Man muss nicht an Rankings glauben, um zu merken: Die deutschen Universitäten haben international an Attraktivität gewonnen. Aber was, wenn jetzt vielerorts die Sparmaßnahmen durchschlagen?
Wie sich eine generative Künstliche Intelligenz den Campus einer "World-Class University in Europe" vorstellt.
WIE VIELE SUPERLATIVE man in einer Pressemitteilung unterbekommt, zeigte vergangene Woche Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume. Die Technische Universität München (TUM) sei "die beste Universität in der Europäischen Union", kommentierte der CSU-Politiker die Veröffentlichung des jüngsten Times Higher Education (THE) World University Ranking. Die TUM und ihr Münchner Nachbar, die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), seien "Deutschland beste Universitäten und weltweit vorne mit dabei". Ein "Toperfolg für Bayerns Universitäten", TUM und LMU als "Nonplusultra in Sachen Studium, Lehre und Forschung".
Der Platz reicht an dieser Stelle nicht aus, um all die methodischen Schwachstellen und Einschränkungen internationaler Uni-Ranglisten zu thematisieren, von denen dieses THE-Ranking vermutlich das prominenteste ist. Dafür werden aktuell über 2000 Universitäten aus 115 Ländern und Regionen anhand von 18 Kriterien in den Bereichen Lehre, Forschungsumfeld, Forschungsqualität, Engagement in der Industrie und Internationalität verglichen.
Doch unterstreicht Times Higher Education mit seiner Auswertung einen Trend, der sich durch viele internationale Hochschulvergleiche der vergangenen Jahre zieht. In der Außenwirkung haben die Hochschulen und das Wissenschaftssystem Deutschlands deutlich an Attraktivität gewonnen.
Auch wenn der jüngste "Free to think"-Report von "Scholars at Risk" Deutschland erstmals mit "besorgniserregenden Entwicklungen" (Stichwort unter anderem: BMBF-Fördermittelaffäre) aufführt, wird die Bundesrepublik als einziges der 18 im Bericht genannten Länder in Hinblick auf die akademische Freiheit noch als "völlig frei" eingestuft, im Gegensatz zu Großbritannien oder den USA. Als Zielland für internationale Studierende stieg Deutschland zwischenzeitlich weltweit auf Platz drei. Und mit 20 deutschen Universitäten unter den Top 200 im THE-Ranking sticht Deutschland proportional zur Bevölkerung die USA aus (55). Das ist bemerkenswert, wobei übrigens nicht Bayern deutschlandweit die meisten hat, sondern Baden-Württemberg (6).
Doch selbst die von Blume so hochgejazzte TUM schneidet mit Rang 26 weit von der absoluten Weltspitze entfernt ab, am Ende reicht es für die stärksten deutschen Exzellenzuniversitäten doch nur für die globale zweite Reihe. Hier schlägt die typische Konstitution deutscher und kontinentaleuropäischer Universitäten durch: breit aufgestellt, mit einem hohen Grad an Autonomie, aber eben auch fast vollständig abhängig von einer staatlichen Finanzierung, die als Gleichmacher wirkt. Hinzu kommt eine oft komplexe Gremienstruktur, die strategisches Handeln meist dem Interessenausgleich der sogenannten Statusgruppen unterordnet.
Mit Buchungstricks kennt man
sich in vielen Bundesländern aus
Genau an diesen Stellen erklärt sich auch der relative Vorteil der beiden bayerischen Spitzenuniversitäten. So ist der Aufstieg der TUM seit vielen Jahren Folge des Zusammenspiels willensstarker Hochschulleitungen mit einer Staatsregierung, die entsprechend des alten Roman-Herzog-Spruchs "Laptop und Lederhose" die Innovationspolitik priorisierte und Gesetze schon mal direkt auf die Bedürfnisse der TUM zuschneiderte.
Logisch, dass Markus Blume in seiner Pressemitteilung auch die 5,5 Milliarden Euro für Bayerns "Hightech Agenda" nicht unerwähnt ließ. Auch wenn sich bayerischen Hochschulleitungen zufolge hinter den glänzenden Zahlen verschiedenste Buchungstricks befinden sollen, stimmen doch auch sie meist zu: Ihre finanzielle Lage ist günstiger als anderswo. Mit Buchungstricks kennt man sich freilich auch in anderen Bundesländern aus. Etwa, wenn Hochschulen den politisch verkündeten Aufwuchs ihrer Budgets durch den Abbau ihrer Rücklagen mitfinanzieren sollen. Oder wenn das jährliche Plus zur Haushaltssanierung komplett ausgesetzt, aber als einmalige Ausnahme deklariert wird. Oder Hochschulen "Konsolidierungsbeiträge" zum Landeshaushalt erbringen sollen. Und: In keinem Bundesland hat die Hochschulfinanzierung seit 2022 komplett mit allen Preis- und Gehaltssteigerungen mitgehalten. Auch nicht in Bayern.
Nächstes Jahr stehen die ersten Entscheidungen in der neuen Runde der Exzellenzstrategie an, neue Exzellenzcluster werden gekürt, alte verlängert oder aussortiert. 2026 geht es dann wieder um den Titel als Exzellenzuniversität. Derzeit stehen die deutschen Universitäten, ob "exzellent" oder nicht, international sehr gut da. Doch ihr Aufstieg könnte dank der bundesweiten Sparmaßnahmen schnell wieder vorbei sein.
Dieser Kommentar erschien zuerst im ZEIT-Newsletter Wissen3.
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Gernot Weniger (Montag, 14 Oktober 2024 07:45)
Die deutschen Universitäten sollten sich endlich wieder auf ihre Kernaufgaben in Lehre und Forschung widmen und nicht nach ExStra-Merkmalen streben.
lustig (Montag, 14 Oktober 2024 08:45)
Nett ist auch, wie manche Unis sich ihr THE-Ergebnis jedes Jahr aufs Neue schönreden, auch wenn es immer weiter abwärts geht. Zum Beispiel die bayerische Uni Passau, die inzwischen auf Rang 500-600 gelandet ist und an viertletzter Stelle in D steht, aber in der Presseerklärung jedes Jahr munter (sinngemäß) schreibt: 'Wieder ein TOP Ergebnis. Die Uni Passau nimmt im THE ranking wieder einen Platz unter den 25% besten ein.' Prima Taschenspielertrick natürlich: wenn die Gesamtanzahl von ranking-Teilnehmern jedesmal zunimmt und dabei immer mehr Feld-Wald-undWiesenUnis dazukommen, bleibt man selbst dann unter den ersten 25%, wenn man immer weiter absteigt. Peinlich.
Leif Johannsen (Dienstag, 15 Oktober 2024 13:47)
Ende 2022 hatte ich mich mal auf eine Projektteamstelle an einer norddeutschen Exz-Uni beworben, wo es darum gehen sollte, die neuen ExStra-Antraege zu begleiten. Mein Vortrag zum Thema "Vorschlaege zur zukuenftigen Entwicklung-blabla" beim Vorstellungstermin behandelte die (anscheinende) Korrelation zwischen den ExStra/-Ini-Erfolgen und den jeweiligen Positionen der amtierenden und laengjaehrigen Exz-Unis in den gaengigen internationalen Hochschulrankings (THE, Shanghai, QS, US News, Reuters). Ich fand es auffaellig, dass eigentlich keine deutsche Uni, die nicht mind. einmal Exz-Uni-Status hat oder hatte, irgendwo in den rankings unter den Top 100 auftauchte bzw. auftaucht (ExStra als ranking booster). Allerdings sind selbst Exz-Unis mitunter nur unter "ferner liefen..." aufzufinden (da hatte der booster wohl keine nachhaltige Wirkung entfaltet). Das hiess damals fuer mich, dass es dann doch eine Beziehung geben muesste zwischen den Kriterien der rankings und den jeweiligen ExStra-Antraegen. D.h. die Empfehlung, sich aus den rankings Kriterien fuer strategische Massnahmen ableiten, um passendere Antraege zu stellen (und dann mit dem Geld die Uni entsprechende real "aufzumotzen"). Meinen Hinweis wie schlecht die betreffende Uni ansich trotz Exz-Uni-Status in den rankings abschneidet, hatte man dann doch wohl nicht so gerne gehoert, jedenfalls bekam ich sehr schnell eine Stellenabsage. Dass dann die Neuantraege der Uni dann 2023 krachend gescheitert sind, war eine gewisse Genugtuung (die Schadenfreude sehe man mir nach).
Die Methoden der rankings kann man sicherlich kritisieren (wieviel reale organisatorische Substanz bilden die wirklich ab?), aber trotzdem habe muss ich feststellen, dass 2 der 3 britischen Unis, bei denen ich angestellt war, die rankings sehr ernst nehmen (der internationale Ruf haengt davon ab) und entsprechend deutlich vor einigen deutschen Exz-Unis in den rankings auftauchen. Der Exzellenz-Status dieser Unis ist dann aber auch historisch gewachsen und nicht aus der Retorte. Also nochmal 50 Jahre Exzellenzstrategie abwarten und dann einen Schluss ziehen, ob es die Gelder Wert war.
Roderich Weinstein (Dienstag, 15 Oktober 2024 20:07)
@3: Um Himmels Willen keine weiteren 50 Jahre Extra !
Das ist schon jetzt nicht die Gelder wert.