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Fördermittelaffäre: Stark-Watzinger provoziert ihre eigenen Koalitionspartner

Sie wolle dem Parlament endlich Dokumente zur Fördermittelaffäre vorlegen, hatte die Ministerin versprochen – und schickte jetzt nur längst bekannte Unterlagen.

Bekannte erste Seite: Das PDF-Dokument, das das BMBF am Dienstagabend an den Bundestag übersandte, war identisch mit einer längst öffentlichen IFG-Antwort – inklusive Schwärzungen.
Foto: Screenshot.

ES WAR EIN WINKELZUG, mit dem keiner gerechnet hatte. Vergangenen Freitagmorgen standen die Obleute im Bundestags-Forschungsausschuss vor mehreren wichtigen Entscheidungen, darunter der Frage, ob sie von BMBF-Chefin Bettina Stark-Watzinger (FDP) offiziell die Herausgabe der Ministeriumsakten zur Fördermittelaffäre verlangen sollten. Was diese bis dahin verweigert hatte. 

 

Doch wenige Stunden vor dem Termin teilte das Ministerium plötzlich mit, es werde freiwillig den Ausschussmitgliedern die verfügbaren Unterlagen vorlegen. Worauf zum Beispiel der SPD-Wissenschaftspolitiker Oliver Kaczmarek hier im Blog erleichtert von einer guten Entscheidung sprach. Und sich optimistisch gab: "Ich gehe davon aus, dass das Ministerium alles herausgibt, was es zur Verfügung hat und datenschutzrechtlich möglich ist."

 

Jedenfalls konnten die Ampel-Partner mit Verweis auf die BMBF-Ankündigung erklären, der Beschluss, die Unterlagen formal einzufordern, sei dadurch überflüssig geworden. Was SPD und Grüne vor einer Zerreißprobe bewahrte, denn laut Koalitionsvertrag dürfen die drei Fraktionen nicht gegeneinander stimmen – und die FDP hätte die Forderung niemals unterstützt.

 

Jetzt zeigt sich: Der Winkelzug, der Stark-Watzinger zunächst einen strategischen Vorteil zu bescheren schien, könnte den kurzzeitig überdeckten Ampel-Konflikt in Sachen Aufklärung der Affäre nun doch noch zum Ausbrechen bringen. Denn das, was Stark-Watzinger ihrer Ankündigung folgend am Dienstagabend dem Ausschuss vorgelegt hat, empfindet nicht nur die Opposition als Ärgernis. 

 

Zweimal
kalter Kaffee

 

Tatsächlich waren es nämlich nur zwei PDF-Dateien. Die eine enthielt die bereits gegebenen teilweise sehr lückenhaften Ministeriumsantworten auf eine 100-Fragen umfassende parlamentarische Anfrage der CDU-/CSU-Fraktion. Die andere, 132 Seiten lange, wiederum war identisch mit den Unterlagen, die das BMBF bereits vor mehr als zwei zwei Monaten an die Online-Plattform "FragDenStaat" herausgegeben hatte auf dessen Anfrage mit Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz. Identisch bis hin zu den zahlreichen geschwärzten Stellen. Kurzum: alles kalter Kaffee.

 

Obwohl seit Juni viel passiert ist und beispielsweise "FragDenStaat" gerichtlich auf die Herausgabe auch der ministeriumsinternen "Wire"-Chats drängt, die einigen vom SPIEGEL veröffentlichten Leaks zufolge äußerst brisante Aussagen von BMBF-Führungskräften in Hinblick auf die Födermittelaffäre zu beinhalten scheinen.

 

Er sei als Abgeordneter sehr unzufrieden mit der Tatsache, "dass wir bisher selbst nur über "FragDenStaat" einige Unterlagen einsehen konnten", hatte Oliver Kaczmarek dementsprechend im Interview vergangene Woche gesagt und hinzugefügt: "Gut, dass das BMBF nun seine Haltung geändert hat und die Unterlagen übermittelt."  

 

Jetzt scheint es Stark-Watzinger mit ihrer Taktiererei geschafft zu haben, den nicht leicht erregbaren Kaczmarek vor den Kopf zu stoßen. Denn auf Anfrage äußerte sich der SPD-Mann am Mittwochnachmittag für einen Koalitionspartner erstaunlich vorwurfsvoll: "Die uns vom BMBF vorgelegten Unterlagen werden nicht ausreichen, um die gegen das Haus und die Ministerin gerichteten Vorwürfe zu entkräften. Insbesondere zur internen Kommunikation der engsten Führung des Hauses und zu den seit der letzten Befragung im Ausschuss erhobenen Vorwürfen sagen sie nichts."

 

Zu wenig Aufklärung?
Oder längst zu viel?

 

Nun sei die Erwartungshaltung an die Befragung der Ministerin im Ausschuss weiter gestiegen, ergänzte Kaczmarek – was man als Warnung an Stark-Watzingers Adresse verstehen muss: "Nur wenn alle Vorgänge plausibel dargelegt werden, besteht eine Chance, das verlorengegangene Vertrauen wiederherstellen zu können."

 

Es reicht, lautet die unmissverständliche Botschaft der SPD. Das findet übrigens auch Stark-Watzingers Parteifreund Stephan Seiter, aber andersherum: "Meine Fraktion sieht die maximale Transparenz im Rahmen geltenden Rechts schon seit Wochen als gegeben und mit den angebotenen Unterlagen das Aufklärungsbedürfnis mehr als erfüllt an", sagt der FDP-Obmann im Forschungsausschuss. "Dass die Opposition ein Grundmisstrauen gegen die Bundesregierung hat, ist eine Sache. Gleichzeitig muss aber auch im Interesse aller sein, Persönlichkeits- und Beamtenrechte sowie den Datenschutz zu achten." 

 

Womit Seiter an ein Narrativ anschließt, das Stark-Watzinger selbst kürzlich in der Rheinischen Post gestärkt hatte. Sie sei besorgt, sagte die Ministerin, "dass die Union zahlreiche Vorwürfe gegen mich und mein Ministerium auf Grundlage von Mutmaßungen und Unterstellungen konstruiert".

 

Doch Kaczmarek hielt schon vergangene Woche hier im Blog dagegen: Grundsätzlich sei er der Meinung, "dass die Union ihren Job als Opposition macht und ein Ministerium mit ordentlich Gegenwind rechnen muss, wenn es einen Ausschuss so schlecht informiert, wie es das BMBF bislang getan hat." 

 

Während Seiter nach der schmalen Akten-Herausgabe am Mittwoch sagte: "Wir begrüßen das Vorgehen des Ministeriums und insbesondere das Verantwortungsbewusstsein der Bundesministerin gegenüber den Beamten ihres Hauses." Mit ihrer persönlichen Teilnahme an der Sondersitzung ermögliche die Bundesministerin dem Ausschuss weitere Fragen an sie zu stellen. "Wir haben aber weitere Hausaufgaben, denn die Diskussion der letzten Wochen hat von der nicht zu akzeptierenden Zunahme antisemitischer Tendenzen an deutschen Hochschulen und der Verantwortung der Länder abgelenkt. Ich hoffe sehr, dass wir die Lebensrealität von Jüdinnen und Juden im Ausschuss wieder verstärkt thematisieren."

 

CDU: Stark-Watzinger demütigt
ihre eigenen Koalitionspartner 

 

Ein harscher Vorwurf an alle, die versuchen, die Aufklärung der Affäre voranzutreiben. Kurzum: Seit diesem Mittwoch sind die Spannungen auf einem neuen Level angelangt – zumindest zwischen FDP und SPD. 

 

Denn die grüne Obfrau im Forschungsausschuss, Laura Kraft, gab sich am Mittwochnachmittag deutlich geduldiger als Ihr SPD-Pendant Kaczmarek. "Die Ministerin ist auch weiterhin gefordert, das Vertrauen zur Wissenschaft wieder aufzubauen und Transparenz herzustellen. Ich begrüße deshalb, dass das BMBF dem Ausschuss zur Vorbereitung auf die Sondersitzung Unterlagen zur Verfügung gestellt hat." Die vom BMBF übermittelten Unterlagen beantworteten noch nicht alle offenen Fragen. "Selbstverständlich muss das BMBF alle dienst- und datenschutzrechtlichen Vorgaben einhalten. Noch zu klärende Fragen werden wir am Dienstag in der Sonderausschusssitzung anbringen, denn dort kann die Ministerin die Vorgänge im Detail erläutern."

 

Stark-Watzinger demütige ihre eigenen Koalitionspartner, kommentierte unterdessen der bildungs- und forschungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, Thomas Jarzombek. Er teile Kaczmareks "Unzufriedenheit mit der Informationspolitik von Frau Stark-Watzinger. "Warum die Bundesforschungsministerin uns die exakt gleichen Unterlagen, die vor zwei Monaten an FragDenStaat gingen, ergänzt um eine dünne Antwort auf eine Kleine Anfrage der Unionsfraktion zuschickt, ist gegenüber dem Deutschen

Bundestag und auch den eigenen Koalitionspartnern schlicht respektlos."

 

Nicole Gohlke von den Linken sprach von einem "politischen Trauerspiel": "Was die Ministerin sagen wird oder eben nicht, wissen wir schon." Die im Zuge der Affäre geschasste BMBF-Staatssekretärin Döring dürfe dank der Ampel in der Sondersitzung nicht sprechen. "Und zu allem Überfluss stellt uns das BMBF die bereits längst öffentlichen geschwärzten Dokumente zur Verfügung. Das ist völlig unzureichend und wird dem Anspruch auf volle Transparenz mitnichten gerecht." Sie frage sich wirklich, so Gohlke, "was diese Sondersitzung zur Fördergeldaffäre an Mehrwert liefern soll."

 

In den Ampel-Fraktionen SPD und Grüne werden sie sich fragen, wie lange sie sich noch von Stark-Watzinger als parlamentarisches Schutzschild einsetzen lassen wollen. Schließlich steht zunehmend ihre eigene Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Dass zumindest bei einigen Ampel-Politikern der Geduldsfaden kurz vorm Reißen ist, wird immer offensichtlicher. 

 

Nachtrag am 05. September, 14 Uhr:

Das BMBF hat dem Ausschuss noch zwei weitere Dokumente nachgereicht: die gerade erst beschlossene Beantwortung einer großen parlamentarischen Anfrage der CDU/CSU und die schon ältere Beantwortung einer Kleinen Anfrage der Linken. Inhaltlich enthalten beide Dokumente nichts Neues – und wiederum liefert das Ministerium lediglich, was die Abgeordneten schon haben oder auch so erhalten hätten. Und nichts von dem, worauf es wirklich ankäme: die tatsächlichen und vollständigen BMBF-Akten zu der Fördermittelaffäre.



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Kommentare: 1
  • #1

    Kaktus (Mittwoch, 04 September 2024 20:07)

    Die FDP verkauft ihre Partner sehr gerne fuer dumm. Die Ministerin ist nicht an Aufklaerung interessiert. Das zeigt sie klar, indem sie nur die bekannten Dokumente vorlegt, die nur deswegen bekannt wuden, weil FragDenStaat fuer Aufklaerung gesorgt hat.

    Damit liegt der Ball bei der CDU, einen Untersuchungsausschuss zu fordern und hoffentlich bei FragdenStaat, die WireChats herauszuforderen. Ohne Leaks und ohne IFG gibt es keine Kontrolle der FDP.

    SPD und Gruene sind nicht in der Lage, fuer Aufklaerung zu sorgen. Auch ein klares Zeichen an Wissenschaftler in Deutschland, aber auch an ihre Waehler fuer 2025.

    Bei mir kommt an: SPD, Gruene sind nicht gewillt, fuer Aufklaerung zu sorgen. Sie sind der Spielball einer unter 5-Prozen-Partei, die ihr eigenen Interessen forciert.
    Foergelder werden im Zweifel doch nur nach Gefallen verteilt, nach Loyalitaet, eben so wie die Posten in der F-Partei.