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Fördergeld-Affäre: Zwei Klagen gegen das BMBF

Nach "FragDenStaat" geht nun auch die entlassene Staatssekretärin Döring gegen das Ministerium vor, berichtet die ARD. Das BMBF mauert derweil auch an anderen Stellen.

BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP). Foto: Frank Gaeth, CC BY-SA 4.0 , via Wikimedia Commons.

WER HAT im Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) eine Liste mit BMBF-geförderten Unterzeichnern eines Offenen Briefs veranlasst, die Ministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zuvor scharf kritisiert hatte? Wie kam es zu dem Auftrag, förderrechtliche Konsequenzen für die Wissenschaftler zu prüfen, und wer in der Ministeriumsleitung wusste wann etwas von welchen Vorgängen?

 

Gerade erst hatte die Plattform "FragDenStaat" zwecks Aufklärung gerichtlich eine einstweilige Anordnung gegen das BMBF durchgesetzt, nun geht auch die im Zuge der Fördergeld-Affäre von Stark-Watzinger entlassene Staatssekretärin Sabine Döring gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber vor: Das ARD-Hauptstadtstudio berichtet, dass Döring vor dem Verwaltungsgericht Berlin Klage eingereicht habe – mit dem Ziel, sich selbst zu den Vorgängen öffentlich äußern zu dürfen. Das habe das Gericht Berlin dem ARD-Hauptstadtstudio bestätigt.

 

Auf meine Anfrage hatte die Ex-Staatssekretärin vor zwei Wochen auf ihre Verschwiegenheitspflicht verwiesen. Diese könne nur der Dienstherr, also die Ministerin, aufheben. Doch teilte das Ministerium mit: "Mit Blick auf die beamtenrechtlichen Vorschriften hat Staatssekretärin a.D. Prof. Dr. Sabine Döring keine Genehmigung zur Auskunft hierzu gegenüber den Medien." 

 

Laut ARD-Hauptstadtstudio hatte das BMBF Döring für den Fall eines Verstoßes gegen die durchs Bundesbeamtengesetz geregelte dienstliche Verschwiegenheitspflicht sogar explizit Disziplinarmaßnahmen angedroht, weswegen Döring ein Recht zur Äußerung nun gerichtlich durchsetzen wolle.

 

Ein politisch außerordentlich seltener Vorgang – meist treten in den Ruhestand versetzte Staatssekretäre geräuschlos ab. 

 

Gericht ordnet an: BMBF darf
keine Kurznachrichten löschen

 

Doch geräuschlos ist derzeit nichts im Zusammenhang mit der Fördergeld-Affäre. Am Mittwoch hatte das Verwaltungsgericht Köln entschieden, dass das Ministerium von Stark-Watzinger vorerst alle internen Kurznachrichten sichern muss, die im Zusammenhang mit der Affäre über den Messenger-Service "Wire" verschickt wurden. Auch das automatisierte Löschen der Nachrichten müsse zunächst deaktiviert werden. 

 

Der Antrag von "FragDenStaat" hatte alle Wire-Nachrichten im Zeitraum vom 07. Mai bis 24. Juni umfasst, "die die Bundesministerin Bettina Stark-Watzinger, ihr persönlicher Stab, die Staatssekretäre und Staatssekretärinnen sowie der weitere Leitungsstab über den Kommunikationsdienst" geschickt hatten.  

 

Hintergrund war, dass das Ministerium nach einem IFG-Antrag von "FragDenStaat" zwar umfangreiche Unterlagen und E-Mails veröffentlicht hatte, darin aber keinerlei Wire-Nachrichten enthalten waren – obwohl die Führungsspitze sich Insidern zufolge rege über den Dienst austauscht. 

 

Das BMBF habe gegenüber "FragDenStaat" keine Bestätigung gegeben, dass keine Löschung erfolgen werde, argumentierte die Plattform daraufhin gegenüber dem Gericht. "Da der Antragsteller zu seinem Anliegen im BMBF die Löschung der Wire-Kommunikation fürchtet, ist nun das Ersuchen um einstweiligen Rechtsschutz im Wege einer Sicherungsanordnung geboten."

 

Das BMBF argumentierte laut Gericht, dass die Wire-Nachrichten nicht als amtliche Kommunikation im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) einzuordnen sei, und habe auch nicht zugesichert, "die begehrten Informationen bis zu einer gerichtlichen Entscheidung vorzuhalten".

 

Weshalb das Verwaltungsgericht dem Antrag von "FragDenStaat" mit der Begründung nachkam, dass der Plattform bei einer Löschung der Kurznachrichten "irreversible Nachteile" drohten. Da das BMBF nach Auffassung der Richter keine hinreichenden Maßnahmen zur Datensicherung ergriffen habe, werde mit der einstweiligen Anordnung sichergestellt, dass vom Ministerium vor Abschluss der rechtlichen Auseinandersetzungen keine vollendeten Tatsachen geschaffen würden.

 

So habe das Ministerium nach Zustellung des Eilantrags "alle in Betracht kommenden Personen lediglich gebeten […], die mögliche Selbstlöschungsfunktion bei der App 'Wire (Bund)' einstweilen zu deaktivieren", heißt es weiter im Beschluss. "Damit ist weder ersichtlich, dass die Deaktivierung der Funktion und somit die Sicherung der potentiell antragsgegenständlichen Daten verbindlich geregelt worden wäre, noch ergibt sich hieraus, dass eine Sanktionierung vorgesehen wäre, sollten einzelne Personen der Bitte vor einer gerichtlichen Entscheidung in der Sache nicht nachkommen."

 

An welchen Morgenlagen hat die
Ministerin denn nun teilgenommen?

 

Weiterhin mauern tut das BMBF auch an anderen Stellen. So gab die Pressestelle mehrfach keine Antwort auf die explizite und wiederholte Frage, an welchen einzelnen Tagen im Zeitraum zwischen 8. Mai und 17. Mai in Anwesenheit der Ministerin sogenannte Morgenlagen im BMBF stattgefunden haben, bei denen normalerweise über die aktuelle Presseberichterstattung gesprochen wird. In diesem Zeitraum wären, davon ist auszugehen, auch der Offene Brief und der Umgang des Ministeriums damit mehrfach Thema gewesen. Das BMBF hat bislang lediglich, dafür aber mehrfach bekräftigt, Stark-Watzinger sei am 10. und am 13. Mai nicht dabei gewesen.

 

Auch betont Stark-Watzinger, erst durch eine Panorama-Recherche im Juni überhaupt erfahren zu haben, dass am 13. Mai ein Prüfauftrag von Staatssekretärin Döring veranlasst wurde. Bei dessen telefonischer Erteilung, schrieb Döring kurz vor ihrer Entlassung in einer BMBF-internen Mitteilung, habe sie sich "offenbar missverständlich ausgedrückt". Förderrechtliche Konsequenzen seien von ihr nicht intendiert gewesen, die Unklarheit sei "sehr zeitnah" in einem weiteren Telefonat ausgeräumt worden.

 

Zwei Tage nach dieser Mitteilung versetzte Stark-Watzinger Döring in den einstweiligen Ruhestand, Begründung: Die Vertrauensbasis für eine weitere Zusammenarbeit sei nicht mehr gegeben.

 

Wie aus den von BMBF veröffentlichten IFG-Unterlagen hervorgeht, gab es allerdings schon am 10. Mai einen ersten Prüfauftrag, in dem sich ein Abteilungsleiter und das Pressereferat danach erkundigt hatten, welche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des offenen Briefes Fördergelder erhalten. Daraufhin wurde unter der – widerwilligen – Mitwirkung eines Projektträgers eine Liste erstellt. 

 

Das BMBF sagte dazu, eine "Übersicht der Unterzeichner" sei "auf Fachebene" erstellt wurden, um auf Nachfragen der Presse vorbereitet zu sein.

 

Doch darf das Ministerium gar keine persönlichen Daten zu den Mittelempfängern an Medien herausgeben.

 

Die Liste sei auf Fachebene verblieben, betont das BMBF, sie sei nicht der Ministerin vorgelegt und auch nicht an das Pressereferat oder Dritte übermittelt worden. 

 

"Warum führt aus Sicht der Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger der Vorgang vom 13. Mai (Prüfbitte) zum Vertrauensverlust gegenüber der ehemaligen Staatssekretärin Dr. Sabine Döring und der am 10. Mai (1. Prüfbitte) nicht gegenüber den leitenden Beamten?", wollte die linke Bundestagsabgeordnete Nicole Gohlke daraufhin per parlamentarische Anfrage vom BMBF wissen.

 

Die Antwort der Bundesregierung: der erneute Verweis auf die im Zuge der Sachstandsaufklärung nach dem Panorama-Bericht bei Stark-Watzinger entstandene Überzeugung, dass die Vertrauensbasis mit Döring nicht mehr gegeben gewesen sei. Zu dem Vorgang vom 10. Mai und seinen Konsequenzen: kein Wort.



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Kommentare: 1
  • #1

    Edith Riedel (Freitag, 05 Juli 2024 20:53)

    Gut, dass die Staatssekretärin a.D. sich hier zu Wehr setzt! Ganz so einfach funktioniert das nicht mehr mit den Bauernopfern, das sollte so langsam klar sein.