Die Regierungsfraktionen korrigieren den Kabinettsentwurf vom März und machen eine Ankündigung von SPD und Grünen wahr.
AM VORMITTAG TAGTE der Bundestags-Bildungsausschuss, danach wurde bekannt: Anders als vom BMBF geplant soll es in diesem Jahr doch noch eine Erhöhung der BAföG-Bedarfssätze geben. Von einem "Verhandlungsdurchbruch" war laut SPD-Bundestagsfraktion die Rede. So soll der Grundbedarf von August an um weitere fünf Prozent steigen, der Wohnkostenzuschlag von 360 auf 380 Euro. Ein Plus bei den Elternfreibeträgen um fünf Prozent hatte bereits der im März verabschiedete Kabinettsentwurf vorgesehen, jetzt sollen es 5,25 Prozent sein. Die entsprechend geänderte Formulierungshilfe für die Bundestagsfraktionen wurde am Mittwoch von der Bundesregierung beschlossen.
Damit nutzt die Koalition in diesem Jahr voraussichtlich nun doch immerhin über 100 der rund 150 im vergangenen Herbst vom Haushaltsausschuss zusätzlich für die Reform zur Verfügung gestellten Millionen. Inklusive den aus der Erhöhung resultierenden Mehrkosten im Rahmen von Aufstiegsfortbildungsfördergesetz (AFBG) und Begabtenförderung, die nicht Teil des BAföG-Titels sind, sollen es rund 110 Millionen sein.
Novelle schöpft jetzt mehr
vom vorhandenen Geld aus
Für seinen Plan, 2024 von den 150 Millionen weniger als die Hälfte, nämlich 62 Millionen, im Rahmen seiner Novelle nutzen zu wollen, war das BMBF zuvor heftig kritisiert worden, auch aus den Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen. Im vom Bundeskabinett im März beschlossenen Reformentwurf bereits enthalten gewesen waren neben der Erhöhung der Elternfreibeträge unter anderem die Einführung eines Flexibilitätssemesters über die Förderungshöchstdauer hinaus, eine Studienstarthilfe für besonders arme Studierende in Form eines einmaligen Zuschusses und eine Verlängerung der Frist für einen förderungsunschädlichen Wechsel des Studienfachs. Nicht aber eine Erhöhung von Bedarfssätzen und Wohnkostenzuschlag.
Das Ministerium hatte zur Begründung darauf verwiesen, dass BAföG-Änderungen in der Regel zu mehrjährigen Kosten führten. Der Regierungsentwurf sei deshalb so konzipiert worden, dass die Kosten im BAföG in allen kommenden Jahren in der bestehenden Finanzplanung gedeckt seien, sagte ein BMBF-Sprecher bereits im Januar. Da die geplanten Veränderungen erst zum Wintersemester 2024/25 in Kraft treten sollten, fielen die Ausgaben im ersten Jahr der Reform geringer aus als in den folgenden Vollwirkungsjahren. "Würden die 150 Millionen Euro 2024 komplett für dauerhafte Änderungen des BAföG eingesetzt, würden in den Folgejahren Kosten von rund 600 Millionen Euro pro Jahr entstehen, die zusätzlich finanziert werden müssten."
Demgegenüber hatte etwa die SPD-Haushaltspolitikerin Wiebke Esdar wiederholt betont, mit seinem Maßgabebeschluss habe der Haushaltsauschuss auch deutlich gemacht, "wofür genau wir das zusätzliche Geld bereitstellen, nämlich auch dafür, dass das BAföG den stark gewachsenen Lebenshaltungskosten der Studierenden gerecht wird – natürlich betrifft das auch die Studierenden, die heute schon den Höchstsatz bekommen."
SPD: "Wichtiges Signal
der Verlässlichkeit"
Dass die Folgekosten der Novelle nach der am Mittwoch bekannt gewordenen weiteren BAföG-Aufstockung nun auch in den nächsten Jahren höher ausfallen, bestreitet in der Ampelkoalition keiner. Deshalb sei auch eine vollständige Ausschöpfung der 150 Millionen Euro in diesem Jahr nicht umsetzbar gewesen in der Koalition.
Die zuständige SPD-Berichterstatterin Lina Seitzl sagte: "Wir zeigen, dass wir auch in einer schwieriger Haushaltslage die Situation junger Menschen fest im Blick behalten." Mit einem neuen BAföG-Höchstsatz von knapp 1000 Euro sei zum zweiten Mal in dieser Wahlperiode ein deutlicher Schritt gelungen. "Auch haben wir durchgesetzt, die Schuldenlast bei der BAföG-Rückzahlung stabil zu halten. Das ist ein wichtiges Signal der Verlässlichkeit." Als nächstes werde man die Ergebnisse der Sachverständigenanhörung im Ausschusss vom Mittwochvormittag sorgfältig auswerten, "um mögliche weitere Verbesserungen zu erzielen", sagte Seitzl.
Ähnlich äußerte sich die grüne Obfrau im Bildungsausschuss, Laura Kraft. Die Koalitionsfraktionen hätten sich auf erste Verbesserungen bereits einigen können. "Die Anhörung hat uns den Rücken für diese wichtigen weiteren Verbesserungen gestärkt und uns auch gezeigt, wie BAföG langfristig ausgestaltet werden muss", sagte Kraft.
Studierende und Studierendenwerk: Immerhin
eine Aufstockung, aber "zu gering", "zu schwach"
Die Juso-Hochschulgruppen sprachen von einem Erfolg durch den massiven Druck von Studierendenverbänden. "Die Erhöhung des Förderhöchstsatzes um knapp fünf Prozent ist aufgrund der Inflation der letzten beiden Jahre aber viel zu gering", sagte Roman Behrends, Mitglied des Bundesvorstandes der Juso-Hochschulgruppen. "Angemessen wäre eine mindestens dreimal so hohe Aufstockung gewesen."
Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Studierendenwerks (DSW), Matthias Anbuhl, nannte die Nachbesserungen "ein wichtiges politisches Signal", sie seien aber "insgesamt noch zu schwach, um dem BAföG den großen Schub zu verleihen, den es so dringend benötigt." Auch eine auf 380 Euro im Monat erhöhte BAföG-Wohnkostenpauschale liege noch unter der Düsseldorfer Tabelle, die beim Elternunterhalt 410 Euro im Monat für die Miete vorgebe. Fünf Prozent höhere BAföG-Bedarfssätze seien besser als, "wie bisher unverständlicher Weise vom BMBF geplant, eine weitere Nullrunde". Anbuhls Fazit: "Endlich doch eine Nachbesserung, aber wir brauchen aber deutlich mehr Kraft, noch mehr Stärkung fürs BAföG."
Vorerst dürfte es das freilich jedoch gewesen sein. Die Verabschiedung der Novelle im Bundestag ist laut SPD-Fraktion in der kommenden Woche geplant, anschließend muss der Bundestag noch zustimmen.
Nachtrag:
Am Nachmittag veröffentlichten Lina Seitzl, Laura Kraft und ihre FDP-Berichterstatterkollegin Ria Schröder eine gemeinsame Stellungnahme und sprachen von Nachbesserungen für die BAföG-Strukturreform "an entscheidenden Stellen" als Ergebnis langer Verhandlungsrunden. "Mit dem jetzigen Verhandlungsergebnis sind wir zuversichtlich, dass wir als Ampelkoalition ein weiteres wichtiges Reformpaket für junge Menschen auf den Weg bringen, das sich sehen lassen kann", teilten sie darin mit.
Der bildungspolitische Sprecher der CDU-/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, sprach von einem Schritt "in die richtige Richtung", doch bleibe die BAföG-Reform der Ampel selbst in ihrer korrigierten Fassung noch hinter der Inflation und den Empfehlungen des BAföG-Berichtes zurück. "Gerade in den Uni-Städten sind die Mieten massiv gestiegen. Die Ampelkoalition geht nicht an die strukturellen Probleme des BAföG ran." Insbesondere eine Entschlackung der einzureichenden Unterlagen sei notwendig. "Der Wahnsinn ist, dass für die Studienstarthilfe nun noch ein eigener Antrag hinzukommt. Das wird die BAföG-Ämter massiv zusätzlich belasten."
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