· 

Politisch interessiert, mit einem starken Bedürfnis nach Sicherheit

Wie tickt die junge Generation? Die aktuelle Shell-Jugendstudie zeichnet ein differenziertes Bild – und sollte den demokratischen Parteien zu denken geben.

So stellt sich die KI politisch interessierte Jugendliche vor, die in einer kleinen Gruppe miteinander diskutieren. 

"DIE JUGEND" gab es nie, aber genau solche Stereotypisierungen vermeidet, wer die regelmäßig seit 1953 erscheinende Shell-Jugendstudie liest. In ihrer gerade veröffentlichten, 19. Ausgabe zeigen sich teils überraschende Trends, die 2509 Personen umfassende Stichprobe ist statistisch repräsentativ für die gesamte junge Generation.

 

1. Die heute 12- bis 25-Jährigen sind so politisch wie zuletzt kurz nach der Wiedervereinigung. 55 Prozent bezeichnen sich als politisch interessiert, 37 Prozent sagen, für sie sei politisches Engagement wichtig (Tiefstwert 2006: 20 Prozent). 

 

2. Die politische Mitte (26 Prozent) wird kleiner. Aber immer noch deutlich mehr Jugendliche (46 Prozent) stufen sich als (eher) links ein im Vergleich zu (eher) rechts (18 Prozent). Wobei letzteres für inzwischen ein Viertel der Jungs und jungen Männer gilt und für nur elf Prozent der Mädchen und jungen Frauen. "Auch in 2024 haben wir keine Veränderungen feststellen können, die auf einen 'Rechtsruck' hindeuten", schreiben die Studienautoren.

 

3. Hohes Staatsvertrauen, aber im Westen ist die Demokratiezufriedenheit mit 77 Prozent seit längerem stabil und höher als im Osten, wo sie nach längerem Anstieg wieder etwas zurückgeht auf aktuell 60 Prozent. Sowohl die Ost-West-Kluft als auch die Zahl der Demokratieskeptiker oder -gegner im Osten legen nahe, dass das politische System vor einer Langzeitherausforderung steht.

 

4. Die Ängste der Jugendlichen verschieben sich. Für 81 Prozent der 12- bis 25-Jährigen ist der Krieg in Europa jetzt die größte Sorge, fast doppelt so viel wie 2019. Es folgen die Angst vor Armut (67 Prozent statt 52 Prozent) und mit 64 Prozent gleichauf die Angst vor Umweltverschmutzung und vor einer wachsenden Feindseligkeit zwischen den Menschen. Wobei die Angst vor der Umweltverschmutzung zurückgegangen ist (2019 noch 71 Prozent), die vor Feindseligkeit nach oben (von 56 Prozent). Niedrig wie nie: Die Sorge der Jugendlichen vor Arbeitslosigkeit oder fehlenden Ausbildungsplätzen.

 

"Sicherheit" steht für die
Jugendlichen oben auf der Agenda

 

Es habe nicht den Anschein, als ob das politische Interesse sowie die Bereitschaft zum Engagement ein kurzfristiger und medial verbreiteter Effekt einer vermeintlichen "Generation Greta" gewesen seien, schreiben die Autoren. Aber: Der Schwerpunkt ist ein anderer, es geht viel stärker als früher um das Bedürfnis nach Sicherheit (87 Prozent statt 77 Prozent im Jahr 2019). Kann das den Wahlerfolg der AfD bei Jungwählern und die Krise der Grünen in ihrer Gunst erklären?  

 

Noch zwei interessante Studienergebnisse: 25 Prozent der Jugendlichen lehnen Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine ab, die Hälfte ist dafür.  Ebenfalls ein Viertel verteidigt Aktionen von Klimaaktivisten wie der "Letzten Generation", 56 Prozent tun das nicht und bringen den Autoren zufolge "damit die bei ihnen vorhandene Distanz zum Ausdruck". 

 

Alle demokratischen Parteien sollten sich fragen: Schenken sie der jungen Generation inmitten der dramatischen Alterung unserer Gesellschaft genug Aufmerksamkeit, bieten sie ihr genug konstruktive Antworten auf ihre Sorgen und Interessen? Denn die gute Nachricht ist: Die Jugendlichen denken viel differenzierter, als mancher glaubt.

 

Dieser Kommentar erschien zuerst in meinem kostenfreien Newsletter.



In eigener Sache: Journalismus kostet

Vielen Dank für Ihre Unterstützung meiner Arbeit! Wie steht es um den Blog? Ein aktueller Überblick und eine Bitte.

 

Mehr lesen...


></body></html>

Kommentar schreiben

Kommentare: 1
  • #1

    Tim Berkenau (Donnerstag, 17 Oktober 2024 11:20)

    "Die politische Mitte (26 Prozent) wird kleiner. Aber immer noch deutlich mehr Jugendliche (46 Prozent) stufen sich als (eher) links ein im Vergleich zu (eher) rechts (18 Prozent)."

    Das übliche Muster: Links ist gut, rechts ist böse.

    Dabei gehört zu einer lebendigen, wirklich pluralen Demokratie sowohl Rechts wie Links. Nur in Deutschland reagiert man hysterisch, wenn sich eine dezidiert rechte Partei etabliert - die im Übrigen weder Wahlen abschaffen noch die Presse zensieren oder Andersdenkende inhaftieren will. Unsere Nachbarn sind da viel gelassener und erwachsener.