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Was heißt hier "erledigt"?

Die Länder wollen erstmal kein Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen verhandeln, Bayerns Wissenschaftsminister Blume hält Vorgaben des Bundestags-Haushaltsausschusses für im Grunde erfüllt, und Ampel-Abgeordnete kritisieren Blumes "Defätismus". Und nun?

Bild: Mohamed Hassan / Pixabay.

WIRD ES AUF ABSEHBARE ZEIT kein gemeinsames Bund-Länder-Programm für mehr Dauerstellen in der Wissenschaft geben? Diesen Eindruck scheint zumindest Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) zu haben.

 

Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im vergangenen Herbst das BMBF per Maßgabebeschluss aufgefordert, "ein Konzept für ein befristetes Programm zum Ausbau wissenschaftlicher Dauerstellen neben der Professur" vorzulegen, wie es der Ampel-Koalitionsvertrag angekündigt hatte. Bis Ende September 2024 solle das Haus von Bettina Stark-Watzinger (FDP) "über eine mögliche Bund-Länder-Vereinbarung" berichten, verfügten die Parlamentarier. 

 

Doch sagte Markus Blume am Dienstag im Interview hier im Blog: "Die Hausaufgaben sind im Grunde bereits erledigt." Bund und Länder hätten gemeinsam dem Wissenschaftsrat den Auftrag gegeben, zur Frage von Dauerstellen in der Wissenschaft Empfehlungen zu erarbeiten. Außerdem könnten sich die Wissenschaftsminister angesichts der Wirtschafts- und Haushaltskrise "nur gegenseitig attestieren, dass wir 0,0 Spielräume für Neues, Zusätzliches haben."

 

0,0 Spielräume für Neues? Und was sagt das BMBF dazu? Vor dem Hintergrund des Maßgabebeschlusses habe auf Wunsch des BMBF am Vorabend der Gemeinsamen Wissenschaftsministerkonferenz (GWK) ein Gespräch zwischen Stark-Watzinger und ihren Länderkollegen unter anderem zum Thema wissenschaftliche Karrierewege und Personalstrukturen stattgefunden, "bei dem den Ländern ein gemeinsames Vorgehen im Rahmen der GWK vorgeschlagen wurde", sagt eine Ministeriumssprecherin auf Anfrage. "Die Länder haben entschieden, sich gemäß ihrer verfassungsmäßigen Zuständigkeiten in der neu gegründeten Wissenschaftsministerkonferenz der Kultusministerkonferenz mit diesem Thema befassen zu wollen."

 

"Nur im engen Schulterschluss
mit den Ländern"

 

Der Bund wollte also Gespräche in der GWK, die Länder nicht? Das deckt sich mit der Darstellung Blumes, der die unionsgeführten Wissenschaftsministerien koordiniert, wie auch seines Pendants auf SPD-Seite, Sachsen-Anhalts Wissenschaftsminister Armin Willingmann.

 

Blume sagt im Interview hier im Blog: Wenn der Bund Veränderungen bei den Karrierewegen an den Hochschulen wolle, gehe das nur im engen Schulterschluss mit den Ländern. "Das haben wir dem BMBF nochmal deutlich gemacht. Und in diesem Geiste wollen wir auch die nächsten Schritte gehen. Dafür sind der Wissenschaftsrat und die neue Wissenschaftsministerkonferenz die richtigen Orte, nicht die GWK."

 

Armin Willingmann klingt auf Anfrage etwas konzilianter, inhaltlich aber nicht viel anders. "Selbstverständlich begrüßen wir es länderseitig, wenn es eine breite Debatte inklusive Initiativen von Bundesseite dazu gibt, Personalstrukturen für Forschung und Lehre weiter zu verbessern. "Einen hohen Stellenwert für diesen Austausch habe die laufende Befassung des Wissenschaftsrats mit dem Thema. "Ob und wann neue Personalstrukturen in der GWK aufgerufen werden, sollte nicht zuletzt von diesen Ergebnissen abhängen. Wegen der besonderen länderseitigen Verantwortung für das Hochschulpersonal und den dafür zeitgemäßen Strukturen werden wir uns aber zunächst in der Wissenschaftsministerkonferenz damit beschäftigten."

 

Was bedeutet, da die Empfehlungen des Wissenschaftsrats erst im nächsten Frühjahr erwartet werden, mitten im Bundestagswahlkampf, und da gemeinsame finanzwirksame Bund-Länder-Programme für die Wissenschaft nur in der GWK verhandelt werden, dass es das offenbar tatsächlich erstmal war. Ausgerechnet auf Wunsch der Länder? Das wundert dann aber doch.

 

Null Euro im BMBF-
Haushaltsentwurf für 2025

 

Hätte das BMBF denn überhaupt Geld für eine Umsetzung? Als die CDU-/CSU-Bundestagsfraktion im Mai per parlamentarischer Anfrage hatte wissen wollen, wieviel Geld die Bundesregierung für ein "etwaiges Programm zum Ausbau von Dauerstellen in der Wissenschaft" zur Verfügung stellen werde, hatte das BMBF noch geantwortet, für 2024 stünden keine Mittel zur Verfügung. Und was das nächste Jahr angeht, könne laut Ministerium zum jetzigen Zeitpunkt keine Angabe gemacht werden, "da das Haushaltsaufstellungsverfahren derzeit noch nicht abgeschlossen ist".

 

Wer in den vom Kabinett beschlossenen Haushaltsentwurf für 2025 anschaut, findet nun aber auch darin null Euro für ein solches Programm. Ist das – neben der Finanzlage der Länder – der tatsächliche Grund, das Thema nicht auf die Agenda der GWK zu setzen, der Stark-Watzinger und Blume vorsitzen?

 

Das Thema wissenschaftliche Karrierewege und Personalstrukturen werde derzeit auf vielen Ebenen diskutiert, sagt die BMBF-Sprecherin. "Neben den Empfehlungen, die im Wissenschaftsrat erarbeitet werden, gehört dazu unter anderem auch der unabhängige Bundesbericht Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in einer frühen Karrierephase (BuWiK), der einmal pro Legislaturperiode mit wechselnden Schwerpunkten über die Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses in Deutschland berichtet und voraussichtlich Anfang 2025 vom wissenschaftlichen Konsortium veröffentlicht wird." Ein turnusmäßiger Bundesbericht, der mindestens ein Vierteljahr nach der vom Haushaltsausschuss gesetzten Deadline erscheint, als Beantwortung des Maßgabebeschlusses?

 

Am Ende befinden ohnehin weder Landeswissenschaftsminister noch BMBF, sondern die Urheber des Maßgabebeschlusses, ob sie ihre Vorgaben als erfüllt ansehen: die Mitglieder des Bundestages. Und die machen weiter Druck, zumal schon das andere große Gute-Arbeit-Projekt der Ampel-Wissenschaftspolitiker, die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes, wieder einmal feststeckt.

 

SPD: "Gut, dass das BMBF seine Hausaufgaben
gründlicher erledigen will als Markus Blume"

 

Wiebke Esdar ist die verantwortliche Haushaltspolitikerin der SPD-Bundestagsfraktion. Sie sagt, der Anspruch der Sozialdemokraten bleibe, ins Handeln zu kommen. Auch vor dem Hintergrund des wachsenden Fachkräftemangels brauche es endlich attraktivere Karrierewege in der Wissenschaft. "Nach Auskunft des BMBF will es dem Haushaltsausschuss fristgerecht einen Vorschlag zur Umsetzung des Maßgabebeschlusses vorlegen. Darauf setzen wir." Sie erwarte, dass dieser Vorschlag gut ausgearbeitet und möglichst umsetzungsreif sei", sagt Esdar und sendet einen Seitenhieb Richtung Bayern: "Es ist gut und richtig, dass das BMBF seine Hausaufgaben gründlicher erledigen will als Markus Blume."

 

Ihr Abgeordnetenkollege, der für Bildung und Wissenschaft zuständige SPD-Fraktionssprecher Oliver Kaczmarek ergänzt, es sei "nicht die Aufgabe des bayerischen Wissenschaftsministers, die Beschlüsse des Bundestags für faktisch erledigt zu erklären." Insgesamt wundere er sich über die Ambitionslosigkeit, die in den Äußerungen von Blume zum Ausdruck komme. Gerade in wirtschaftlich und haushalterisch herausfordernden Zeiten brauche es ein konstruktives Zusammenwirken von Bund und Ländern für Karrierewege und Beschäftigungsperspektiven in der Wissenschaft sowie starke Forschung in Wachstumskernen der Zukunft und Grundlagenforschung. "Wir wissen aus der Erfahrung, dass Veränderungen im Wissenschaftssystem dann am besten Gelingen, wenn es Anreize zur Veränderung gibt. Für den Defätismus und das Wahlkampfgetöse aus Bayern ist es noch ein Jahr zu früh."

 

Blume hatte die Bundesregierung dafür verantwortlich gemacht, "dass wir eine Republik im Rückwärtsgang sind". Die Ampel habe es in den vergangenen drei Jahren nicht geschafft, neue Konjunkturimpulse zu setzen, sondern dafür gesorgt, dass Deutschland beim Wirtschaftswachstum das Schlusslicht aller OECD-Länder ist. "Und ohne Wirtschaftswachstum gibt es nichts zu verteilen. Keine neuen Programme. Nur Einschnitte."

 

Grüne: Der Auftrag ans BMBF umfasst
Konzept und Mittelbereitstellung

 

Die grüne Wissenschaftspolitikerin Laura Kraft nennt es unterdessen ein "ernüchterndes Signal, dass das BMBF im Haushaltsentwurf bisher keine Mittel für das Bund-Länder-Programm zur Förderung von Dauerstellen in der Wissenschaft vorgesehen hat". Mit dem Maßgabebeschluss sei auch der Auftrag einhergegangen," ein Konzept vorzulegen sowie entsprechende Mittel bereitzustellen." Verlässlichere Karriereperspektiven und strukturelle Verbesserungen im Wissenschaftssystem seien nur möglich, wenn Bund und Länder gemeinsam mit den Hochschulen daran arbeiten. Das verlangte Bund-Länder-Programm sei dafür ein wichtiger Schlüssel. 

 

Doch werde das beste Konzept ohne finanzielle Mittel wenig nützen. "Im Herbst muss das BMBF das entsprechende Konzept für das Bunder-Länder-Programm vorlegen, auf dessen Inhalt und vor allem die Vorschläge zur Umsetzung warte ich gespannt."



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