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Digitalpakt: Länder werfen dem Bund Buchungstricks und Wortbruch vor

Die Bundesregierung hat den Haushaltsentwurf für 2025 beschlossen – ohne Vorsorge für den Digitalpakt 2.0, kritisieren Länder und Verbände. Das BMBF widerspricht.

EIGENTLICH, SO HATTEN VIELE GEHOFFT, würde der Kabinettsbeschluss zum Haushalt 2025 Klarheit bringen in einem seit Monate schwelenden Konflikt zwischen BMBF und Kultusministern.  Bislang hatte sich Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) nämlich stets geweigert, den konkreten Betrag zu nennen, den sie den Ländern für die Finanzierung des geplanten Digitalpakts 2.0 anbieten will. Woraufhin etliche Kultusminister in Frage stellten, ob die Stark-Watzinger die Fortsetzung des Milliardenprogramms überhaupt wolle. Habe sie gar versäumt, die dafür nötigen zusätzlichen Mittel für den Bundeshaushalt 2025 anzumelden?

 

Als dann im seit Montagabend kursierenden Haushaltsentwurf immerhin 1,617 Milliarden Euro auftauchten als "Zuweisungen an die Länder zur Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur für Schulen", herrschte kurzzeitig Euphorie, dann Verwirrung und schließlich Ernüchterung. Das sei gar kein frisches Geld, war wie berichtet am Dienstagnachmittag aus den Ländern zu hören, sondern der Betrag bilde lediglich die noch nicht verausgabten Restmittel aus dem ausgelaufenen Digitalpakt Schule ab. Was man auch daran sehe, dass keinerlei Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 2026 und folgende vorgesehen seien und das Wort "Digitalpakt" nirgendwo im Haushaltsentwurf der Bundesregierung auftauche.

 

Also keine Klarheit aus Sicht der Länder, und der Konflikt geht in die nächste Runde – und wie. Sachsens Kultusministerium, das zu den Verhandlungsführern auf Seiten der Länder gehört, gab am Mittwochnachmittag eine Pressemitteilung heraus, die es sich in sich hatte. "Kultusminister befürchtet Wortbruch von Bundesbildungsministerin", lautete ihr Überschrift. "Jetzt offenbart sich, dass die Zusicherung der Bundesministerin zum Digitalpakt 2.0 und dessen Start 2025 offenbar nur ein Lippenbekenntnis war", wird Piwarz darin zitiert. "Entgegen ihren bisherigen Beteuerungen, den Anschluss an den bisherigen Digitalpakt Schule zu sichern, sieht der Haushalt des Bundesbildungsministeriums scheinbar keine Mittel für einen neuen Pakt vor. Lediglich für die Abfinanzierung von Maßnahmen des bisherigen Digitalpakts sind Mittel eingeplant."

 

"Aufklären, ob der Digitalpakt 2.0
damit beerdigt ist"

 

Von einem Digitalpakt 2.0 hingegen sei im Etatentwurf des Bundesministeriums nichts zu lesen. "Das würde einen dreisten Vertrauensbruch bedeuten", warnte der CDU-Politiker: Die Bundesministerin habe "die Pflicht, die Länder sofort darüber aufzuklären, ob der Digitalpakt 2.0 damit beerdigt ist". Er erwarte "klare und belastbare Aussagen und keine leeren Versprechungen". Andernfalls müssten die Länder davon ausgehen, dass die monatelangen Verhandlungen mit dem Bund über eine Fortführung des Programms von der Bundesministerin selbst beendet worden seien. 

 

Kaum versöhnlicher im Ton hatte sich kurz zuvor bereits Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien geäußert. "Der vorliegende Haushalt erweckt den Eindruck, als wolle man durch Buchungstricks das Fehlen der wichtigen zusätzlichen Investitionen in die digitale Bildung verschleiern", sagte Prien, die die CDU-regierten Kultusministerien koordiniert. Zusätzliche Mittel zur Finanzierung des Digitalpakts 2.0 seien im Bundeshaushalt "augenscheinlich nicht vorgesehen". Bereits fest verplante Restmittel aus dem Digitalpakt Schule, die noch nicht abgerechnet seien, würden in den Haushalt des kommenden Jahres verschoben, eine zusätzliche globale Minderausgabe solle zu Lasten genau dieses Haushaltstitels gehen. Priens Schlussfolgerung auch mit Blick auf die fehlende Verpflichtungsermächtigungen für die Folgejahre: "Es ist also kein Geld für den Digitalpakts 2.0 im Haushalt. Und es ist offensichtlich, dass keine Vorkehrungen über das Jahr 2025 hinaus getroffen worden." 

 

Von einer "großen Enttäuschung für Schülerinnen und Schüler und Schulen" und einer "katastrophalen Nachricht für die Innovationsfähigkeit unseres Landes" sprach Prien. "Man kann nur hoffen und appellieren, dass die Ampelfraktionen im Bundestag hier ihre Verantwortung wahrnehmen, ihren Koalitionsvertrag umsetzen und endlich Planungssicherheit für Schülerinnen, Schüler, Lehrkräfte, Schulträger und Länder schaffen."

 

Und das BMBF? Als der Bundesrat Anfang Juli einen Entschließungsantrag debattierte, vom Bund mindestens 1,3 Digitalpakt-Milliarden jährlich für sechs Jahre zu fordern, hatte der parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP) in seiner Rede vor der Länderkammer versichert: "Der Digitalpakt 2.0 ab dem Jahr 2025 muss kommen." Und hinzugefügt: "Die Finanzierung ist Gegenstand der laufenden Haushaltsaufstellung." Ansonsten hatte Brandenburg in seiner Rede am 05. Juli seinerseits scharf geschossen und den Ländern "eine Vertrauen zerstörende und teils unverschämte Märchenstunde" vorgeworfen.

 

Am selben Tag sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) vor der Bundespressekonferenz lediglich sehr allgemein, dass es nach Auslaufen des Digitalpakts Schule eine "Anschlussregelung" geben werde. 

 

BMBF: "Für Digitalpakt ist im Haushalt 2025
und in den Folgejahren Vorsorge getroffen"

 

Aber was sagt dann der jetzt aufgestellte Haushaltsentwurf über die Finanzierung des Digitalpakts aus? Hinter den Kulissen bemühten sich die Kultusministerien seit Dienstagnachmittag, genauere Auskünfte aus Bildungs- und Finanzministerium zu bekommen.

 

Am Mittwochabend wiederholte die BMBF-Pressestelle den Kernsatz von Brandenburgs Bundesratsrede wortgleich: "Der Digitalpakt 2.0 muss kommen." Und weiter hieß es in der offiziellen Stellungnahme aus dem Ministerium: "Wir müssen aber auch aus der Erfahrung mit dem ersten Digitalpakt lernen. Der Digitalpakt 2.0 darf keine Kopie des ersten sein. Notwendig ist ein Gesamtkonzept für digitale Bildung, das neben der technischen Ausstattung auch eine Stärkung der Lehrerbildung umfasst." Es folgen die entscheidenden Sätze: "Der Bund ist bereit, die Hälfte der Finanzierung zu übernehmen. Dafür ist im Haushalt 2025 und auch in den Folgejahren Vorsorge getroffen." Jetzt müssten die Länder zeigen, dass sie ebenfalls bereit sind, ihre Hälfte zu finanzieren.

 

Aber wie genau Vorsorge im Haushalt getroffen ist und in welcher Höhe, diese Fragen beantwortete das Ministerium nicht. 

 

Bereits am Mittwochmorgen war die SPD-Haushälterin Wiebke Esdar dem BMBF zur Seite gesprungen. "Der Etat für Bildung und Forschung erhält einen Aufwuchs im Vergleich zur mittelfristigen Finanzplanung", sagte sie zu Table.Briefings.  "Es ist gut, dass die Bundesregierung im Entwurf Vorsorge für den Digitalpakt II getroffen hat." Noch aber fehlten viele Informationen für eine detaillierte Bewertung.

 

Den Ländern fehlt offenbar mehr als das. Zumindest denen, die sich heute lautstark geäußert haben. Andere Kultusministerien, die von den Ampel-Parteien SPD und Grüne geführt werden, verhielten sich zunächst abwartend. 

 

Weiter Planungsunsicherheit
für die Schulen?

 

Währenddessen hagelte es erste Kritik auch aus der Digital-Branche. "Für den so dringend erwarteten Digitalpakt 2.0 zur Digitalisierung von Deutschlands Schulen sind keine Gelder vorgesehen, so dass den Schulen und Kommunen weiterhin die nötige Planungssicherheit fehlt", sagte Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst, der 2.200 Tech-Unternehmen vertritt. Insgesamt enthalte der Haushaltsentwurf aus digitalpolitischer Perspektive "zu wenig Licht und zu viel Schatten."

 

Die GEW-Vorsitzende Maike Finnern nannte es schon am Dienstag "schlichtweg unverantwortlich, dass im Bundeshaushalt "keine Rede mehr von der Fortführung und Sicherung des Digitalpakts 2.0" sei. Finanzminister Lindner schiebe die Verantwortung einfach Bildungsministerin Stark-Watzinger zu. "Die Aussichten, dass sich Bund und Länder hier auf einen tragbaren Kompromiss einigen, sind damit in weite Ferne gerückt." Dabei bräuchten Schulen beim Ausbau der digitalen Infrastruktur und den dafür notwendigen personellen Ressourcen dringend Planungssicherheit, um nicht ins digitale Hintertreffen zu geraten.

 

Am Donnerstagnachmittag soll nun ein schon länger geplantes, zuletzt verschobenes Telefonat zwischen dem neuen BMBF-Staatssekretär Roland Philippi und dem Bremer Bildungsstaatsrat Torsten Klieme stattfinden. Die Behörde von SPD-Bildungssenatorin Sascha Karolin Aulepp koordiniert ebenfalls die Digitalpakt-Verhandlungen. Eigentlich sollte es in dem Gespräch hauptsächlich um Termine für den avisierten neuen Verhandlungsfahrplan gehen. Der Schwerpunkt des Gesprächs dürfte sich nun aber verschieben.

 

Nachtrag:

SPD: BMBF muss sich schnell und deutlich erklären

Die rheinland-pfälzische SPD-Bildungsministerin Stefanie Hubig äußerte sich am Mittwochabend. "Es ist an der Zeit, dass sich das BMBF jetzt schnell und deutlich erklärt, ob und welche Gelder für den Digitalpakt 2.0. im Haushalt 2025 vorgesehen sind", sagte Hubig, die die SPD-geführten Kultusministerien koordiniert. "Sollte das BMBF keine Gelder eingestellt haben, ist dies angesichts der Zusagen der Bundesbildungsministerin und der mittlerweile sehr lange andauernden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern mehr als unverständlich." Es gehe schließlich um die Zukunft der Kinder – und auch um den Wirtschaftsstandort Deutschland.



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Kommentare: 1
  • #1

    Wolfgang Kühnel (Donnerstag, 18 Juli 2024 14:34)

    Aber was meint denn Herr Wiarda selbst? Was besagt der oben abgedruckte Schlusssatz eigentlich ("es geht um die Zukunft der Kinder") ? Welchen nachgewiesenen bildungsmäßigen Nutzen bringt denn die Ausstattung der Schulen (wie man hört, oft in maroden Gebäuden) mit der digitalen Technik? Was sagt Herr Wiarda aus seiner Erfahrung zur Bedeutung des Digitalisierungslobbyismus und der damit verbundenen Geschäftsinteressen?