Die DATI-Gründungskommission hat in ihrem Empfehlungspapier "Transferexzellenz" als wichtigstes Ziel für die Agentur ausgegeben. Solange die HAWs strukturell benachteiligt sind, wird es damit aber nichts werden. Ein Gastbeitrag von Thomas Brunotte.
Thomas Brunotte ist Geschäftsführer der Bundesvereinigung des Hochschullehrerbunds (HLB), dem Berufsverband der Professorinnen und Professoren an Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Foto: hlb/Barbara Frommann.
DIE DATI-GRÜNDUNGSKOMMISSION hat ihr Empfehlungspapier zum Auf- und Ausbau der DATI vorgelegt. Dem Ursprungsgedanken für die Errichtung einer solchen Förderagentur, nämlich eine Art DFG für die angewandten Wissenschaften zu etablieren, begegnet die Kommission mit der Forderung nach einer konsequenten Offenheit der Fördereinrichtung für alle Akteure, insbesondere neben HAW auch Unis. Um das Kernproblem, das hinter diesem Ansatz steckt, zu kaschieren, fordert sie in englischer Sprache ein "level playing field". Das klingt interessant – auf Deutsch heißt das schlichtweg "gleiche Wettbewerbsbedingungen".
Die Wettbewerbsbedingungen der HAW gegenüber den Unis sind aber nicht gleich. Der Auftrag, Forschung, Innovation und Transfer zu betreiben, ist zum Beispiel in den Hochschulgesetzen der Länder für Unis und HAW höchst unterschiedlich normiert. Hinsichtlich ihrer Ressourcen sind HAW und Unis ungleich ausgestattet: Während die Professorinnen und Professoren an Unis mitunter durch ganze Teams von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei der Antragstellung unterstützt werden, kommen an den HAW – bei doppelt so hohem Lehrdeputat – gerade einmal 0,34 wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf eine Professur. Und auch bei der Repräsentation in den Entscheidungsgremien der DATI-Gründung hatten die Professorinnen und Professoren der HAW bisher das Nachsehen, saßen eher "am Katzentisch".
Klar, am Ende sollen alle Akteure in der DATI nach denselben Regeln spielen, bewertet und ausgewählt werden. Das eigentliche Desiderat in der Förderlandschaft ist jedoch eine Agentur, die die angewandten Wissenschaften weiterentwickelt und die oben genannten ungleichen Wettbewerbsbedingungen zumindest perspektivisch nivellieren kann. Das meiste Potenzial für Forschung, Innovation und Transfer lässt sich heben – ein erklärtes Ziel der DATI –, wenn man den Professorinnen und Professoren der HAW endlich die nötigen Frei- und Spielräume für diese Aufgaben neben der Lehre gibt. Sie verfügen über die notwendige Doppelqualifikation aus profunder Berufspraxis und wissenschaftlicher Expertise, sind aber überwiegend mit Aufgaben in der Lehre befasst. Erreicht wird dies durch eine flächendeckende Reduktion des Regellehrdeputats auf 12 Semesterwochenstunden und mindestes eine Mitarbeiterstelle pro Professur.
Beim Aufbau der DATI
klug nachsteuern
Die Gründungskommission scheint davon auszugehen, dass die Wettbewerbsbedingungen für Unis und HAW gleich sind. Das ist aber nicht der Fall. Jetzt muss beim Aufbau der DATI klug nachgesteuert werden, denn es gibt sehr wohl Maßnahmen, die – bei aller Fairness und Offenheit für andere Akteure – die Rolle der HAW in der DATI stärken können. Dazu gehören eine bessere Repräsentanz forschender HAW-Professorinnen und -Professoren in der DATI-Governance, eine Overheadregelung, die besonders attraktiv für HAW ist, und eine Diversifizierung der Auswahlkriterien, die die besonderen Stärken der angewandten Wissenschaften aufgreifen müssen.
Zu letztem kann auch ein enger Austausch mit der auf europäischer Ebene entstandenen Coalition for Advancing Research Assessment (CoARA) beitragen, denn die Qualität von Wissenschaft zeigt sich nicht nur in quantitativen Parametern oder Publikationen, sondern zum Beispiel auch in langfristigen Kooperationen mit außerhochschulischen Partnern, in der engen Integration von Forschung und Lehre oder in der Gestaltung des regionalen Umfelds einer Hochschule – alles Stärken der HAW. Die hlb-Bundesvereinigung hat weitere Ideen dazu in einem Offenen Brief zur Rolle der HAW in der DATI näher ausformuliert.
Auch die Erfahrungen mit den ersten Förderungen im "DATIpilot" haben es gezeigt: Die HAW müssen in der DATI jetzt aus der zweiten Reihe in die erste hervorgeholt werden und in den geförderten Projekten die Konsortialführerschaft übernehmen. Das muss in den Ausschreibungs- und Förderbedingungen deutlich werden. In ihrer örtlichen Einbindung sind die HAW der ideale Ausgangspunkt für die Öffnung der DATI für weitere Akteure. Über gemeinsame Projekte entsteht die von der Gründungskommission geforderte Transferexzellenz. Bis es irgendwann tatsächlich erreicht ist: das "level playing field".
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LeanderK (Mittwoch, 17 Juli 2024 01:20)
> nämlich eine Art DFG für die angewandten Wissenschaften zu etablieren, begegnet die Kommission mit der Forderung nach einer konsequenten Offenheit der Fördereinrichtung für alle Akteure
Ich verstehe dieses ganze framing hier überhaupt nicht. An jeder technischen Uni wird doch haufenweise angewandte Wissenschaft gemacht? Viele Industriekooperationen und so weiter. Da meine Perspektive die Informatik ist kann man sich ja mal das FZI in Karlsruhe anschauen. Für meinen Geschmack war es sogar zu angewandt! Bei diesem Text kommt es einem ja so vor als ob eine DFG für angewandte Wissenschaften an der Uni nichts zu suchen hat, kann ich jetzt nicht verstehen. Die Industrie ist schon sehr präsent in dem was ich so an den technischen Unis für einen Eindruck bekommen hab. So als Doktorand hat man ja jetzt nicht den kompletten Überblick, aber bei gemeinsamen Forschungsprojekten die ich so kenne fallen mir jetzt auch eigentlich nur Projekte mit Unis ein. Fraunhofer arbeitet ja auch viel mit Unis (bestimmt auch HAWs denk ich mir). Es macht also doch dann keinen Sinn so einen Player da auszuschliessen, bei dem doch zumindest ein beträchtlicher Teil der angewandten Forschung stattfindet?
Norbert Esser (Mittwoch, 17 Juli 2024 09:37)
Die Diskussion über "Forschung an Fachhochschulen" läuft schon seit über 30 Jahren. Solange es politisch nicht gewollt wird, passiert nicht wirklich etwas. Zeit für Argumente: Wo sind HAW stark? In der dualen Ausbildung! Dabei immer in Kooperation mit Partnern aus Wirtschaft und Gesellschaft, die in dieser Hinsicht auch sehr an neuen Erkenntnissen aus der angewandten Forschung interessiert sein sollten. Hier sollte ein Bogen geschlagen werden. Wenn die Unternehmen es wollen, wird sich die Politik bewegen.
Edith Riedel (Mittwoch, 17 Juli 2024 11:40)
Man kann und darf von der der DATI nicht erwarten, dass sie einerseits eine "Art DFG für die angewandten Wissenschaften" ist, und gleichzeitig eine "Agentur, die die angewandten Wissenschaften weiterentwickelt und die oben genannten ungleichen Wettbewerbsbedingungen zumindest perspektivisch nivellieren kann."
Wenn man beides von der Agentur haben will, dann wird sie lediglich eine wettbewerblich verbrämte Strukturförderung für HAWen. Dafür muss man nun wahrlich keine Agentur gründen. Die HAWen leisten extrem wichtige Ausbildungsarbeit in Zeiten des Fachkräftemangels. Es ist sehr wichtig, den Wert dieser Ausbildungsarbeit zu stärken und auch finanziell besser zu honorieren. Fatal wäre es, wenn die HAWen genau von diesem Schwerpunkt sich wegorientieren und die "lästige" Lehre loswerden wollen, um mehr zu forschen. Schuster bleib bei Deinen Leisten! Forschung machen die Universitäten und die Außeruniversitären.
E. Emmmerlich (Mittwoch, 17 Juli 2024 15:23)
@3: Ihren Argumenten kann man nur zustimmen, Frau Kollegin.
Forschungsreferent*in (Donnerstag, 18 Juli 2024 15:49)
Es wäre so einfach gewesen: Die DFG fördert erkenntnisorientierte Forschung. Die DATI fördert anwendungsorientierte Forschung. Die Forschung muss jeweils ambitioniert und herausragend sein. Punkt!
Das Spielfeld, der Wettbewerb muss für alle gleich sein: Universitäten, Technische Universitäten, Außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und FH/HAW. Es zählt alleine die wissenschaftliche Leistung des/der Antragstellenden.
Niemand sollte in einem inhaltlich orientierten Wettbewerb positiv diskriminiert werden. Es gelten die gleichen Spielregeln für alle, unabhängig von den Voraussetzungen.
Die FH/HAW treten regelmäßig in eine argumentative Falle, wenn es um Forschungspolitik geht. Sie sagen immer: Wir forschen genauso gut wie die Universitäten – halt nur anwendungsorientiert oder "anders" (was immer das meint).
Die KPI der Wissenschaft (Publikationen, Drittmittel) lehnen sie gerne ab, weil sie sie nicht gut bedienen können. Das sind aber die persistenten Currencies of Science. Ja, ich weiß: Fehlanreize etc. Aber sie gehen nicht aus der Welt.
Wenn sie sich aber dem Wettbewerb stellen sollen/müssen, sagen sie immer: Nein nein, wir brauchen einen Schonraum/geschützten Raum (keine Konkurrenz mit Universitäten). Ja, was jetzt eigentlich!?
Und nein: Ein*e HAW-Professor*in ist generell nicht wissenschaftlich genauso gut qualifiziert wie eine Universitätsprofessur und dazu zusätzlich noch beruflich. Das ist ein fast unüberwindbarer "double bind".
De facto waren HAW-Professor*innen lange, teils zu lange in der Praxis. Sie wissen noch was FuE ist, aber das wissenschaftliche Arbeiten und publizieren, das ganze Wissen über das Wissenschaftssystem ist zu oft weg/veraltet. Schnell merkt man, wie hart und voraussetzungsreich der Wettbewerb um Drittmittel ist.
Ein Rektor einer FH/HAW hat mal gesagt: Es fehlt leider zu oft an der postdoktoralen wissenschaftlichen Sozialisiation.
Lehre ohne Forschung geht nicht, da stehe ich zu. Auch an FH/HAW muss und soll geforscht werden: anwendungsnah und praxisnah, aber ohne dieses Gestrampele und Gekrampfe, um mit den Universitäten zu p**keln.
Sagt jemand, der lange, lange an einer FH/HAW arbeitet.