· 

Sparen gegen die Transformation

Die Regierung schrumpft die Energieforschung. Das hat Folgen für die Forschungsinstitute. Und für die Gesellschaft. Ein Gastbeitrag von Christine Kühnel.

Christine Kühnel ist Geschäftsführerin am Berliner Reiner Lemoine Institut, das an erneuerbaren Energien forscht. Foto: Stefan Klenke.

SEIT VERGANGENEM FREITAG kennen wir die Eckpunkte des Bundeshaushalts 2025, dabei sieht es für die Energieforschung finster aus. Bereits für 2024 kürzte die Bundesregierung Projektmittel und schrumpfte so die Forschung in diesem Bereich. Für das laufende Jahr erwartet der Verbund "Energietechnologien und Klimaschutz" der Fraunhofer-Gesellschaft eine Kürzung der verfügbaren Mittel für neue Projekte von 30 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Nun wird deutlich: Die langfristige Finanzierung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) und seiner Förderprogramme konnte die Regierung nicht klären und schiebt das Thema in die nächste Legislaturperiode. Bereits für 2024 fehlten hier 60 Milliarden Euro. Für den Haushalt 2025 befürchten wir weitere Einschnitte bei der Energieforschung. 

 

Sieht so klimafreundliche Politik aus? Ohne Forschungsförderung fehlen Innovationen für die Energiewende, und das gefährdet Klimaziele. Die Transformation des Energiesystems ist von erfolgreichen interdisziplinären Forschungsprojekten abhängig. Dafür muss die Bundesregierung ein langfristig stabiles finanzielles Fundament schaffen.

 

Mehr Zeit für Akquise,

weniger Zeit für Forschung

 

Bei uns am Reiner Lemoine Institut (RLI) machte die aus Bundesmitteln finanzierte Energieforschung 2023 64 Prozent des Umsatzes aus. Eine Reduzierung um 30 Prozent bedeutet für uns mindestens 19 Prozent weniger Geld für Forschung. Als gemeinnütziges Institut ohne nennenswerte Grundfinanzierung oder institutionelle Mittel aus dem Bundeshaushalt würde dies bedeuten, dass wir ein Fünftel unserer Expert:innen entlassen müssten, die mit viel Erfahrung und Einsatz an Lösungen für die Energiewende forschen. 

 

Anderen Instituten, die viele Drittmittel einwerben, aber nicht durch institutionelle Mittel gesichert sind, ergeht es ähnlich hart wie uns. Das RLI, das sich auf anwendungsorientierte Technikforschung für die Energiewende konzentriert, finanziert sich zu über 90 Prozent aus Drittmitteln. 

 

Durch die Kürzungen steigt auch der Wettbewerb um schrumpfende Fördertöpfe und damit der Anteil an Akquisearbeit. Das bindet Kapazitäten an den Instituten, die für die Forschung fehlen. Statt an Lösungen für Energieversorgung, Netzengpässe oder Elektromobilität arbeiten viele Forscher:innen dann daran, überhaupt noch eine Finanzierung für ihrer Arbeit zu erhalten. 

 

Ein Beispiel veranschaulicht die Situation: Der Sektor Verkehr steht bei den Klimazielen schlecht da, strombasierte Kraftstoffe zum Beispiel für das Fliegen sollen das ändern. In einem Projekt wollten wir darum mit einem Konsortium die Erzeugung von synthetischem Kerosin erproben und bereiteten einen Förderantrag vor. Der Prozess inklusive Vollantrag zog sich über zwei Jahre, bis im Januar 2024 schließlich eine Absage kam. Wir haben in den vergangenen Monaten diese Verläufe bei Anträgen für alle unsere drei Forschungsbereiche erlebt.

 

Worauf es
jetzt ankommt

 

Die Bundesregierung kann die Energieforschung langfristig auf eine stabilere finanzielle Basis stellen. Zum Beispiel, indem sie für das Energieforschungsprogramm ministerienübergreifend mehr Mittel im Haushalt einplant und den KTF wieder stärkt. Für eine erfolgreiche Forschungsförderung sind uns aber zwei Punkte besonders wichtig:

 

o Ohne geförderte Forschungsprojekte keine erfolgreiche Energiewende. Wissenschaftler:innen erarbeiten Daten, Konzepte, Infrastrukturen oder Technologien, mit denen die Energiewende praktisch umgesetzt werden kann.

 

o Innovationstechnologien und neue Felder der Energiewirtschaft brauchen staatliche Investitionen und Förderung, bis ein Markt und ein Wettbewerb dafür entstanden sind. 

 

Weitere Maßnahmen helfen, kurzfristig und bei knappem Haushalt die Arbeit unabhängiger Forschungsinstitute sicherzustellen:

 

o Bürokratie abbauen und Förderbedingungen vereinfachen, dadurch sinkt der Aufwand für das Einreichen passender Projektanträge, und der Fokus liegt wieder auf der inhaltlichen Arbeit.

 

o Unabhängige Institute besser berücksichtigen: Die großen Forschungsgemeinschaften sind in Förderaufrufen oft direkt genannt und haben damit schon in der Skizzenphase Klarheit über die Förderbedingungen (zum Beispiel eine zu 100 Prozent kostenbasierte Förderung). Unabhängige Institute mit vergleichbaren Profilen sollten auch vergleichbar behandelt werden.

 

o Nicht genutzte Mittel kurzfristig nutzbar machen: Werden Mittel für Projekte der Energieforschung in verschiedenen Ministerien vorgehalten, aber nicht genutzt, sollten diese in den KTF zurückfließen, um diese Mittel kurzfristig neu an geeignete innovative Projekte zu verteilen. 

 

Die Energieforschung in Deutschland braucht dringend einen Haushalt, der durch einfache Projektförderung Innovationen ermöglicht und die Energiewende weiter vorantreibt. Dazu gehören verlässliche Investitionen in Forschungsprojekte und die Expert:innen, die daran arbeiten. 



In eigener Sache: Prekäre Blog-Finanzierung


Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    emob (Dienstag, 09 Juli 2024 08:53)

    o Bürokratie abbauen und Förderbedingungen vereinfachen, dadurch sinkt der Aufwand für das Einreichen passender Projektanträge, und der Fokus liegt wieder auf der inhaltlichen Arbeit.

    Diesen Punkt kann man gar nicht hoch genug bewerten und gilt natürlich im Allgemeinen, der Aufwand an Bürokratie ist unüberschaubar. Geschweige denn die Nutzerfreundlichkeit von Portalen wie easy-online oder den zahlreichen selbstgebastelten Portalen der Projektträger. Leider versprechen gerade FDP-Regierungen immer, aber setzen wenig in der Richtung um.

  • #2

    Realist (Dienstag, 09 Juli 2024 14:59)

    Nüchtern und ehrlich betrachtet ist der Output der vielen Steuermilliarden, die in die deutsche Energieforschung in dem letzten Jahrzehnt gesteckt wurde, sehr bescheiden. Das ist noch sehr vorsichtig ausgedrückt.
    Wo sind denn echte Transferprojekte hierzulande wirklich entstanden?
    Die FFB in Münster soll es richten? Nein, dieses Fraunhofer Vorzeigeprojekt ist Augenwischerei. Batteriefabriken entstehen überwiegend durch ausländische Unternehmen mit konventionellen Verfahren. Innovative Entwicklungen sind zweifelsohne vorhanden, werden aber kaum durch die hiesige Wirtschaft abgefragt oder gar umgesetzt. Unter diesem Hintergrund handelt die Politik durchaus konsequent. Sehr zum Leid der deutschen Forschungslandschaft.

  • #3

    rado (Mittwoch, 10 Juli 2024 11:07)

    In der Tat ist der substantielle Output übersichtlich. Was nötig ist, sind schlanke Verfahren bei der Beantragung, deutlich bessere Vorbereitung von Anträgen und nicht noch mehr vom gleichen. Heißt: Bestimmte Themen werden von 20 Seiten beleuchtet, ohne damit entweder die Grundlagenforschung zu stärken, oder - genauso wichtig für den Wirtschaftsstandort - Projekte mit hohem Transferpotential zu generieren. Professionelle (Neuheits-)Recherchen würden helfen die vorhandenen Mittel viel zielgerichteter einzusetzen. Letztlich geht es doch um die Frage, ob Mitarbeitende beschäftigt werden sollen oder wir uns tatsächlich mal auf den Weg machen Ergebnisse mit hohem Nutzen zu produzieren. Na klar braucht es dazu hoch qualifizierte Mitarbeitende. Aber das ständige Gejammere trägt nicht zur Lösung bei.

  • #4

    Frank Keyser (Donnerstag, 11 Juli 2024 19:19)

    Es forschen zu viele Institutionen in Deutschland oft in Konkurrenz an identischen erneuerbaren Energiethemen- auch Batterietechnolgien.
    Hier muss dringend eine Bund-Länder Konsolidierung und Reform zwischen universitären, außeruniversitären, institutionellen und privaten Einrichtungen geschaffen werden. Die deutsche Wirtschaft muss hierbei eine führende und leitende Rolle einnehmen.

  • #5

    Drittmitteljongleur (Freitag, 12 Juli 2024 12:45)

    Die Forderung des Bürokratieabbaus ist unbedingt zu untersützen. Allerdings wird dieser im Drittmittelbereich seit Jahren von allen Antragstellenden gewünscht, auf der Geberseite tut sich aber gar nichts. Hier hängen wohl zu viele Stellen und Mittel daran, die eine Verschlankung des Wahnsinns unmöglich machen.

    Als Privatperson würde ich gerne wissen, welche konkreten Beiträge die Forschungseinrichtungen bislang zur Transformation beigesteuert haben. Gerade im Verkehrsbereich werden Unternehmen die viel besseren Lösungen abieten, wenn es entweder wirtschaftlich rentabel ist oder die Politik Auflagen macht. Die tausendste Kraftstoff-Alternative ohne realen Wert, da zu teuer oder zu aufwendig, bringt uns keine Energiewende.

  • #6

    David J. Green (Montag, 22 Juli 2024 10:50)

    Lieber Herr Wiarda,
    das, was mir an Ihrem Interview vom 15.04. mit dem Kompetenznetzwerk-Lithium-Ionen Batterien ("Unsere Zukunft hängt an der Zelle", https://www.jmwiarda.de/https-www.jmwiarda.de-2024-04-15-unsere-zukunft-haengt-an-der-zelle/) gefallen hat, war, dass die Herren Krausa und Straube einerseits die Möglichkeit hatten, ihre Punkte rüberzubringen, andererseits aber kritische Rückfragen von Ihnen aussetzen mussten.