Die BMBF-Chefin antwortet auf Zweifel der Kultusminister an der Digitalpakt-Finanzierung – und fordert jetzt ihrerseits Auskunft von den Ländern, was die selbst zahlen können.
LANGSAM WIRD ES ALBERN. Seit einer Weile erhält Bettina Stark-Watzinger vermehrt Briefe und Fragenkataloge, deren Absender ihr demonstrativ eine Frist bis zur Beantwortung setzen, und diese Frist wird dann von der Bundesbildungsministerin ebenso demonstrativ missachtet.
Im April war das so, als die Kultusminister von Stark-Watzinger einen Textvorschlag zur neuen Digitalpakt-Rahmenvereinbarung verlangten und die Ministerin am Tag der Deadline antwortete, dass sie erst später liefern werde. Als die CDU-/CSU-Bundestagsopposition forderte, das BMBF solle bis zum 17. Juli eine schriftliche Stellungnahme von Ex-Staatssekretärin Sabine Dörings zu ihrer Versetzung in den einstweiligen Ruhestand vorlegen, schickte das Ministerium seine Weigerung am 18. Und nachdem KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot (SPD) vergangene Woche zwölf Fragen zur Digitalpakt-Finanzierung mit der Deadline 29. Juli versehen hatte, antwortete Stark-Watzinger nun: am 30.
Auch inhaltlich geht das Machtspiel weiter. Während die Kultusminister die Hinterlegung des geplanten Digitalpakts 2.0 bezweifeln und Streichert-Clivot in ihrem Brief hatte wissen wollen, "ob und welche Gelder" hierfür im Entwurf des Bundeshaushalts 2025 vorgesehen seien, hält die FDP-Politikerin Stark-Watzinger in ihrem Antwortschreiben, das mir vorliegt, dagegen: Sie erwarte von den Ländern "die Bereitschaft der hälftigen Finanzierung des Digitalpakt 2.0 (50:50-Finanzierung) sowie Aussagen darüber, in welcher Höhe sich die Länder an der Finanzierung des Digitalpakt 2.0 beteiligen werden, ohne die Kommunen zusätzlich zu belasten". Außerdem sei die Auskunft, welchen finanziellen Gesamtrahmen die Länder in ihren jeweiligen Haushaltsplänen für die nächsten Jahre eingestellt hätten, "für die Planungen des Bundes dringend notwendig". Deshalb, schließt Stark-Watzinger ihren Brief, bitte sie "zeitnah um eine entsprechende Aufstellung".
Immerhin ohne Fristsetzung, ansonsten aber ist die Retourkutsche perfekt: Stellst ihr meine Haushaltsplanung in Frage, stelle ich eure in Frage. Dass es bei Bund-Länder-Bildungsprogrammen eigentlich immer so lief, dass erst der Bund vorlegte, eine Summe nannte und die Länder sich dann dazu verhielten, ignoriert Stark-Watzinger um der öffentlichen Geste geflissentlich.
Ein und derselbe Haushaltstitel für
den alten und den neuen Pakt
Für die Kultusminister steht ohnehin eine andere Auskunft im Vordergrund: Alle für Digitalpakt 1.0 und 2.0 im Haushaltsentwurf eingestellten Gelder befinden sich in dem einen bereits bekannten Haushaltstitel "Zuweisungen
an die Länder zur Förderung von Investitionen in die digitale Infrastruktur für Schulen gemäß § 2 Nr. 3 Digitalinfrastrukturgesetz (DIFG)". "Weitere Titel mit einer entsprechenden Zweckbestimmung gibt es nicht", schreibt Stark-Watzinger. Immerhin: Für die gemeinsame "Bund-Länder-Initiative digitales Lehren und Lernen", die das BMBF begleitend von den Kultusministern fordert, stünden unter dem Titel "Professionalisierung pädagogischer Prozesse" insgesamt 250 Millionen Euro für die sechs Jahre von 2025 bis 2030 zur Verfügung, um den Bundesanteil zu decken.
Ansonsten aber gilt: Aus den vorhandenen 1,617 Milliarden Euro sollen also zum einen die Ausgaben für den bisherigen Digitalpakt finanziert werden, er steht laut Ministerin aber "grundsätzlich auch zur Finanzierung eines möglichen Digitalpakt 2.0 zur Verfügung". Wie das gehen soll, wenn die 1,617 Milliarden Euro nach Berechnung der Länder nicht einmal für die Restfinanzierung des Digitalpakts 1.0 reichen? Stark-Watzinger sieht da kein Problem. Erstens, demonstriert sie per Tabelle, wichen Mittelanmeldungen und die deutlich niedrigeren tatsächlichen Mittelabflüsse in den vergangenen Jahren beständig und "massiv" voneinander ab.
Zweitens habe das BMBF doch den Ländern bereits für 2024 wie in den Vorjahren zugesagt: Sollte sich ein Finanzierungsbedarf oberhalb der für dieses Jahr zur Verfügung stehenden 1,25 Milliarden Euro ergeben, werde im Benehmen mit dem Bundesfinanzministerium die Finanzierung gesichert werden. "Einschränkungen bei der Durchführung der vereinbarten Maßnahmen beim DigitalPakt Schule aufgrund fehlender Bundesmittel wird es nicht geben." Diese Zusage habe auch für das Jahr 2025 weiter Bestand.
Allerdings sei davon auszugehen, fügt Stark-Watzinger hinzu, dass die Länder bis zum Ende des vereinbarten Abrechnungszeitraums nicht die gesamten Digitalpakt-Mittel in Höhe von 6,5 Milliarden Euro abrufen würden. Was übrigens auch in den Ländern kaum einer bestreitet. Und was die Kritik der Länder angeht, der Haushaltsentwurf enthalte keine Verpflichtungsermächtigung für die Folgejahre nach 2026, obwohl dann ja erst die meisten Ausgaben für einen neuen Digitalpakt fällig würden: Die würden für den Abschluss einer neuen Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern oder die anschließende Bewirtschaftung der Haushaltsmittel durch die Länder
nicht benötigt, das sei schon beim alten Digitalpakt so gewesen.
"Länder werden das unwürdige und beschämende Possenspiel des BMBF nicht mitspielen"
Interessanterweise kein Wort verliert die Ministerin in ihrem Schreiben zu der Frage, wie es sich mit ausschließlich für den Digitalpakt-Haushaltstitel vorgesehenen globalen Minderausgabe in Höhe von 163,5 Millionen Euro verhält – was wohl nur bedeuten kann, dass diese vorhandenen Digitalpakt-Mittel von vornherein entsprechend reduziert. Und weil die Ausfinanzierung des Digitalpakt 1.0., siehe Stark-Watzingers, vorgeht, wohl voll zu Lasten des Digitalpakts 2.0.
Und wie bewerten nun die Kultusminister die BMBF-Replik? KMK-Präsidentin Streichert-Clivot sei aktuell nicht im Dienst, teilt eine Sprecherin mit, ein Statement sei daher leider zunächst nicht möglich (siehe Aktualisierung unten). Die für diesen Donnerstag und Freitag geplante Klausurtagung der Fach-AG von BMBF und KMK werde wie geplant stattfinden. Und was ist mit der in Streichert-Clivots Brief angekündigten "kurzfristige Einberufung einer digitalen Sondersitzung der Kultusministerkonferenz", sollten die Kultusminister "keine zufriedenstellenden Antworten" erhalten? "Das weitere Vorgehen, wie z.B. die Planung einer Sonder-KMK, wird aktuell noch besprochen."
Derweil klingt Schleswig-Holsteins CDU-Bildungsministerin Karin Prien nicht so, als fände sie die Antworten aus dem BMBF ausreichend zufriedenstellend. "Klar ist also jetzt, dass das BMBF entgegen allen bisherigen Ankündigungen keine zusätzlichen Mittel für den Digitalpakt vorgesehen hat und Länder, Schulträger und Kommunen und die Öffentlichkeit hierüber getäuscht hat", sagt Prien, die die CDU-regierten Kultusministerien koordiniert.
Ihr SPD-Pendant, die rheinland-pfälzische Bildungsministern Stefanie Hubig, spricht von "einer Wette auf die Zukunft", die zu Lasten der Schulträger und unserer Schülerinnen und Schüler gehe. "In Rheinland-Pfalz und den allermeisten Ländern sind die Mittel zwar momentan noch nicht vollständig abgerufen, sie sind aber insgesamt durch Anträge gebunden." Ob und wie viele Mittel die Kommunen bis Ende 2025 abrechnen, sei derzeit mit Sicherheit überhaupt nicht zu sagen. "Es ist nun klar, warum das BMBF keine Summe nennen kann und will. Wir sehen nur, dass viel in unseren Schulen passiert ist. Deshalb werden die Länder weiterhin verhandeln, damit der Digitalpakt 2.0 kommt."
Karin Prien sagt, Länder und Kommunen als Schulträger finanzierten bereits heute in Milliardenhöhe jährlich die Digitalisierung der Schulen. Der Bund müsse sich also entscheiden, "ob er insbesondere Schulträger und Schulen und damit unsere Schülerinnen und Schüler wie zugesagt unterstützen will oder eben nicht. In dieser für Deutschlands Zukunft so entscheidenden Frage werden die Länder weiter ausschließlich sachlich verhandeln und das unwürdige und beschämende Possenspiel des BMBF nicht mitspielen." Was genau Prien mit letzterem meint, bleibt offen.
Nachtrag am 31. Juli 2024, 16 Uhr
KMK-Präsidentin Streichert-Clivot kündigt Sondersitzung der Kultusminister an
Als Reaktion auf das Schreiben von Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger zur Digitalpakt-Finanzierung hat KMK-Präsidentin Christine Streichert-Clivot am Mittwoch eine Sondersitzung der Kultusminister am 2. September angekündigt.
Das Signal der Bundesministerin sei begrüßen, heißt es aus dem Ministerium von Streichert-Clivot, die im Hauptberuf SPD-Bildungsministerin im Saarland ist. Der Dialog werde weitergeführt, der DigitalPakt 2.0 müsse kommen. Doch benenne Stark-Watzingers Antwortschreiben ausschließlich Details zur Ausfinanzierung des laufenden Digitalpakts. Belastbare Aussagen, in welcher Höhe der Bund Mittel für eine Digitalpakt 2.0 zur Verfügung stelle, fehlten.
"Das Schreiben der Bundesbildungsministerin beinhaltet zwar ein Bekenntnis zum DigitalPakt 2.0, bleibt aber hinsichtlich des Mittelrahmens absolut unbefriedigend", sagt Streichert-Clivot. "Diese Unsicherheit geht zu Lasten der Schulträger und vor allem unserer Schülerinnen und Schüler. Das können wir nicht hinnehmen." Die Forderung, die Länder sollen zunächst ihre Beiträge zu einem Digitalpakt 2.0 benennen, sei nicht üblich für Bund-Länder-Programme und verhindere einen zügigen Programmstart. "Das BMBF verkennt dabei erneut die übergreifende Bedeutung eines DPS 2.0."
Die Länder würden die vorgesehene Fach-AG am 1. und 2. August wahrnehmen, um mit dem BMBF weitere Punkte zu klären, bevor die Ministerinnen und Minister sich Anfang September in der Sonder-KMK "über das weitere Verfahren verständigen würden.
"Das immer wieder vom BMBF eingeforderte Gesamtkonzept gibt es im Saarland wie in anderen Bundesländern bereits", sagte Streichert-Clivot hinzu, die im Hauptberuf saarländische Bildungsministerin ist. Alle Schülerinnen und Schüler würden mit Endgeräten ausgestattet und hätten Zugriff auf eine verbindende Plattform, der Online Schule Saar (OSS). "Zudem haben wir den neu errichteten Bildungscampus, der die zweite und dritte Phase der Lehrkräfteausbildung verzahnt."
In eigener Sache: Prekäre Blog-Finanzierung
Kommentar schreiben