Sachsen-Anhalts Ressortchef Armin Willingmann über das Verhältnis von Politik und Wissenschaft in GWK und Wissenschaftsrat, über Dauerstellen und Hochschulfinanzierung in der Krise – und die Erwartungen an Max Planck & Co.
Armin Willingmann, 61, war 13 Jahre lang Rektor der Hochschule Harz, bevor er 2016 erst Staatssekretär und dann Minister für Wissenschaft, Wirtschaft und Digitalisierung von Sachsen-Anhalt wurde. 2021 gab er Wirtschaft und Digitalisierung ab, bekam dafür Energie, Klimaschutz und Umwelt dazu. Die Zuständigkeit für Wissenschaft behielt er die ganze Zeit. Er gilt als einer der führenden SPD-Wissenschaftspolitiker und koordiniert die Wissenschaftspolitik der Länder mit SPD-Regierungsbeteiligung. Foto: Wissenschaftsministerium Sachsen-Anhalt/Harald Krieg.
Herr Willingmann, die Länder wollen keine Verhandlungen mit dem Bund über ein vom Bundestags-Haushaltsausschuss gefordertes Programm für mehr Dauerstellen in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) führen. Ist das eine Absage an das Programm an sich?
Ist es nicht. Wir sind aber der Meinung, dass wir vor den Verhandlungen in der GWK zunächst das Positionspapier des Wissenschaftsrats zu den "Personalstrukturen im deutschen Wissenschaftssystem" abwarten sollten, um dann anschließend in der neuen Wissenschaftsministerkonferenz der Länder die Schlussfolgerungen zu erörtern. Die Personalstrukturen in der Wissenschaft werden durch Ländergesetze geregelt, und wenn wir uns entscheiden, eine Stellenkategorie einzurichten, die nicht Professur ist, aber auch nicht Lehrkraft für besondere Aufgaben, sondern etwas Neues, Anderes, Drittes, dann sollen wir das möglichst im Gleichklang aller Länder tun. Und erst danach in Verhandlungen mit dem Bund gehen.
Der Wissenschaftsrat wird sein Positionspapier voraussichtlich erst nächstes Jahr im April präsentieren. Von außen entsteht der Eindruck, die Länder drücken sich um die GWK-Verhandlungen, weil ihnen das Geld für so ein Programm fehlt.
Fraglos, die Länder haben im Moment große Haushaltsschwierigkeiten; natürlich wird es dadurch auch schwieriger, über neue Stellenstrukturen in der Wissenschaft zu sprechen. Gerade wenn wir von unserer Bundesministerin hören, dass bei gemeinsamen Programmen mit dem Bund die Länder grundsätzlich mindestens 50 Prozent der Kosten übernehmen sollen. Das ist für zahlreiche Länder ein veritables Problem, das man eigentlich auch in Berlin erkennen müsste. Aber im Vordergrund steht beim Thema Personalstrukturen die Erkenntnis, dass es kontraproduktiv wäre, jetzt an drei unterschiedlichen Orten – im Wissenschaftsrat, in den Ländern, in der GWK – parallel über dasselbe Thema zu debattieren. Der Wissenschaftsrat mit seiner Expertise sollte den Anfang machen. Dann diskutieren wir in den Ländern und sollten dabei auch kritisch auf die eigene Hochschullandschaft schauen: Machen die Hochschulen genug Gebrauch von den bereits vorhandenen Möglichkeiten und Modellen, um den Anteil unbefristeter Stellen zu erhöhen? Und wenn nein, woher kommt ihre Zögerlichkeit? Auch das gilt es zunächst in der Wissenschaftsministerkonferenz zu erörtern und nicht in der GWK.
Die Stimmung zwischen Bund und Ländern in der GWK gilt seit längerem als angespannt. Jetzt beklagen immer mehr Stimmen, die Debattenkultur im Wissenschaftsrat habe sich ebenfalls verschlechtert – obwohl das Gremium lange Zeit von seinen Mitgliedern als positive Ausnahme beschrieben wurde.
In beiden Gremien geht es nur mit einer gehörigen Portion guten Willens, das sage ich als Politiker durchaus selbstkritisch. Gelegentlich haben wir als Wissenschaftsminister zu reflexartig reagiert, wenn wir fiskalische Auswirkungen potenzieller Empfehlungen befürchteten. Es ist ja richtig, dass wir diejenigen sind, die am Ende in den Kabinetten sitzen und unsere Ministerkollegen von der Sinnhaftigkeit des Beschlossenen überzeugen müssen. Doch haben wir meines Erachtens diesen Bedenken zuletzt eine zu große Bedeutung eingeräumt, das führte zu dem unguten Hin und Her um einzelne Papiere, die wieder und wieder geschoben wurden. Davon müssen wir uns freimachen. Umgekehrt bitte ich die Wissenschaftsseite, gerade auch im Wissenschaftsrat, um mehr Verständnis für diese, unsere politischen Zwänge. Sicher hilft es, wenn Politik und Wissenschaft über kritische Fragen früher ins Gespräch kommen als unmittelbar vor den Sitzungen des Wissenschaftsrats. Mein Eindruck ist, dass beide Seiten die bestehende Problematik erkannt haben; meines Erachtens ist das Klima schon wieder freundlicher. Vor allem aber vom Willen zur Zusammenarbeit geprägt.
"Zieht der Bund das durch, werden
wir nicht mehr bei allen
Bund-Länder-Programmen mitmachen können."
Lässt sich mit der von Ihnen zitierten gehörigen Portion guten Willens auch das arg angeknackste Verhältnis zwischen Landeswissenschaftsministern und BMBF-Chefin Stark-Watzinger reparieren?
Ja, es handelt sich um eine nicht unbelastete Beziehung. Das hat aber weniger mit der Bundesforschungsministerin als Person zu tun, sondern viel mehr mit der ständig wiederkehrenden Diskussion über den von der Ampel verlangten Finanzierungsschlüssel. Alle wissen: Zieht der Bund das durch, werden einige Bundesländer, zu denen auch Sachsen-Anhalt gehört, nicht mehr bei allen Bund-Länder-Programmen mitmachen können.
Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume nannte Bettina Stark-Watzinger im Spiegel "die schlechteste Wissenschaftsministerin, die wir je hatten". Im Interview hier im Blog klang er allerdings schon wieder deutlich konzilianter.
Womöglich befand sich mein Kollege Blume bei dem Spiegel-Zitat im vorgezogenen Wahlkampfmodus. Das kann ich weder aufklären, noch will ich es bewerten. Auch halte ich derlei Rankings für wenig valide. Einer solchen Beschreibung der Ministerin würde ich jedenfalls nicht zustimmen, grundsätzlich rege ich aber an, auch mit heißem Herzen bei solchen Bewertungen zurückhaltend sein. Manche Kollegen kennen ja auch noch frühere Zeiten der Wissenschaftspolitik des Bundes.
Die Ministerin steckt mitten in der sogenannten Fördermittelaffäre. Die Opposition im Bundestag drängt auf Aufklärung, die Bundestagsfraktionen von SPD und Grünen erhöhten zuletzt ebenfalls den Druck. Dabei sind es die Länder, an deren Hochschulen die allermeisten Wissenschaftler arbeiten. Warum positionieren sich die meisten Landeswissenschaftsminister nicht selbst deutlicher?
Die SPD-Bundestagsfraktion hat mehrfach und hinreichend verlangt, dass das BMBF verlorenes Vertrauen wieder aufbauen muss. Dieser Forderung stimme ich vollkommen zu. Außerdem halte ich es für eine berechtigte Erwartung der Wissenschaftsszene, dass alle Vorgänge im Ministerium lückenlos aufgeklärt werden. Hier bedarf es keiner weiteren Erklärungen der Ministerinnen und Minister der Länder.
Passiert das denn nach Ihrer Wahrnehmung?
Als Wissenschaftsministerinnen und -minister schauen wir sehr genau auf die Bemühungen des BMBF, denn wir sind uns alle einig, dass es einen Zusammenhang zwischen Förderung und Botmäßigkeit nicht geben darf. Man sollte aber nicht übersehen, dass wir uns ein gutes Jahr vor der Bundestagswahl befinden und dass das eine besondere Dynamisierung der Debatte zur Folge hat. Einmal mehr werbe ich daher für eine alsbaldige Aufarbeitung "sine ira et studio".
Sie sagen, ein 50-50-Schlüssel würde ein Bundesland wie Sachsen-Anhalt von künftigen Bund-Länder-Programmen teilweise ausschließen. Ist die Finanzlage bei Ihnen so schwierig?
Wir sollten zwei Entwicklungen unterscheiden. Zum einen haben wir in Sachsen-Anhalt in den vergangenen Jahren Steigerungen der Grundbudgets an den Hochschulen erreicht, auch auf der Grundlage der bestehenden Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen. Zum anderen ist unübersehbar, dass die Hochschulen aus den Landeszuschüssen erhebliche Rücklagen gebildet haben; das ist grundsätzlich völlig unkritisch und nachvollziehbar. Zugleich ruft es die berechtigte Erwartung an die Hochschulen hervor, beim Umgang mit diesen "Überschüssen" der jährlichen Haushaltsplanung notwendige Flexibilität zu zeigen. Ganz grundsätzlich gilt für mich: Die Hochschulen müssen Haushaltsreste übertragen dürfen in die nächste Periode, aber dafür sollten sie noch deutlicher machen, dass sie das Geld nicht einfach auf der hohen Kante liegen haben, sondern es konkret für Projekte, für Wissenschaft und Hochschulfinanzierung einsetzen.
"Bis zu 25 Prozent ihrer befristeten Forschungsmittel
dürfen Hochschulen für unbefristete Arbeitsverträge einsetzen. Mein Eindruck ist, sie nutzen diese
Möglichkeiten nicht mutig genug."
Das bedeutet?
Zunächst einmal entscheiden in Sachsen-Anhalt Wissenschaftsressort und Hochschulen über den Umgang mit Haushaltsresten und Rücklagen. Da dies aber – nicht nur bei uns um Lande – ein wiederholter Streitpunkt ist, werde ich mich für eine Regelung einsetzen, die Hochschulen die Bildung und Übertragung solcher Rücklagen in einem vernünftigen Umfang ohne großen "Erklärungszauber" erlaubt. Und gleichzeitig die Hochschule drängen, das verfügbare Geld möglichst schnell für das einzusetzen, wofür sie es bekommen. Womit wir wieder beim Thema Dauerstellen angekommen sind. Bis zu 25 Prozent der befristeten Forschungsmittel, die unsere Hochschulen erhalten, dürfen sie für unbefristete Arbeitsverträge einsetzen. Vor allem für das erforderliche technische und administrative Personal. Mein Eindruck ist, die Hochschulen nutzen diese Möglichkeiten nicht mutig genug.
Bieten Sie den Hochschulen wirklich die Sicherheit, dass ihre Rücklagen unangetastet bleiben? Andere Bundesländer spielen "linke Tasche, rechte Tasche": Sie nehmen den Hochschulen Rücklagen weg mit der Begründung, so weiter die Grundbudgets finanzieren zu können.
Bei allem Einsatz für den ungekürzten Erhalt der Rücklagen: Ich halte es nicht für unanständig, wenn Hochschulen, die besonders hohe Beträge des Landeszuschusses nicht verausgabt haben, einen Teil davon einsetzen, um die Kofinanzierung für das eine oder andere europäische Förderprojekt im Sinne der Wissenschaft zu leisten, gerade wenn uns das als Ländern aktuell schwerfällt. Allerdings geschieht auch das in Sachsen-Anhalt nicht par ordre de mufti des Ministers, sondern, wie es gute Tradition bei uns ist, grundsätzlich in Abstimmung mit den Hochschulen.
Ist genau das nicht "linke Tasche, rechte Tasche"? Sie implizieren, dass die Rücklagen ungenutzt herumlägen, als seien sie nicht für später anfallende, aber schon bekannte Ausgabenposten bestimmt.
Jenseits aller Rituale und Polemik: Vielleicht wirkt sich hier aus, dass ich lange auf der anderen Seite saß, als Rektor einer Hochschule, und daher weiß: Längst nicht alle Rücklagen werden im Rahmen eines planvollen Prozesses wie etwa betriebswirtschaftlich in Unternehmen aufgebaut, sondern oftmals auch darum, weil bestimmte Projekte nicht so angelaufen sind beziehungsweise Stellen oder Professuren nicht in dem Umfang besetzt wurden, wie man es vorhatte. Und weil ich das weiß, will ich ja, dass Hochschulen anders behandelt werden als andere öffentliche Einrichtungen. Dann könnten sie nämlich tatsächlich strategische Rücklagen aufbauen, etwa um Projekte, die zu Beginn einer Zielvereinbarungsperiode nicht abzusehen waren, aus eigener Kraft zu finanzieren. Diese Flexibilität und diese Debatte brauchen wir, und wir sollten sie offen führen.
Angesichts der schlechten Wirtschaftslage nimmt wieder einmal der politische Druck auf die Wissenschaft zu, ihre Finanzierung durch einen möglichst direkten wirtschaftlichen Impact zu rechtfertigen. In der GWK haben Sie zuletzt darüber diskutiert, wie der sogenannte Pakt für Forschung und Innovation (PFI) ertüchtigt werden kann, über den die großen außeruniversitären Forschungseinrichtungen von Helmholtz bis Max Planck jedes Jahr Milliarden und jedes Jahr drei Prozent mehr erhalten.
Die These, die Wissenschaft leiste nicht genug für den Wissens- und Technologietransfer in die Wirtschaft, sie produziere zu wenige Startups und Ausgründungen, ist ziemlich platt und wohlfeil, so gern sie aus der Politik erhoben wird. Ich kann und will mich ihr nicht in dieser Absolutheit anschließen. Unabhängig davon ist festzuhalten, dass die "Außeruniversitären" durch den PFI gegenüber den Landeshochschulen bessergestellt sind. Anfang Juli hatten wir in Hamburg ein forschungspolitisches Gespräch mit Leitungen der Forschungsorganisationen, deren Argumente lauteten: Wir könnten viel mehr erreichen, wenn wir mehr Gestaltungsfreiheit hätten, mehr Flexibilität, weniger bürokratische Überregulierung und keine überbordenden Dokumentationspflichten. Hätte ich nicht gewusst, dass das die Präsidentinnen und Präsidenten der großen Forschungsorganisationen der Bundesrepublik waren, hätte ich genauso gut vor Vertretern der deutschen Wirtschaft, etwa Industrie- und Handelskammern oder Handwerkskammern sitzen können.
"Es ist legitim, dass wir als Politik deutlich machen,
welche Erwartungen wir an staatlich finanzierte Einrichtungen oder auch Unternehmen haben, die in erheblichem Umfang Steuergelder erhalten."
Haben die Präsidenten denn Recht?
Jedenfalls sind die Klagen nicht unberechtigt. Und: Sie passen in die Zeit. Gerade deshalb dürfen wir sie aber nicht einfach zur Seite wischen. Und müssen uns damit endlich befassen. Zugleich ist es legitim, dass wir als Politik auch deutlich machen, welche Erwartungen wir an staatlich finanzierte Einrichtungen oder auch Unternehmen haben, die in erheblichem Umfang Steuergelder erhalten.
Bund und Länder wollen jetzt ein "Paktforum" einrichten. Was sich von außen so anhört, als wollten Sie den Klagen über zu viel Bürokratie mit noch mehr Bürokratie begegnen.
Genau das soll es nicht werden. Wir stellen aber fest, dass die Wissenschaftsorganisationen nicht so intensiv zusammenarbeiten, wie wir uns das wünschen. Dieser Befund ist nicht neu, deswegen hatte die GWK schon vor fünf Jahren die Idee eines sogenannten Strategieentwicklungsraums, ein sperriger Begriff. Paktforum gefällt mir besser. 2026 soll es losgehen.
Der Strategieentwicklungsraum wurde von den Forschungsorganisationen so lange bekämpft, bis er politisch tot war. Hauptgrund: Die Politik wollte, dass die Wissenschaft gemeinsame Vorhaben aus dem vorhandenen PFI-Geld finanziert, die Wissenschaft wollte nochmal zusätzliches Geld.
Fraglos: Dieselbe Debatte belastet das Paktforum, weil es auch dafür keine neuen Mittel gibt, die Administration und Finanzierung also von den Organisationen selbst zu leisten sein wird.
Aber zu welchem Zweck genau?
Damit die Forschungsorganisationen ein regelmäßiges Format haben, um ihre Kooperation und gemeinsame Agilität zu verbessern. Das mag noch etwas abstrakt klingen, aber konkret haben wir gerade erst bei dem forschungspolitischen Gespräch in Hamburg gesehen, wie gewinnbringend ein solcher Austausch zwischen Paktorganisationen untereinander, aber auch mit der Politik ist. Die Präsidenten merken das genauso.
"Ich bin fest davon überzeugt, dass Wissenschaft
vor dem Hintergrund unserer Geschichte heute
wesentlich wehrhafter ist!"
Herr Willingmann, welche Themen würden Sie gern auf die Agenda der nationalen Wissenschaftspolitik setzen?
Ein Thema, das bereits draufsteht, aber meiner Meinung nach stärker akzentuiert werden muss, sind die Sicherheitsanforderungen bei Dual-Use-Technologien. Hier sollten wir uns als Länder strategischer an der Debatte beteiligen, die bislang hauptsächlich vom Bund geführt wird. Die neue Wissenschaftsministerkonferenz, die im November ihre Arbeit aufnimmt, könnte auch dafür das geeignete Forum sein. Ich glaube insgesamt, wir sollten uns ein Stück weit von der GWK lösen und als Länder stärker horizontal denken: Wo wollen wir stärker als bislang zusammenwirken? Anstatt etwa beim Thema Personalstrukturen in einen normativen Wettbewerb einzutreten, sollten wir schauen, dass wir halbwegs einheitliche Modelle entwickeln. Wir sind daran gewöhnt, dass wir in allen Bundesländern unter einer Professur in etwa dasselbe verstehen. Das sollte bei den neuen Stellenformaten "neben der Professur" am Ende genauso sein. Die Wissenschaftsministerkonferenz hat sich damit zum Start ein wirklich wichtiges Thema an Land gezogen, das nach Vorlage des Positionspapier des Wissenschaftsrates richtig Fahrt aufnehmen wird. Gut so. An den Ergebnissen, die sie produziert, wird sie dann aber auch sehr schnell gemessen werden.
Womöglich wird in der neuen Konferenz sehr schnell ein Mitglied mit AfD- oder BSW-Parteibuch sitzen.
Bislang kenne ich keinen Politiker mit diesen Parteibüchern, der in der aktuellen Wissenschaftspolitik auch nur einen Akzent gesetzt hätte. Wir sollten weiter wachsam sein, was da entsteht – und zugleich selbstbewusst, wie die Wissenschaft auf derlei Umtriebe reagiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass Wissenschaft auch vor dem Hintergrund unserer Geschichte heute wesentlich wehrhafter ist! Dabei will ich nicht verhehlen, dass die Ergebnisse bei den Kommunal- und Europawahlen im Juni 2024 höchst beunruhigend waren. Zur durch den Verfassungsschutz eindeutig identifizierten AfD will ich nichts sagen. Und zum Kuriosum BSW auch nicht; für die Wissenschaft sehe ich jedenfalls in beiden politischen Akteuren wenig Inhalte und unübersehbare Gefahren. Die Strategie, die uns als demokratischer Mitte bleibt, ist, durch eine vernünftige, sachorientierte Politik jenseits von Ressentiments deutlich zu machen, dass die Parteien des demokratischen Spektrums eine echte, wählbare Alternative sind. Ich denke, in Sachsen-Anhalt gelingt uns das aktuell recht gut. Nun wird es darum gehen, auch bis Sommer 2026 deutlich zu machen, dass die Wahl irrlichternder Parteien rechtsextremer Ausrichtung unsere Länder nach Jahren des erfolgreichen Aufbaus zurückwerfen werden. In Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft!
In eigener Sache: Prekäre Blog-Finanzierung
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Jonas Caufman (Montag, 05 August 2024 08:36)
Bei aller Sympathie für den verehrten Herrn Minister: AfD und BSW sind nicht in die gleiche Tüte zu stecken. Die erste Variante wäre ein Ärgernis , die zweite kein Kuriosum.
#IchBinTina (Montag, 05 August 2024 11:26)
Überraschend (& wohltuend) konkret für einen Politiker, aber ich habe den Eindruck, dass Herrn Willigmann nicht bewusst ist, dass die Reform des Sonderbefristungsrechts der Dreh- und Angelpunkt für ALLE überfälligen Reformen in der Wissenschaftspolitik ist, einfach, weil die Personalausgaben der größte Kostenblock sind.
Am Beispiel der thematisierten Kofinanzierungen für Bund-Länder-Programme: Ein Argument für die 50:50-Aufteilung wäre, dass sich die Universitäten & Länder dann besser überlegen müssten, ob sie sich um Bundesmittel bewerben. Damit erhöht sich die Förderquote & es verringern sich Wettbewerbsdruck und Wohlfahrtsverluste durch erfolglose Drittmitteleinwerbung. Aaaaber: Das Knock-Out-Kriterium ist dann nicht die wissenschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Universität, sondern die finanzielle Situation des Bundeslandes. Damit würde sich nur der sowie schon ausgeprägte Matthäus-Effekt verstärken und einzelne Bundesländer hätten mittelfristig reine "Lehre-Unis", weil sie aus dem Wettbewerb um Bundesmittel ausscheiden müssten.
Eine Reform des Sonderbefristungsrecht, die das Problem exzessiver Befristung angeht (also noch nicht rechtswidrig, aber langfristig schädlich), würde dagegen dafür sorgen, dass die Universitäten nicht mehr in den Missbrauch des Sonderbefristungsrechts "ausweichen" können, z.B. indem wirtschaftlich schlechte Entscheidungen durch kurzfristigen Stellenabbau im "Mittelbau" vertuscht werden können. Die Unis müssten den Personalbedarf langfristiger und strategischer planen und auf dieser Basis dann entscheiden, an welchen Drittmittelausschreibungen sie sich beteiligen und wann sie mal aussetzen müssen, weil sie dafür nicht das passende Personal haben. So reduziert sich der Wettbewerbsdruck auch, aber die Bundesmittel kommen zielgerichteter bei den Unis an: Unis, wo es z.B. schon viel Substanz in anwendungsorientierten Disziplinen, wie den Ingenieurswissenschaften, gibt, haben dann einen Wettbewerbsvorteil in transferorientierten Ausschreibungen etc.
Die Reform des Sonderbefristungsrechts auf die lange Bank zu schieben (erst WR-Gutachten, dann Diskussion in den neuen WissMin-Konferenz usw.) ist angesichts der derzeitigen Haushaltslage in den Ländern die vermutlich schlechteste Lösung, weil andere Formen des Sparens viel "gröber" wirken.