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Jetzt bitte Vorsicht

Warum die Debatte über die Digitalpakt-Verhandlungen zu überdrehen droht – und welche Folgen das hätte.

"WARUM DIE LÄNDER die Finanzierung des Digitalpakts I anzweifeln“, titelte Table Media am Dienstag und verwies auf den Brief von KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot an Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger, über den ich zuvor ebenfalls berichtet hatte.

 

In Streichert-Clivots Schreiben enthalten ist eine Finanzierungsübersicht, die mit einer Unterdeckung von 783 Millionen Euro am 31. Dezember 2025 endet. Soll heißen: Unter Berücksichtigung aller bis Ende 2023 getätigten Digitalpakt-Ausgaben sowie der im BMBF-Budget für 2024 und 2025 erkennbar vorgesehenen Haushaltstitel sind gut eine Dreiviertelmilliarde zu wenig eingeplant, um auf die 6,5 Bundesmilliarden zu kommen, die für den Digitalpakt samt Zusatzvereinbarungen zugesagt waren. 

 

Heißt das, dass die Länder dem Bund vorwerfen, ihnen all dieses Geld verweigern zu wollen? Ist das der nächste Aufreger in den an Verwerfungen reichen Bund-Länder-Verhandlungen? Vorsicht.

 

Nicht nur lässt sich eine solche Interpretation aus dem sonstigen Tenor von Streichert-Clivots Brief nicht herauslesen noch wäre sie inhaltlich nachvollziehbar. Dafür wäre sie, falls einige Kultusminister sie tatsächlich im Hintergrund betreiben sollten, schädlich weit über die Digitalpakt-Gespräche hinaus.

 

Die Länder wissen selbst nicht exakt, wie der
aktuelle Gesamt-Stand bei den Ausgaben ist

 

Wie ich berichtet habe, konzentriert sich die KMK-Präsidentin in ihren Appellen an Stark-Watzinger allein auf die ungeklärte Finanzierung des geplanten Digitalpakts 2.0. Bei den Fragen, die sie in Hinblick auf die Abfinanzierung des Digitalpakts I stellt, geht es dagegen um etwas Anderes: Die Länder wissen traditionell selbst nicht exakt, wie der aktuelle Gesamt-Stand bei den Ausgaben ist. Insofern ist es wichtig, hier einen Abgleich mit dem Bund zu erreichen. Zumal auch die Länder wissen: Bei (fast) keinem Bund-Länder-Programm ist am Ende jemals das gesamte Volumen ausgenutzt worden. Insofern ist es nachvollziehbar, wenn der Bund in Zeiten knapper Haushalte auch knapp plant. 

 

Wenn Streichert-Clivot das BMBF in Bezug auf die Finanzierungsübersicht fragt, wie der Bund den am 31. Dezember 2025 verbleibenden Finanzierungsbedarf zur Ausfinanzierung des Digitalpakts 1.0 abdecken wolle, steht daher die ehrliche Frage im Vordergrund, nicht der Vorwurf.

 

Alles Andere wäre schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil ein solcher Vorwurf auf die Unterstellung hinausliefe, der Bund wolle vertragsbrüchig werden. Denn die Rechte und Pflichten von Bund und Ländern im Zusammenhang mit dem Digitalpakt sind in der Bund-Länder-Vereinbarung von 2019 klar geregelt. "Die Investitionsmaßnahmen sind bis zum 31. Dezember 2025 vollständig abzurechnen", heißt es darin, und bezogen auf die länderübergreifenden Projekte ist die Deadline der 31. Dezember 2026.

 

Mit anderen Worten: Was die Länder bis dahin abrechnen, wird übernommen in voller Höhe, bis die Gesamtsumme des Digitalpakts ausgeschöpft ist. Alles danach nicht mehr. Punkt. Ob und wo das Geld dafür im Bundeshaushalt vorgehalten wird oder nicht, kann und sollte den Kultusministern an der Stelle egal sein. So argumentierte das BMBF auch gegenüber Table Media: Aufgrund der bislang vorliegenden Daten sei davon auszugehen, "dass der reale Mittelbedarf am Ende des DigitalPakts klar unter den 6,5 Milliarden Euro liegt." Sollte es anders kommen, werde das BMBF gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium die Finanzierung sichern. Das sei den Ländern schon zu Jahresbeginn mitgeteilt worden.

 

Eine Eskalation, die
niemandem nützen würde

 

In der jüngeren Geschichte der Bund-Länder-Beziehungen gibt es kein Beispiel für einen tatsächlichen Vertragsbruch. Bei aller Empörung auf Seiten der Länder wegen der BMBF-Haushaltsintransparenz: Ihn an dieser Stelle herbeizureden oder gar explizit den Verdacht zu äußern, wäre eine ungerechtfertigte und derart übertriebene Eskalation, ein Überdrehen der Digitalpakt-Aufregung, die niemandem nützen würde. Auch nicht den Kultusministern. Und erst recht nicht den Schulen. 

 

Tatsächlich liegt das Hauptinteresse der Kultusminister an den Haushaltsansätzen an anderer Stelle. Sie fragen zu Recht: Wenn noch so viel Geld für den Digitalpakt I offen ist, dass die derzeitig offensichtlichen BMBF-Haushaltsposten nicht einmal reichen, um diesen abzudecken, wo soll dann bitte Geld sein für die versprochene Fortsetzung? Das ist ihre eigentliche und wirklich relevante Frage, von der jetzt keiner ablenken sollte. Denn hier muss Stark-Watzinger sehr dringend die bis Montag verlangten Antworten liefern, um wieder Vertrauen in die Verhandlungen zu bringen.

 

Wer dagegen Fragen zur die Restfinanzierung des Digitalpakts I zu einer Debatte über die Vertragstreue von Bettina Stark-Watzinger umfunktionieren will, der darf sich nicht wundern, wenn im BMBF beim Digitalpakt 2.0 weiter auf stur geschaltet wird. Und wenn auch sonst zwischen Bund und Ländern in der Bildung bald nichts mehr geht. 



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