bekommt. Und das soll wohl bis zur Haushaltsklausur der Bundesregierung im Juli so bleiben. Und dann? Müsste es mit einem Mal schon sehr harmonisch laufen, damit der Digitalpakt 2.0 noch vor der Sommerpause steht, heißt es aus den Ländern – betont pessimistisch nach dem Hin und Her der nun schon seit anderthalb Jahren andauernden Digitalpakt-Verhandlungen.
Die Verhandlungs-Verwerfungen
spiegeln sich im Einseiter wider
Die Verwerfungen besonders der vergangenen Wochen spiegeln sich auch in dem sachlich abgefassten, nur vier Ziffern umfassenden Arbeitsauftrags-Einseiter, auf den sich Bund und Länder geeinigt haben. So werden an mehreren Stellen scheinbare Selbstverständlichkeiten explizit erwähnt. Etwa, dass "die jeweiligen VertreterInnen von Bund und Ländern ausreichend mandatiert (werden), so dass gemeinsame Textentwürfe erarbeitet werden können". Sollte bei Verhandlungen selbstverständlich sein – doch geht diese Forderung auf Beschwerden der Länder zurück, sie hätten mehrfach mit der BMBF-Fachebene Sachverhalte und Textpassagen abgesprochen, die dann anschließend von der Hausleitung kassiert worden seien.
Und wenn auf Grundlage der von Bund und Ländern vorgelegten Papiere "ein neuer Entwurf" der Rahmenvereinbarung entstehen soll, ist eigentlich auch das Teil jedweder partnerschaftlichen Verhandlungen – doch hatten die Länder genau diese beim Bund in den vergangenen Monaten offenbar wiederholt vermisst. Entsprechend legt der verabredete "Arbeitsauftrag" zusätzlich fest, dass besagter Entwurf "unter Berücksichtigung des durch die föderale Ordnung vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmens erarbeitet" werden soll. Was denn sonst, will man fragen, doch gab es auch hier auf Seiten der Länder große Erregung, das BMBF habe mit seinen Forderungen Ende April an der Verfassungsmäßigkeit gerüttelt und sich in die inneren Angelegenheiten von Ländern und Kommunen eingemischt.
Nein, eine neuer Geist geht noch nicht aus von diesem neuen Ansatz einer gemeinsamen Zeitplanung. Aber immerhin haben sich BMBF und Kultusminister nach dem Schlagabtausch von Ende April/Anfang Mai auf Konkretes einigen können. Eine erste vertrauensbildende Maßnahme. Noch mehr müssen jetzt folgen. Denn auch wenn Bettina Stark-Watzinger und KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) am Dienstagmittag die offizielle Unterzeichnung des Startchancen-Programms feierten: Das Vertrauen der Bildungsszene, dass den föderalen Verhandlungspartnern beim Digitalpakt 2.0 das Gleiche gelingt, bleibt erschüttert.
BMBF: "Scheindebatten" und "Blockadehaltung" einiger Länder haben wertvolle Zeit gekostet
KMK-Präsidentin Streichert-Clivot kommentierte auf Anfrage: "Wir brauchen den Digitalpakt 2.0 zum 1. Januar 2025." Das sei und bleibe das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern – so wie sie "das
Ziel der besten Bildung für unsere Kinder und Jugendliche" eine.
Bund und Länder hätten beim Startchancen-Programm und auch bis jetzt bei den Verhandlungen zum Digitalpakt 2.0 gezeigt, "dass sie in sehr kurzen und sachorientierten Abstimmungsprozessen auf aktuelle Herausforderungen reagieren und tragfähige Lösungen für den flächendeckenden Aufbau einer zeitgemäßen digitalen Bildungsinfrastruktur erarbeiten". Allerdings, fügte Streichert-Clivot hinzu, müsse der Bund jetzt unbedingt sagen, mit welcher Finanzierungshöhe gerechnet werden könne. "Dazu wurde auch bereits eine Erwartung an den Bund formuliert: mindestens 6,5 Milliarden auf fünf Jahre. Diese ist nicht nur für die Länder ausschlaggebend sondern auch für die Schulträger, die ebenfalls von dem Programm betroffen sind."
Aus dem BMBF hieß es, anstatt sich wochenlang mit Prozessfragen und verfassungsrechtlichen Scheindebatten zu beschäftigen, hätte man längst wichtige Fragen beispielsweise zur Lehrkräftebildung oder Governance des Digitalpakts 2.0 klären können. Die Blockade einiger Länder, lange Zeit überhaupt nicht über ein Gesamtkonzept sprechen zu wollen, habe wertvolle Zeit gekostet. Vielleicht suche manches Kultusministerium nun auch gezielte Ablenkungsmanöver, weil es mit Blick auf die hälftige Kofinanzierung plötzlich kalte Füße bekomme. Diese "Blockadehaltung" sei durch den gemeinsamen Arbeitsauftrag nun aber glücklicherweise vorerst überwunden. Jetzt müsse Tempo in die Gespräche kommen. Denn die Zeit dränge und erst wenn ein gemeinsames konzeptionelles Gerüst erkennbar sei, könne man endlich über konkrete Zahlen sprechen. Klares Ziel sei der Start des Digitalpakts 2.0 "im kommenden Jahr".
Hinweis: Die Statements von KMK-Präsidentin Streichert-Clivot und aus dem BMBF wurden am 05. Juni ergänzt.
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