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"Ohne Kulturwandel wird es nicht gehen"

Die Novelle des WissZeitVG? Unklar. Ein Bund-Länder-Programm? Erstmal abgesagt. Ruhen jetzt alle Hoffnungen auf dem Wissenschaftsrat? Ein Interview mit dessen Vorsitzenden Wolfgang Wick über das Reformmomentum, alte und neue Stellenkategorien – und gute Argumente für mehr unbefristete Arbeitsverträge in der Wissenschaft.

Wolfgang Wick, Professor für Neurologie und als Neuroonkologe am Heidelberger Universitäts­klinikum, ist seit Februar 2023 Vorsitzender der Wissenschaftsrats (WR). Foto: Svea Pietschmann.

Herr Wick, die Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) steckt wieder einmal fest, diesmal im Bundestag. Gleichzeitig hat der bayerische Wissenschaftsminister Markus Blume die vom Bundestag geforderten Bund-Länder-Verhandlungen zu einem Programm für mehr Dauerstellen in der Wissenschaft vorerst für obsolet erklärt. "Die Hausaufgaben sind im Grunde bereits erledigt", sagt Blume. Bund und Länder hätten gemeinsam dem Wissenschaftsrat den Auftrag gegeben, zu der Frage Empfehlungen zu erarbeiten. Jetzt hängt also alles allein vom Wissenschaftsrat ab?

 

Natürlich sind wir froh, wenn wir als wichtiger Akteur wahrgenommen werden. Doch handelt es sich in Wirklichkeit um verschiedene Handlungsstränge, die man nicht durcheinanderbringen sollte. Das eine ist die gesetzliche Grundlage, die das WissZeitVG abbildet. Das zweite ist die Finanzierung einer möglichen Förderinitiative. Der dritte Strang ist die inhaltliche Beratung, und nur der ist unserer. Als Wissenschaftsrat beschäftigen wir uns dabei mit neuen Stellenprofilen, und die haben erstmal wenig zu tun mit den geltenden Gesetzen und noch weniger mit einem Bund-Länder-Programm.

 

Womit dann?

 

Die Hochschulen können und sollten aus eigenem Antrieb attraktive Personalstrukturen jenseits der Professur schaffen, und wie die aussehen könnten, und zwar differenziert nach Fächern und Fachgebieten, dazu entwickeln wir Vorschläge. Klar ist, dass diese Personalstrukturen nur ein Baustein wären, um die Wettbewerbsfähigkeit der Wissenschaft als Arbeitsmarkt zu erhöhen. So, wie die Gesetzesnovelle und ein Bund-Länder-Programm weitere Bausteine wären.

 

Wieso kommt der Wissenschaftsrat eigentlich erst jetzt mit seinen Vorschlägen? Dass die Karrierewege im deutschen Wissenschaftssystem reformbedürftig sind, hat er schon 2014 in einem Gutachten festgestellt… 

 

…und schon damals klare Vorschläge gemacht. Nur kamen die in eine Zeit hinein, in der wissenschaftspolitisch andere Ziele im Vordergrund standen. Das hat sich geändert. Als die öffentliche Debatte über gute Arbeit in der Wissenschaft vergangenes Jahr Fahrt aufnahm, wollten wir als Wissenschaftsrat diesen Schwung nutzen und haben Bund und Ländern die erneute Beschäftigung mit dem Thema angeboten. 

 

"Die leistungsfähige Wissenschaft, die wir gerade jetzt so dringend brauchen, bekommen wir nur, wenn sie eine attraktive Wissenschaft ist für kluge Menschen."

 

Da machen Sie schon eine wichtige Unterscheidung, oder? Die Initiative dazu kam vom Wissenschaftsrat, nicht von Bund und Ländern.

 

Was auch bekannt ist. In der Diskussion um die WissZeitVG-Novelle hatten wir den Eindruck, dass wir auf der Grundlage unserer Empfehlungen von 2014 eine Perspektive beisteuern können, die der Vielfalt in den Ländern und Fächern gerecht wird.  

 

Wenn Sie vom Schwung der Debatte im vergangenen Jahr reden, sehen Sie dieses Momentum immer noch?

 

Politisch? Nein. Ideell? Ja. Wir befinden uns in schwierigen Zeiten, die unterschiedlichen Krisen stellen große Herausforderungen an uns als Gesellschaft, zu deren Lösung wir nur in der Lage sein werden, wenn wir maximal auf die Wissenschaft setzen. Gleichzeitig merken wir jedes Jahr, wie der demografische Druck auf den Arbeitsmarkt zunimmt, auch auf den akademischen. Die leistungsfähige Wissenschaft, die wir gerade jetzt so dringend brauchen, bekommen wir nur, wenn sie eine attraktive Wissenschaft ist für kluge Menschen. Das war vergangenes Jahr schon so, das ist dieses Jahr so und gilt nächstes Jahr noch dringlicher. Auf diese Einsicht setzen wir, auch wenn wissenschaftspolitisch derzeit vor allem ein Weniger diskutiert wird und kein Mehr.

 

Reicht es, die Empfehlungen von 2014, die ohne politischen Widerhall blieben, nochmal durchzuschauen und, wo nötig, einer Aktualisierung zu unterziehen?

 

Keineswegs, und wir tun auch viel mehr. Aber wir arbeiten da wie Historiker: Wir schauen zuerst nach, was schon da war, und lernen aus allem, was wir finden. Es gab seit 2014 nicht nur besagte Empfehlungen zu den wissenschaftlichen Karrierewegen, es gab auch zwei Phasen von Exzellenzinitiative und dann Exzellenzstrategie, wir haben an den unterschiedlichsten Stellen des Wissenschaftssystems Evaluationen durchgeführt, und all dieses Wissen nutzen wir jetzt. Zentral ist die Frage, wie wir ein sinnvolles System von Dauerstellen neben der Professur schaffen. Auch wo das Geld dafür herkommt, müssen wir heute anders diskutieren als vor zehn Jahren. Und schließlich schauen wir genauer, was wir von anderen Ländern, den USA, Großbritannien oder den Niederlanden, lernen können. Wobei wir uns sehr bewusst sind, dass ein Element, das in dem einen System toll funktioniert, in einem anderen abgestoßen werden kann. In der Sprache von uns Medizinern: Das ist wie bei einem Transplantat in einem nicht immunkompatiblen Organismus. Und das gilt es zu verhindern.

 

"Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der keine Angst um seine Existenz hat, konzentrierter arbeitet als einer, der ständig um seine wirtschaftliche Grundlage fürchtet."

 

Viele Diskussionen über mehr Karriereperspektiven und weniger Befristungen in der Wissenschaft werden mit dem Argument abgeblockt, es könne halt nicht jeder eine Dauerstelle haben.

 

Das verlangt auch keiner. Als Doktorand brauchen Sie keine Dauerstelle, und es wird immer befristete Forschungsprojekte geben, die nur auf der Grundlage befristeter Arbeitsverträge funktionieren. Aber schon wenn wir in den Bereich der technischen Infrastruktur blicken oder in die Sicherstellung der Lehre, dann sehen wir, dass es im Interesse des Systems liegen würde, mehr Stabilität zu erreichen. Auch erscheint mir die Sorge, sobald Wissenschaftler einen unbefristeten Arbeitsvertrag in den Händen halten, würden sie weniger leistungsfähig, wenig plausibel. Unter den entsprechenden Rahmenbedingungen dürfte das Gegenteil der Fall sein. Ich bin davon überzeugt, dass jemand, der keine Angst um seine Existenz hat, konzentrierter arbeitet als einer, der ständig um seine wirtschaftliche Grundlage fürchtet.

 

Ein weiteres häufig gehörtes Gegenargument in der "#IchbinHanna"-Debatte war die Warnung, zu viele Dauerstellen verstopften die Karrierewege für die nächste Generation.

 

Was sich verhindern lässt, wenn die neuen Stellen nach strengen wettbewerblichen Kriterien vergeben werden. Durch diesen Wettbewerb wird es nämlich auch attraktiver, immer mal wieder die Stelle zu wechseln, so dass Luft entsteht. Im Übrigen ist die Frage nach der vermeintlichen Verstopfung wiederum sehr fächer- und regionenabhängig. Es gibt Disziplinen wie die Informationstechnologien, da würde ich mir mehr Verstopfung wünschen. Da ist die Fluktuation so hoch, dass kaum noch genug Erfahrungswissen vorhanden ist, um die nötigen Lehr- und Forschungsleistungen angemessen erfüllen zu können. 

 

Die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) hat im Juni zusammen mit der Jungen Akademie "Leitlinien für unbefristete Stellen an Universitäten neben der Professur" präsentiert, eine willkommene Vorarbeit für Sie?

 

Aus meiner Sicht ist das ein wohlüberlegtes Papier, aber es ist das Papier eines Interessenverbandes, und das sage ich ohne jede Abwertung. Das ist etwas, das mir grundsätzlich auffällt, seit ich intensiv Gespräche über neue Karrierewege in der Wissenschaft führe. Ich habe zum Beispiel viel mit Amrei Bahr von "#IchbinHanna" geredet, genau wie mit Jan Wöpking von der German U15, die ich beide schätze, oder mit Mitgliedern der Jungen Akademie. Alle haben sehr dezidierte und fundierte Argumente, aber alle blicken aus ihrer eigenen, sehr spezifischen Perspektive auf das Problem. Ob Sie beispielsweise als Universitätsklinik, Deutsches Krebsforschungszentrum und als Technische Hochschule draufschauen oder aus Sicht der Kultur- und Geisteswissenschaften macht einen Unterschied. Als Wissenschaftsrat ist es unsere Aufgabe, das Gesamtsystem zu sehen und zugleich unsere Empfehlungen differenziert nach Fächern, Standorten und Traditionen zu gestalten.

 

"Für alle alten und neuen Stellenkategorien muss gelten, dass zwischen ihnen eine ausreichend große Durchlässigkeit besteht. Andernfalls würden wir die 1970er und 1980er Jahre mit den akademischen Räten wiederbeleben."

 

Was bedeutet das in Bezug auf die Leitlinien von HRK und Junger Akademie?

 

Die darin diskutieren Personalkategorien decken nur einen Teil des Bedarfs ab: neue unbefristete Positionen neben den Professuren und von diesen weitgehend unabhängig. Die braucht es auf jeden Fall. Es braucht aber auch mehr unbefristete Stellen, die weisungsgebunden sind. Und für alle alten und neuen Kategorien muss immer gelten, dass zwischen ihnen eine ausreichend große Durchlässigkeit besteht. Andernfalls würden wir tatsächlich die 1970er und 1980er Jahre mit den akademischen Räten wiederbeleben, und das kann keiner wollen. Darum machen wir uns als Wissenschaftsrat um die Fragen rund um diese Durchlässigkeit mit am meisten Gedanken. 

 

Wie wollen Sie konkret verhindern, dass die alten Räte nicht doch zurückkehren in neuem Gewand?

 

Indem es in einem ausdifferenzierten System Fachleute gibt, die nicht einfach das übernehmen, was der Professor oder die Professorin nicht machen will, sondern die eine einzigartige und eigenständige Expertise mitbringen. Deren Karriereperspektiven müssen wir stärken. In meinem Umfeld, der Biomedizin, sind das zum Beispiel Leute, die sequenzieren, die komplexe Einzelfallanalysen durchführen. Da ergibt sich die komplette fachliche Eigenständigkeit schon aus der Kompetenz, unabhängig von einer disziplinarischen Einordnung. Oder nehmen Sie bestimmte IT-Kräfte, die zum Betrieb von Technologieplattformen unerlässlich sind. Das sind anerkannte und einflussreiche Positionen, und die können Sie hochkompetitiv ausschreiben. Doch auch hier müssen Sie die Frage der Durchlässigkeit und der Möglichkeiten zur Weiterentwicklung beantworten.

 

Die meisten Stellen werden aber voraussichtlich im Bereich von Forschung und Lehre entstehen. Die Länder könnten die neuen Stellenkategorien als willkommene Gelegenheit sehen, im Gegenzug für die Entfristung ein möglichst hohes Lehrdeputat einzuziehen – was die tatsächlichen Möglichkeiten zur Weiterentwicklung wiederum in Frage stellen würde. Die "Lecturer" in den HRK-Leitlinien etwa sollen bis zu zwölf Semesterwochenstunden unterrichten. 

 

Sie können sicher sein, dass wir bei der Erarbeitung unserer Empfehlungen auch wieder die Einrichtung von Stellen mit einem Schwerpunkt in der Lehre diskutieren werden, die wir ja 2014 auch schon empfohlen hatten. Aber nicht nur. Ich setze hier – wie überhaupt insgesamt – auf einen starken Wettbewerb, den wir schon heute sehen und der noch zunehmen wird. Wenn Standorte die neuen Stellenkategorien als Sparnummern ausgestalten, werden sie nicht die Leute bekommen, die sie gern hätten und brauchen. 

 

"Wenn wir nur Hochdeputatsstellen" sehen oder Wissenschaftler, die in ungute Abhängigkeiten hineingezwängt werden, werden wir scheitern."

 

Wäre es eigentlich vorstellbar, die Ziele von mehr kompetitiven Dauerstellen und von mehr Durchlässigkeit mit dem weiteren Ausbau von Tenure-Track-Systemen zu verbinden?  

 

Die Frage insinuiert, dass am Ende doch wieder alles auf die Professur als höchste Karrierestufe zuläuft. Genau davon müssen wir weg, wenn wir Dauerstellen etablieren wollen, die für sich stehen und begehrenswert sind. Wenn ich in einem Archiv oder in einem Museum für die Digitalisierung der Bestände verantwortlich bin und das für immer mein Ding ist, dann soll das seinen Wert haben. Es muss aber genauso möglich sein, dass ich als Archivar wissenschaftlich so viel publiziere, dass ich mich um eine andere Stelle bewerbe, eine Professur vielleicht. Wir sollten beide Stränge gleichberechtigt nebeneinander stehen lassen.

 

Sie wollen nicht pauschalisieren, ich weiß, aber wann sollten die neuen Dauerstellen eigentlich ansetzen? Direkt nach der Promotion?

 

Bei der Antwort bewege ich mich auf rutschigem Grund. Schließlich ist genau das ein wesentlicher Streitpunkt in der Debatte um die WissZeitVG-Novelle. Klar ist: Die Phase nach der Promotion und bis zur Bewerbung um eine Dauerstelle muss kurz sein, sie muss klaren Ansprüchen an Qualifikation und Mentoring genügen und sie muss eine transparente Entwicklungsperspektive beinhalten.  

 

Dauerstellen neben und jenseits der Professur, die für sich stehen und attraktiv sind: Kann das in unserem auf Hierarchien und Lehrstühle fixierten System kulturell überhaupt funktionieren? Oder werden die Inhaber solcher Stellen am Ende doch wie einst die akademischen Räte abgestempelt als "die, die nicht gut genug waren für eine Professur"? Was wiederum der Todesstoß für alle Visionen von Weiterentwicklung und Durchlässigkeit wäre?

 

Ich gebe Ihnen Recht: Wir haben es mit einer kulturellen Herausforderung zu tun. Wir werden alle miteinander lernen müssen, dass es diese Differenzierung in unserem Wissenschaftssystem braucht, damit es konkurrenzfähig bleibt. Wenn wir nur "Hochdeputatsstellen" sehen oder Wissenschaftler, die in ungute Abhängigkeiten hineingezwängt werden, werden wir scheitern. Ohne Kulturwandel wird es nicht gehen. Ich glaube aber, dass viele längst zu ihm bereit sind. Das Gute ist auch, dass er zur Abwechslung keine Frage des Geldes ist.

 

Wollen Sie sagen, so eine Reform kostet nichts zusätzlich?

 

Ich will damit sagen, dass wir in vielen Regionen und Fächern zurzeit Studierendenzahlen haben, die nicht mehr steigen, teilweise sogar sinken. Und dass wir alle dafür werben sollten, dass die Finanzminister die Ressourcen, die dadurch frei werden, in der Wissenschaft und in den Hochschulen belassen. Aber ja, es wird Felder geben, in denen wir mehr Geld als bislang in die Hand nehmen müssen.

 

"Wenn eine Regierungskoalition eine Reforminitiative in der Weise startet, wie sie das beim WissZeitVG durch den Koalitionsvertrag getan hat, dann muss ich davon ausgehen, dass ein solcher Prozess zu einem Ende gebracht wird." 

 

Ein frommer Wunsch angesichts der Haushaltsituation in den meisten Ländern. Sie haben vorhin selbst gesagt, dass das politische Momentum für so tiefgreifende Reformen weg sei.

 

Ja, aber dann muss ich doch umso schärfer argumentieren, dass sich Investitionen, die unser Wissenschaftssystem attraktiver und wettbewerbsfähiger machen, am Ende wirtschaftlich auszahlen. Wie Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume neulich bei Ihnen im Interview betont hat: Nur wenn die Wirtschaftslage wieder besser wird, ist wieder mehr Geld da. Als Wissenschaftsrat wollen wir die Wissenschaftspolitik unterstützen, durch unsere Empfehlungen gute Argumente gegenüber der Finanzpolitik an die Hand zu bekommen. 

 

Der Wissenschaftsrat steckt noch mitten in der Arbeit. Wieviel von dem, was Sie sagen, ist bereits Ergebnis der Beratungen, und wieviel ist einfach die Perspektive von Wolfgang Wick?

 

Ich würde mich nicht auf einzelne Formulierung festnageln lassen wollen. Aber inhaltlich entspricht das Gesagte im Wesentlichen den Diskussionen im Ausschuss Tertiäre Bildung. Wir müssen jetzt noch die Empfehlungen konkretisieren und ausdifferenzieren, und wir schauen noch in die HAWen und die außeruniversitären Forschungseinrichtungen, da wir erstmals einen Gesamtblick auf die Personalstrukturen im Wissenschaftssystem vornehmen.

 

Ganz zum Schluss frage ich dann aber doch noch einmal explizit Wolfgang Wick: Erwarten Sie, dass aus der Novelle ums Wissenschaftszeitvertragsgesetz noch etwas wird?

 

Wenn eine Regierungskoalition eine Reforminitiative in der Weise startet, wie sie das durch den Koalitionsvertrag getan hat, dann muss ich davon ausgehen, dass ein solcher Prozess zu einem Ende gebracht wird. Wenn aber die Ansichten in der Koalition so stark divergieren, wie das der Fall zu sein scheint, muss man sich irgendwann ehrlich machen und eingestehen, dass es nicht geht. Wir wollen jedenfalls unsere Arbeit gut machen, ob  die Novelle nun kommt oder nicht. 



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Kommentare: 4
  • #1

    Rose Marie Beck (Mittwoch, 31 Juli 2024 14:53)

    Ein Blick in die HAWen: da viel unserer Forschung in Kooperation mit der Industrie und der Wirtschaft läuft und dort die Projektlaufzeit in etwa 3/4 aller Fälle unter 3 Jahren liegt, würde uns eine Festschreibung von Verträgen auf mindestens drei Jahre in große Schwierigkeiten bringen. Gerade die größeren und forschungsstarken HAWen wären davon betroffen. Konkret an der Hochschule Karlsruhe etwa 20 % aller Stellen (Mitarbeitende in Wissenschaft und Verwaltung,
    inkl. Professuren), die auf einen Schlag bedroht wären. Ziel müsste sein, auch an HAWen Verhältnisse zu entprekarisieren und Stellen attraktiver zu machen. Das gelingt m.E. nicht (nur) durch eine Veränderung des WissZeitVG, sondern durch veränderte Strukturen, für HAWen eine verbesserte Forschungsinfrastruktur und einen Kulturwandel, der hochschulartenübergreifend die jeweiligen Beiträge zu Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft einordnet und würdigt.

  • #2

    Tobias Denskus (Donnerstag, 01 August 2024 08:52)

    "Die Hochschulen können und sollten aus eigenem Antrieb attraktive Personalstrukturen jenseits der Professur schaffen, und wie die aussehen könnten, und zwar differenziert nach Fächern und Fachgebieten, dazu entwickeln wir Vorschläge"-sorry, aber den Satz habe ich gefuehlt jetzt 286 Mal in den letzten 10 Jahren gelesen.
    a) "die Hochschulen" werden aus eigenem Antrieb wenig bis gar nichts machen und ein weiterer Flickenteppich im föderalen Flickenteppich nuetzt wenig
    b) "jenseits der Professur" wird immer ein Kastensystem zementieren aus Menschen mit und ohne Prof-Titel und Privilegien
    c) "differenziert"-die alte Nummer von den ach so grossen Besonderheiten in den ach so unterschiedlichen Disziplinen. Öffentliche Verwaltung funktiert am Ende sehr ähnlich-aber dann geht da Geheule los, das Unis *natuerlich* kein ÖD sind, sondern ganz besonders anders...Fazit: Passieren wird erstmal wenig, bestenfalls ein Flickenteppich, wahrscheinlich wird es aber eine ähnliche Kommission auch noch in 10 Jahren geben...

  • #3

    Edith Riedel (Donnerstag, 01 August 2024 17:36)

    "Die Hochschulen können und sollten aus eigenem Antrieb attraktive Personalstrukturen jenseits der Professur schaffen"

    Ich kann #2 nur zustimmen. Aus den Hochschulen heraus wird da gar nichts passieren. In den Hochschulen haben die Professor*innen das Sagen. Sie werden keine Personalstrukturen, und schon gar keine attraktiven, schaffen, die diese Machtposition in irgendeiner Weise gefährden könnten. Auch die "junge" Generation an Professor*innen ist da keine Ausnahme. Wer lange genug als Nachwuchsgruppenleiter*in oder auch Juniorprofessor*in sich hochdienen und abstrampeln musste, will die Macht der W3-Position dann auch genießen, wenn sie endlich erkämpft ist. Leider viel zu oft gesehen!

  • #4

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 03 August 2024 12:57)

    Die Äußerungen von Herrn Wick sind grundsätzlich vernünftig, man fragt sich eher, ob das nun Realität werden kann. Bei einigen Dingen muss ich aber widersprechen:

    1. Was ist das für eine pauschale Arroganz zu den "Akad. Räten der 70er und 80er Jahre", die man jetzt scheut wie der Teufel das Weihwasser (ohne jegliche Begründung) ?
    Um 1970 wurden etliche Dauerstelleninhaber (etwa Oberassistenten, Akad. Räte) zu Professoren der unteren Stufe übergeleitet, hat das deren Qualität etwa erhöht? Danach gab es dann neue Akad. Räte in vielen Fächern, insbesondere in den Massenfächern. Das Lehrdeputat entsprach meist dem der Professoren (jedenfalls in BaWü). Beispiel: Mathematik für Ingenieure mit über 1000 Teilnehmern in einer Veranstaltung. Hier waren erfahrene Leute für die Übungs- und Klausurbetrieb unentbehrlich, ähnlich den Oberärzten bei der Krankenversorgung. Was ist daran schlecht? Ich habe im Fach Mathematik in fünf Jahrzehnten vieles gesehen, viele Akad. Räte habilitierten (manche wurden auch apl. Prof.) oder wurden auf Professuren berufen. Andere haben sich in jungen Jahren "zur Ruhe gesetzt", weil sie ihr Lebensziel erreicht hatten. Pauschal kann man da gar nichts sagen. In Frankreich kann man "Maitre de conferences" werden, eine Dauerstelle unterhalb der Professur, also im Prinzip etwas ähnliches. Die Franzosen haben das schon sehr lange und finden offenbar nicht, dass sowas abgeschafft gehört.

    2. "Die Spanne zwischen Promotion und einer Dauerstelle." Das kommt doch ganz darauf an. Es gibt Leute, die erwerben mit knapp 30 ihren Master und mit knapp 40 dann ihren Dr. Für die wird es höchste Zeit. Aber eigentlich sollten die wirklich guten Leute mit ca. 25 ihren Master haben und noch vor dem 30. Geburtstag ihren Dr. Die können sich in anschließenden Positionen (Post-Doc, Assistenzprofessor, Juniorprofessor) bewähren, warum sollte es eine Eile geben? Herr Wick hat schon Recht, dass "die neuen [Dauer-]Stellen nach strengen wettbewerblichen Regeln vergeben" werden sollen. Dazu braucht es einige Jahre nach der Promotion, weil das sonst kaum beurteilt werden kann. Mehr Positionen mit "tenure track" könnten hilfreich sein.

    3. Dauerstellen in der Forschung (also ohne Lehrdeputat) sind rar an deutschen Hochschulen. Es wäre jedoch verkehrte Welt, wenn da jemand auf einer befristeten Projektstelle nach der Promotion leicht auf eine Dauerstelle in der Forschung (ohne Lehrdeputat) einrücken könnte, während auch fachlich exzellente Professoren sich mit Lehre, Verwaltung, zusätzlichen Ämtern, Kommissions-sitzungen und vielen Anträgen und Gutachten herum-schlagen müssen und eigene Forschung zeitlich kaum noch betreiben können.

    4. "Sinkende Studentenzahlen und dann mehr Dauerstellen im Mittelbau." Bisher ist die Zahl aller Stellen immer irgendwie an die Zahl der Studenten gekoppelt. Wenn ein Studienfach aufgegeben wird, dann werden Professuren und Mittelbaustellen eingespart. Herr Wick wird kaum so naiv sein daran zu glauben, dass das nun grundsätzlich geändert werden kann. Als sinkende Schülerzahlen prognostiziert wurden, wurden jedenfalls sofort Schul-schließungen und Streichungen von Lehrerstellen angeordnet. Man hätte sich auch auf kleinere Klassen einstellen können. Aber die Schüler-Lehrer-Relation war offenbar direkt vom Allmächtigen festgelegt worden, so die Meinung der Regierenden. Das wird mit der Studenten-Lehrenden-Relation kaum anders sein.

    5. "Die Hochschulen sollen ... attraktive Personalstrukturen schaffen."
    Das können die Hochschulen aus ihren schmalen Fest-Etats nicht leisten. Die Tendenz zu immer mehr Drittmittel-finanzierung erlaubt das nicht, weil Drittmittel nie unbefristet sind. Hier rächt sich der Drittmittel-Wahn.

    Schließlich wiederhole ich einen Vorschlag jenseits des Interviews mit Herrn Wick: Angesichts des Lehrermangels (der bestimmt nicht schon in der nächsten Legislatur-periode verschwindet) könnte man Post-Doktoranden ab einem gewissen Lebensalter unbürokratisch eine Dauerstelle im Schulbereich in Aussicht stellen, zumindest in schulaffinen Fächern einschl. Philosophie, Pädagogik, Didaktik, Bildungswissenschaft usw., in technischen und kaufmännischen Fächern für Berufsschulen. Das könnte Entlastung schaffen, weil die große Angst vor dem beruflichen Nichts wegfällt. Dass Lehrer auf Didaktik-Lehrstühle berufen werden, ist ohnehin eine Normalität. Die forschenden Fachärzte werden wohl keine Angst haben, Bürgergeld beantragen zu müssen, die Ingenieure wohl auch nicht.