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Aus der "T!RAUM"?

Mittelsperre für zwei Programmlinien: Seit April hängen zahlreiche regionale Innovationsprojekte in der Schwebe – weil laut BMBF das Geld alle ist. Vorhaben und Mitarbeiter fürchten um ihre Zukunft.

Screenshot der BMBF-Programmseite von "T!Raum".

ALS DIE NEUE BMBF-PROGRAMMLINIE startete, waren die Erwartungen groß. Man kann sie noch auf der Website von "T!Raum" nachlesen: Über die "Entwicklung neuartiger Transferinstrumente" könnten Hochschulen und Forschungseinrichtungen dafür sorgen, dass Innovationen schneller in strukturschwache Regionen gelangten, "was einen positiven Strukturwandel stärkt". Und zwar in Zusammenarbeit mit Unternehmen, regionalen Initiativen und Kommunen. "T!Raum" steht für "TransferRäume für die Zukunft von Regionen".

 

Die aus über 100 Förderanträgen ausgewählten zwölf Initiativen reichen von "AIPer", einem Projekt, das die Lebensqualität älterer Menschen in der deutsch-polnischen Grenzregion verbessern soll, über "GreenCHEM", das in Berlin und Umland die Transformation von Deutschlands drittgrößter Branche Richtung Kreislaufwirtschaft vorantreiben will, bis hin zu "InnoNord", das in Schleswig-Holstein Speichertechnologien für die Energiewende bis zur Anwendung führen will, darunter die Ammoniak- und Wasserstoff-Speicherung und die CO2-Speicherung aus Abgasen zur weiteren Nutzung.

 

Strukturwandel, Industrietransformation, die Verbindung technischer und sozialer Innovationen, neue Formen des Transfers zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft: Es sind genau die Themen und Buzzwords, von denen sich Wirtschaftsexperten Deutschlands Wiederaufstieg aus der Innovationskrise erhoffen.  

 

Die Hiobsbotschaft kam
kurz nach Frühlingsanfang

 

Die Hiobsbotschaft kam nach Frühlingsanfang. Per Mail und teilweise wie nebenbei teilte der Projektträger Jülich mit, dass es vom 22. April 2024 an nicht mehr möglich sei, geprüfte "T!Raum"-Umsetzungsvorhaben freizugeben. Grund: eine Mittelsperre durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). 

 

Zuerst hofften viele Initiativen-Koordinatoren und Projektleiter, es handle sich nur um wenige Wochen Verzögerung. Doch mit jedem Monat, der verging, wuchsen die Zukunftssorgen der Mitarbeiter, deren Arbeitsverträge vor dem Auslaufen standen, und die Fragen der Unternehmen und anderer Projektpartner wurden immer drängender. Im September hatten die Initiativen dann genug. Elf der zwölf verfassten einen gemeinsamen Brandbrief an das BMBF, adressiert an den parlamentarischen Staatssekretär Mario Brandenburg.

 

"Sollte die Mittelsperre andauern, ist mit einer starken Verzögerung bzw. einem teilweisen Nichterreichen der Förderziele der T!Raum-Programmlinie zu rechnen", warnten die Unterzeichner. Betroffen von der Sparmaßnahme seien "auch Vorhaben, welche im Jahr 2023 eingereicht wurden und seit nun elf Monaten auf eine Mittelfreigabe warten". Teilweise seien Initiativen zu weniger als einem Drittel des beantragten Umfangs bewilligt worden, "welches die Projektarbeit erheblich beeinträchtigt. Besonders hart sind jene Initiativen betroffen, deren Lenkungsprojekte sich nicht etablieren können." 

 

Die "T!Raum"-Initiativen bestehen jeweils aus mehreren Projekten, die sich auf den sogenannten "Lenkungsbereich", die strategische Gesamtsteuerung, und den "Werkstattbereich" unterteilen, letzteres vor allem die Kooperationen mit den Praxispartnern. In ihrem Brief listen die elf Unterzeichner-Initiativen ihre insgesamt 97 Teilprojekte auf, von denen 28 auf die Bewilligung warten, darunter zwei Lenkungsprojekte. "Kommt es nicht zur Formierung des jeweiligen Lenkungsbereiches, gefährdet dies die gesamte zugehörige Initiative, da die zentrale koordinierende Einheit fehlt", warnt der Brief.

 

Bei den "Werkstattprojekten" bewirke der Bewilligungsstopp dagegen, "dass sich Partnereinrichtungen entscheiden, ihre zeitlichen Ressourcen in andere Vorhaben zustecken, selbst wenn Skizzen bereits positiv durch den T!Raum-Beirat beschieden worden sind". Das verhindere eine erfolgreiche Projektumsetzung massiv und schwäche das Vertrauen der Partner in eine weitere Projektzusammenarbeit auch für andere und zukünftige Förderprogrammlinien. Mitarbeiter verließen die betroffenen Initiativen, die Abwanderung von Fachkräften treffe strukturschwache Regionen besonders schwer. "Dies führt auch zu Verzögerungen im Projektstart, sollte ein Projekt final bewilligt werden, aber die notwendigen Fachkräfte nicht zeitnah rekrutiert werden können."

 

Ein finsteres Bild und Warnungen
vor weiteren Einschnitten

 

Es ist ein finsteres Bild, das die Initiativen da zeichnen, sie appellieren ans BMBF, "weitere Schäden vom Wissenschaftsstandort Deutschland, den Vertrauensverlust von Partnereinrichtungen und der Gesellschaft sowie die Abwanderung von Know-How-Träger*innen aus strukturschwachen Regionen zu verhindern".

 

Die "T!Raum"-Mahnungen reihen sich ein in die Proteste von Industrie und Wissenschaft, die Bundesregierung plane auch an anderer Stelle Einschnitte, konkret bei der Batterieforschung. In dem vorläufigen Beschlusspapier für die Ministerpräsidentenkonferenz nächste Woche, über das Table Media berichtet, kritisieren nun auch die Regierungschefs die Absicht, "die Förderung der Batterieforschung massiv zu kürzen und ab 2029 ganz einzustellen". Die Sparabsicht sei "eine ernste Gefahr für die Energieversorgung und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands".

 

Zurück zu "T!Raum". Pro Initiative und Drei-Jahres-Förderzeitraum sind bis zu sechs Millionen Euro vorgesehen, macht auf alle zwölf Initiativen gerechnet im Schnitt 24 Millionen Euro pro Jahr. Das BMBF bestätigt auf Anfrage die Mittelsperre. Der Grund sei, dass die vorhandenen Mittel in dem entsprechenden Haushaltstitel ausgeschöpft seien, sagt eine Sprecherin. "Zudem ist eine qualifizierte Sperre im Titel bei der Mittelbewirtschaftung zu berücksichtigen. Wir bemühen uns im Interesse aller Beteiligten um eine schnellstmögliche Lösung."

 

Auf Nachfrage teilt das Ministerium außerdem mit, das neben "T!Raum" auch die Programminline "WIR! – Wandel durch Innovation in der Region" betroffen sei, und zwar von einem Bewilligungsstopp der ersten und zweiten Auswahlrunde, "da diese aus demselben Titel finanziert werden". Weitere Sperren bestünden nicht.

 

Opfer der DATI-
Haushaltssperre

 

Ein Blick in den BMBF-Haushalt für 2024. Der betreffende Haushaltstitel mit der Nummer 683 10 im Kapitel 3004 trägt die Überschrift: "DATI, regionale Innovationsökosysteme, Forschung an Fachhochschulen, Hochschulen für angewandte Wissenschaften". Die einzige aufgeführte Sperre in dem Titel bezieht sich auf die DATI, die immer noch nicht gegründete Deutsche Agentur für Transfer und Innovation.

 

Auf gut 35 Millionen Euro des Agenturbudgets sollte das Ministerium in diesem Jahr erst Zugriff erhalten, wenn ein "schlüssiges Konzept" zur DATI-Gründung vorliegt. Aktuell aber hängt die DATI immer noch im Ressortstreit fest – auch wenn Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) zuletzt Hoffnung machte, das DATI-Konzept könne in einer der nächsten Kabinettssitzungen beschlossen werden. 

 

Gleichzeitig musste das BMBF aber bereits kurzfristig die beiden sehr begehrten DATI-Pilotförderlinien finanzieren. Mit der Folge, dass das Geld für "T!RAUM" und "WIR!" nicht mehr gereicht hat? Das wäre bitter – würde aber immerhin die Hoffnung bedeuten, dass mit einem baldigen DATI-Kabinettsbeschluss und dem folgenden Verzicht auf eine neue Sperre durch den Haushaltsausschuss zumindest nächstes Jahr die Förderung weitergehen könnte. Anders verhielte es sich, falls bei dem Bewilligungsstopp auch die nötigen Umschichtungen nach dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) durchgeschlagen sein sollten.

 

Nur: Nichts Genaues weiß man nicht. Zwar beantwortete das BMBF den Brandbrief der elf Initiativen recht zügig, Absender war allerdings nicht Staatssekretär Brandenburg, sondern die Arbeitsebene. Die wesentliche Botschaft des Ministeriums beschränkte sich auf einen Absatz: Das Bedauern über die Sperre. Die Versicherung, sie so kurz wie möglich zu halten. Die Betonung, man mühe sich "auf allen Ebenen um eine schnellstmögliche Lösung". Und die Ankündigung: "Sie werden umgehend informiert, sobald Bewilligungen wieder realisiert werden können."

 

Auf meine Anfrage hin wurde das BMBF kaum konkreter. Gefragt nach einem Zusammenhang mit dem KTF und anderen wirtschaftsfördernden Maßnahmen der Bundesregierung antwortete die Ministeriumssprecherin, das BMBF nehme "in seinem Zuständigkeitsbereich und im Rahmen der Gesamtpriorisierung der Bundesregierung eine eigenständige Priorisierung vor. Maßnahmen anderer Ressorts werden insbesondere im Rahmen der Früh- und Ressortkoordinierung berücksichtigt." Der Bewilligungsstopp habe keine strategischen Hintergründe. "Zudem ist zu betonen, dass keine Mittelkürzungen in diesen Programmlinien vorgenommen wurden."

 

Eine Evaluation mit angesichts
der Mittelsperre erwartbaren Ergebnissen?

 

Aber ist es nicht strategisch, wenn, wie zu hören ist, alle BMBF-Abteilungen zehn bis 15 Prozent ihrer beweglichen Mittel nicht binden sollen, um Spielraum für die Ministeriumsspitze für Priorisierungen zu erhalten? Und sei es nur zur Deckung der extrem großen Globalen Minderausgabe? Und entspricht es nicht doch einer Mittelkürzung, wenn Bewilligungen ausgesetzt werden in einem Förderprogramm mit einer festen Laufzeit, in diesem Fall maximal dreimal drei Jahre? Das Förderprogramm verlängert sich ja nicht am Ende.

 

"Das Antwortschreiben des BMBF vergrößert die Unsicherheiten darüber, ob das Programm weitergeführt wird", sagt einer der zwölf Initiativen-Koordinatoren. "Das Fehlen konkreter Antworten auf unsere Sorgen und Fragen sowie das Delegieren der Antwort auf eine hierarchisch untergeordnete Person sind ursächlich dafür." In jedem Fall entstehe der Eindruck, dass diese Programmlinie für das BMBF keine besondere Priorität genieße. "Ein irritierender Eindruck, da Deutschland als führende Forschungsnation nur dann durch wissenschaftsbasierte Innovationen Wirtschaftswachstum und Nachhaltigkeitsziele erreicht, wenn die bisherige Schwäche des Transfers verbessert wird – das zentrale Ziel dieser Programmlinie. Gleichzeitig verschärfen die allgemeine Haushaltslage sowie Kürzungen in anderen Programmlinien des BMBF die Befürchtung, dass es zu Kürzungen kommen wird."

 

Alles stehe in seiner Initiative bereit, die Transferprojekte zu unterstützen und aus dieser Unterstützung wichtige Erfahrungen für die Verbesserung von Transfer zu erzielen. "Nur gibt es aufgrund der Mittelsperre eben nichts zu unterstützen, nichts zu lernen und nichts zu verbessern." Gleichzeitig stehe Mitte 2025 die Zwischenevaluation aller Initiativen an, die darüber entscheide, ob die Initiativen in die nächste dreijährige Förderperiode gelangten. "Die Frage stellt sich: was soll evaluiert werden, wenn keine Werkstattprojekte begonnen haben oder erst seit wenigen Monaten gestartet haben werden?" So erwachse die viel größere Sorge, dass politisch gewollte Fördermittelkürzungen ganz einfach mit der Begründung zu erzielen sind: "Ihre Initiative zeigt keine Wirkung! Danke, Ende der Förderung! Ja, Ende der Programmlinie T!Raum." 

 

Nebenbei zeigt die Geschichte um den Bewilligungsstopp auch im Verhalten der betroffenen Initiativen eine besorgniserregende Tendenz. Nur elf von zwölf Initiativen trauten sich überhaupt, den Brandbrief zu unterzeichnen. Und öffentlich äußern wollte sich trotz der enormen Aufregung, der Sorgen und des Ärgers über das BMBF am Ende nur ein einziger Koordintor – und auch das nur unter der Bedingung, dass weder er noch seine Initiative namentlich genannt werden. Zu groß, sagt er, sei die Sorge, vor negativen Konsequenzen, schließlich seien fast alle "T!Raum"-Wissenschaftler auch anderswo auf die BMBF-Projektförderung angewiesen. "Die Fördermittelaffäre hat die Verunsicherung noch verstärkt."



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Kommentare: 3
  • #1

    Mario Brands (Freitag, 18 Oktober 2024 10:36)

    Derartige Kürzungen sind schon tragisch. Aber man hole sich die Mittel doch einfach durch Einstellung der Extra-
    Initiative.

  • #2

    na ja (Freitag, 18 Oktober 2024 16:22)

    Projektförderung ist halt keine Sozialleistung. Man konkurriert um knappe Mittel. Das sollten manche Akteure im Wiss.bereich endlich einmal begreifen.

  • #3

    Wolfgang Kühnel (Samstag, 19 Oktober 2024 10:42)

    Zum Beitrag #2: Und so nebenbei sieht man, welche Probleme es gibt, die Forderung von "IchBinHanna" nach Dauerstellen im Bereich der außeruniversitären Forschung praktisch umzusetzen.