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Die AfD bekämpfen wir, in die Arme des BSW flüchten wir uns

In der Debatte über die Gefährlichkeit der AfD ignorieren viele die Gefährlichkeit des BSW. Was das wohl für die Freiheit von Wissenschaft und die Curricula in den Schulen bedeutet? Ein Kommentar.

DIE AFD ERREICHT bei Landtagswahlen 30 Prozent, und Deutschlands Politikbetrieb diskutiert über ein Verbotsverfahren. Ich stimme in kaum etwas mit Sahra Wagenknecht überein, doch ihre Einschätzung, hier werde der "dümmste Antrag des Jahres" im Bundestag vorbereitet, greift im Ton daneben, inhaltlich aber hat sie einen Punkt.

 

Eine nachweislich verfassungsfeindliche Partei mit zehn Prozent ist relevant genug, um im Sinne des Bundesverfassungsgerichts ein Verbot zu rechtfertigen. Eine nachweislich verfassungsfeindliche Partei, die stärkste Fraktion in zwei Landtagen ist, kann man nicht mehr verbieten, ohne gefährliche gesellschaftliche Verwerfungen auszulösen. Da bleibt nur noch der erbittert geführte tägliche Kampf ums politische Überleben der Demokratie. Die Initiative Thüringer Wissenschaftler, über die ich vor dem Wochenende berichtete, zeigt in die richtige Richtung. Die Verbots-Initiative von Bundestagsabgeordneten dagegen weist auf eine so hilflose wie hochriskante Form von Symbolpolitik hin und ist Scheitern mit Ansage.

 

Mich treibt noch eine andere Sorge um. In der Debatte über die Gefährlichkeit der AfD ignorieren viele die Gefährlichkeit des BSW. Es handelt sich um eine an einer einzelnen Person ausgerichtete Partei mit einer Mischung aus nationalistischen und sozialistischen Positionen. Geschichte wiederholt sich nicht, aber lernen wir aus ihr? 

 

Was ich sehe: Es gibt massenweise Wähler, die durch die immer gleichen Anti-System-Angstnarrative der AfD von den demokratischen Parteien entfremdet wurden. Sie sind enttäuscht von der Demokratie, würden aber trotzdem aus Prinzip nie die AfD unterstützen. Diese Wählergruppen wählen nun geradezu erleichtert BSW, denn sie glauben, eine vermeintlich sozial akzeptablere Alternative zur Alternative für Deutschland gefunden zu haben. Wer vor dem BSW warnt, gar wagt, sie rhetorisch in die Nähe der AfD zu rücken, wird von ihnen wütend zurechtgewiesen. Ganz etwas Anderes! Nicht vergleichbar! 

 

Die AfD hat gesät, das BSW erntet. Die AfD bekämpfen wir, in die Arme des BSW flüchten wir uns. Die demokratischen Parteien begeben sich, um die AfD aus der Regierung zu halten, sehr wahrscheinlich in die Abhängigkeit von Wagenknecht und ihrer Leute. Einen Vorgeschmack, welchen Preis sie dafür zu zahlen bereit sind, bekommen wir derzeit in den außenpolitischen Äußerungen zweier amtierender Ministerpräsidenten und einem dritten, der es werden will. Dass wir demnächst einen AfD-Landeswissenschaftsminister haben könnten, befürchte ich nicht derzeit. Dass ein Parteigänger von Sahra Wagenknecht die Zuständigkeit für Bildung, Forschung oder Kultur übernimmt, sehr wohl. Was das wohl für die Freiheit von Wissenschaft und die Curricula in den Schulen bedeutet? Anders gefragt: Wer weiß schon, was genau das BSW in diesen Politikfeldern abseits der Wahlprogramme im Kern wirklich will? Wahrscheinlich nur Sahra Wagenknecht. Sicher aber ist: Was sie sagt, wird dann auch gemacht.

 

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Kommentare: 11
  • #1

    Robert Links (Donnerstag, 03 Oktober 2024 09:49)

    Sg. Herr Wiarda, Sie können natürlich in Ihrem Blog schreiben, was Sie möchten, gern auch über Ihr politisches Verständnis. Sie haben ja vielleicht Recht, daß sich das BSW zu stark an Frau Wagenknecht-Lafontaine ausrichtet. Ich verstehe aber nicht, warum Sie einem/r potentiellen Minister/in für Wissenschaft, Bildung und Kultur des BSW
    unvorteilhafte Eingriffe in die Curricula in den Schulen und die Freiheit der Wissenschaft unterstellen. Warten Sie doch die Dinge einfach mal ab. Es ist doch noch gar nicht klar, ob das BSW überhaupt in eine Regierung geht.

  • #2

    Werner Master (Donnerstag, 03 Oktober 2024 23:10)

    Nun, in Ihren Wahlprogrammen hat das BSW erklärt, was im Hochschulbereich seine Ziele sind, beispielsweise unterstützt es in Sachsen die Gründung einer medizinischen Hochschule, eine Reform des Lehrerstudiums, eine stärkere Kooperation mit KMUs oder die alleinige Zuständigkeit des Senats für die Rektorenwahl (der Hochschulrat soll lediglich beraten).
    Nun kann man geteilter Meinung sein, ob diese Ziele zu wünschen sind. Außerdem ist Papier geduldig, und Papier mit Wahlprogrammen erst recht - aber das gilt für alle Parteien.
    Ich weiß daher nicht, warum sie gerade beim BSW raunen, dass es eine Gefahr für Bildung, Forschung oder Kultur sei.
    Wenn sie so etwas behaupten, sollten Sie schon konkrete Anhaltspunkte bringen

  • #3

    Wolfgang Kühnel (Freitag, 04 Oktober 2024 09:17)

    Seltsam, dass die Linkspartei mit PDS- und SED-Vergangenheit als untadelig demokratische Partei dasteht und in etlichen Bundesländern mitregiert und auch Kultusminister stellt. Frau Wagenknecht wäre vor ein paar Jahren durchaus als Ministerin in Betracht gekommen.
    Jetzt hat sie eine Konkurrenz-Partei gegründet, und schon gilt sie als üble Populistin, nur weil sie ein paar Dinge gesagt hat, die dem Wahlvolk gefallen, den anderen Parteien aber missfallen.
    Vergessen wird auch, dass die deutschen Journalisten von Anfang an die AfD (damals als "Professorenpartei" tituliert) in die rechtsextreme Ecke gerückt haben (Herr Lucke wurde im Studio Friedman vor den Augen der Fernsehzuschauer niedergebrüllt), obwohl Herr Lucke keinesfalls dazu passte und obwohl viele maßgebliche AfD-Leute der Anfangszeit vorher in der CDU aktiv tätig waren (auch Gauland) und als solche selbstverständlich als vorbildliche Demokraten galten. So wie früher religiöse Reformer plötzlich als Ketzer bezeichnet wurden, wenn sie sich vom Mainstream der Monopolkirche abwandten und irgendwelche Missstände anprangerten.
    Nach dem Grundgesetz haben wir übrigens ein Parlament und eine Regierung, die aus Personen und nicht aus Parteien bestehen. Aber in der Zwischenzeit haben sich die Parteien gegenseitig so viel Einfluss zugeschanzt, dass wir heute ein Parlament und eine Regierung haben, die beide von den sog. "Regierungsparteien" abhängig sind, womit die Gewaltenteilung aufgeweicht wird. Die Vorsitzenden dieser Regierungsparteien tun dann so, als seien sie Minister ohne Geschäftsbereich, und regieren heimlich mit, z.B. durch Bildzeitungs-Interviews, aber ohne den Amtseid der Regierungsmitglieder geleistet zu haben. Kein Wunder, dass man Angst vor AfD und BSW hat, denn die könnten diesem Vorbild folgen und damit das Grundgesetz weiter aushöhlen. Man braucht sich nur wichtige Medien in der Hand von Regierenden vorzustellen nach dem Vorbild von Berlusconi und Trump.

  • #4

    Robert Links (Freitag, 04 Oktober 2024 10:47)

    #2: Vielen Dank für die sachliche Unterstützung.

  • #5

    Nikolaus Bourdos (Freitag, 04 Oktober 2024 21:10)

    Ich sehe das genau wie Sie, Herr Wiarda. Das BSW ist gegen eine offene und vielfältige Gesellschaft, was in der Regel nichts Gutes für Wissenschaft und Bildung bedeutet.

  • #6

    Bernhard Breitschuh (Samstag, 05 Oktober 2024 10:09)

    #5: Um mit #2 zu sprechen: "Wenn Sie so etwas behaupten, müssten Sie schon konkrete Anhaltspunkte bringen." Ich halte Ihre Aussage für nicht wirklich belegbar.

  • #7

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 05 Oktober 2024 23:36)

    Zum Beitrag # 5: Überlegen Sie bitte, ob Sie die verschwurbelte Sprache bei diesem "Diversity Management" hier wirklich gut finden:
    https://kulturelle-teilhabe-bw.de/angebot/diversity-audit
    Die Veränderungen sollen mit "Change Management" umgesetzt werden, einem Begriff aus der Unternehmensführung. Da geht es um Methoden und Tricks, wie man "von oben nach unten" Veränderungen durchsetzen kann, die an der Basis eigentlich nicht erwünscht sind. In der Betriebswirtschaft wird ganz ungeniert geschildert, wie jeder Widerstand gebrochen werden kann. Mit Demokratie hat das nichts zu tun.
    Also wird mit einem "Zentrum für kulturelle Teilhabe" eine neue Bürokratie als Teil des grünen Ministeriums für Kultur aufgebaut, nur weil es im Koalitionsvertrag steht. Man kann aus der ohnehin bestehenden Vielfalt eben auch eine Ideologie machen, die dann in einseitiger Weise "von oben nach unten" gemanagt werden soll. Brauchen wir das wirklich?

  • #8

    Django (Montag, 07 Oktober 2024 11:02)

    #3: Finden Sie es wirklich sachgerecht, im Jahre 35 nach der Öffnung der Mauer den heutigen Mitgliedern der Linken noch die Geschichte der Partei vorzuhalten? Um aus diesem Popanz einen echten Vorwurf zu machen, müssten Sie schon zeigen, dass sich diese Vergangenheit in heutige Politik auswirkt. Ich bin gespannt.

  • #9

    Wolfgang Kühnel (Montag, 07 Oktober 2024 22:05)

    Zum Beitrag # 8:
    Ich hatte gar keinen Vorwurf gegen die Linkspartei erhoben, ich wundere mich nur über die anderen, nämlich dass man Frau Wagenknecht als Mitglied der Linkspartei akzeptiert hätte und jetzt verteufelt. Es ist doch dieselbe Person. Ebenso wurden aus normalen CDU-Leuten plötzlich Rassisten und Extremisten, nur weil sie der AfD beitraten. Irgendwas kann da nicht so ganz stimmen.

    Immerhin kann ich folgendes nennen: Frau Birgit Klaubert war SED-Mitglied und vor der Wende in der Lehrerfortbildung verantwortlich für das Fach Marxismus-Leninismus, und bis vor ein paar Jahren war sie Schulministerin in Thüringen unter Ramelow. Das hat offenbar niemanden gestört. Quelle ist ihr eigener Bericht in einem Band: "Menschen zur Wendezeit in Thüringen", herausgegeben vom Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien, 99438 Bad Berka, Thillm Materialien Heft 103, ISSN 0944-44-8705 aus dem Jahre 2004.

  • #10

    Laubeiter (Dienstag, 08 Oktober 2024 17:09)

    #3, 8, 9 Also mir scheinen hier diese beiden Annahmen einander gegenüberzustehen: Annahme 1 geht davon aus, dass jemand, der in einer Partei Mitglied wird weil er deren Ziele teilt. Dann kann ich sagen, das Programm der CDU kommt ohne Rückgriffe auf völkisches Deutschtum aus, das Programm der AfD bedient sich dessen. Außerdem wird dann gelten, dass ein Austritt aus der CDU und Eintritt in die AfD mit einem Positionswechsel vom diversen zum völkischen Nationsbegriff verbunden ist - plausibel. Annahme 2 sieht keinen Zusammenhang zwischen einem Parteiprogramm und den Überzeugungen ihrer Mitglieder - wenig plausibel. Mich würde auch dies interessieren: Tritt jemand aus dem BSW aus, weil ihm da was nicht gefällt, können andere Parteien mit dessen Erfahrungen etwas anfangen?

  • #11

    Wolfgang Kühnel (Mittwoch, 09 Oktober 2024 10:28)

    Zum Beitrag # 10: Kaum ein Parteimitglied wird mit ALLEM übereinstimmen, was diese Partei ausmacht. Es wird eine Auswahl sein, die Dinge, die individuell als wichtig angesehen werden. So war auch Frau Wagenknecht in der Linkspartei.
    Ein abstrakter "Nationsbegriff" dürfte wohl den allermeisten vollkommen egal sein, sie haben andere Sorgen. Ob nicht ein "diverser Nationsbegriff" überhaupt ein Oxymoron ist? In der Geschichte waren Vielvölkerstaaten oft der Inbegriff der Instabilität, sie brachen leicht auseinander. Beispiel: Jugoslawien nach Titos Tod mit den "ethnischen Säuberungen". Eine größere vorherige Zuwanderung aus aller Welt hätte das kaum verbessert, denke ich.

    Jedenfalls weiß ich noch: Als die AfD gerade von Lucke gegründet war, verteilten AfD-Leute auf dem Markplatz kleine blaue Zettel. Und da stand u.a. drauf, dass man ein Einwanderungsrecht nach kanadischem Vorbild fordere. Ist Kanada etwa zu "völkisch" bei seinem "Nationsbegriff"? Und das war genau die Zeit, als CDU-Mitglieder in größerer Zahl übertraten. Sicher haben es viele später bereut.