"FragDenStaat" hatte schon Mitte Mai die Herausgabe "sämtlicher Kommunikation" im BMBF nach dem umstrittenen Offenen Brief verlangt. Die Unterlagen könnten Aufschluss geben über wesentliche offene Fragen der Fördermittel-Affäre. Doch das Ministerium mauert bislang.
WAS WUSSTE Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) wann über die Fördermittel-Affäre, welche Prüfung genau wurde von wem beauftragt, welche Missverständnisse gab es dabei und wer hat was richtiggestellt? Fragen, die über die Bewertung der Vorgänge, die Rolle der beteiligten Akteure und damit auch über die Zukunft der Ministerin entscheiden könnten, nachdem diese am Wochenende ihre Staatssekretärin Sabine Döring als angebliche Hauptverantwortliche entlassen hatte.
Die Antworten könnten in den Unterlagen enthalten sein, die das Portal "FragDenStaat" bereits Mitte Mai, also vor über einem Monat, beim BMBF im Rahmen einer Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) angefordert hat. Insider im Ministerium berichten, die Bearbeitung der Anfrage durch die Fachabteilung sei längst abgeschlossen, trotzdem hält das Ministerium die betreffenden Mails, Vermerke und weiteren Unterlagen noch immer zurück. Obwohl allen Verantwortlichen im Ministerium klar sein muss, dass sie damit die Aufklärung verzögern.
"Bitte senden Sie mir Folgendes zu", schrieb Arne Semsrott von "FragDenStaat" am 17. Mai ans Ministerium: "Sämtliche interne Informationen zur Prüfung in Bezug auf den Protestbrief von etwa
100 Lehrenden gegen die polizeiliche Räumung einer propalästinensischen Demonstration an der FU."
Und weiter: "Die Informationen sollen sämtliche Kommunikation enthalten (u.a. die Weisung von StS Döring und weitere Kommunikation), das Ergebnis der (juristischen) Prüfung (u.a. in Bezug auf
straf- und dienstrechtliche sowie förderrechtliche Konsequenzen für die Lehrenden) und etwaige (Leitungs-)Vorlagen sowie Vermerke und Kommunikation mit Dritten."
"Aufgrund der Komplexität des Antragsgegenstands
noch nicht abgeschlossen"
Die Frist zur Beantwortung lief am 17. Juni ab: dem Tag, an dem sich BMBF-Chefin Stark-Watzinger erstmals einer 16 Minuten langen, für sie wenig schmeichelhaften Befragung von Journalisten in der Bundespressekonferenz aussetzte. Am selben Tag teilte das Ministerium Semsrott in einem Zweizeiler mit: "Die interne Prüfung der Unterlagen zu Ihrer Anfrage konnte aufgrund der Komplexität des Antragsgegenstands noch nicht abgeschlossen werden, daher dauert die Bearbeitung Ihrer Anfrage derzeit noch an."
Am Mittwochmittag fragte ich im Ministerium nach: "Welchen Grund gibt es, dass die Beantwortung dieser Anfrage noch nicht vom Ministerium herausgegeben wurde, obwohl sie Quellen zufolge bereits länger fertiggestellt ist und in der aktuellen politischen Debattenlage von höchster Dringlichkeit wäre?" Und ich bat um die Angabe des Veröffentlichungstermins.
Auf eine Frist zur Beantwortung bis Mittwochabend reagierte das Ministerium nur mit dem Hinweis, die Beantwortung verschiebe sich "auf morgen". Seitdem Schweigen.
Neue dringliche Fragen
sind dazu gekommen
Dabei könnte die Veröffentlichung weitere dringliche Fragen beantworten, die durch aktuelle Recherchen unter anderem vom STERN und ZEIT seit Mittwochmorgen hinzugekommen sind.
- Der STERN schrieb, bereits am 10. Mai, kurz nach Bekanntwerden des offenen Briefes, soll "im Ministerium der Auftrag ergangen sein, eine Liste mit Namen derjenigen Dozenten und Dozentinnen zu erstellen, die den Brief unterzeichnet hatten und Fördergelder vom Ministerium erhalten hatten. Auftraggeber soll aber dem Vernehmen nach nicht Döring, sondern das Pressereferat und ein Abteilungsleiter gewesen sein. Intern soll der Auftrag damit begründet worden sein, man wolle auf Anfragen der Presse vorbereitet sein."
- Döring hatte in ihrer hausinternen Mail am vergangenen Freitag angegeben, eine förderrechtliche Prüfung sei "zwar nicht von ihr beabsichtigt gewesen, aber wohl so zu verstehen gewesen", woraufhin sie diese gestoppt habe. Doch laut STERN behauptet nun das BMBF, nicht Döring selbst habe die Prüfung abgeblasen, sondern der Leiter der zuständigen Fachabteilung.
- Die ZEIT wiederum berichtete, am 17. Mai sei Unterlagen zufolge in Anwesenheit der Ministerin um eine "verfassungsrechtliche Einordnung" des offenen Briefs gebeten worden. "Das Ministerium sagt auf Nachfrage, an diesem Tag sei die mögliche Streichung von Fördermitteln kein Thema gewesen. Kann das sein?"
Was genau Thema der Leitungsrunde am 17. Mai war und was in dessen endgültigen Ergebnisvermerk steht, könnte die Beantwortung der IFG-Anfrage ebenso klären wie die Frage, ob die Erstellung besagter Liste wirklich auf Eigeninitiative der Pressestelle bzw. eines Abteilungsleiters erfolgte.
Und klar werden sollte ebenfalls, ob nun Döring selbst die förderrechtliche Prüfbitte stoppte oder, wie das BMBF behauptet, jemand anders – was offenbar Dörings Hauptverantwortung an den Vorgängen unterstreichen und andere (die Ministerin?) aus der Schusslinie nehmen soll.
Vorerst aber schweigt das Ministerium.
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GN (Donnerstag, 20 Juni 2024 13:34)
Endlich rückt auch einmal die Rolle der Abteilungsleitung in den Blick. Die Abteilungsleitungen übersetzen ja die politischen Zielsetzungen in Verwaltungshandeln. Und schon in der im Bericht von Panorama veröffentlichten internen BMBF-Mail heißt es: „Aus Sicht von Abt. 4 sollten beim ersten Punkt [juristische Prüfung, GN] auch die Verfassungsressorts BMI und BMJ einbezogen werden.“ Hier hätte die Abteilungsleitung längst remonstrieren müssen.