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"Wenn Sie nichts Neues zu sagen haben, vermeiden Sie, den Buchmarkt mit Veröffentlichungen zu behelligen"

Welche Rolle spielt der Wettbewerb in der Wissenschaft? Wird er in der Exzellenzstrategie angemessen umgesetzt? Und wie sollte die "ExStra" weitergehen? Ein Gespräch mit BBAW-Präsident Christoph Markschies über bittere persönliche Erfahrungen, die Eigenlogik der Wissenschaft – und Bundesligavergleiche.

Foto: bbaw / Pablo Castagnola.

"MEINE ERSTE BEGEGNUNG mit der Exzellenzinitiative war ein unglaublicher Schock", sagt Christoph Markschies. Der Professor für Antikes Christentum war von 2006 bis 2010 Präsident der Berliner Humboldt-Universität und musste gleich zu Beginn seiner Amtszeit die Niederlage der HU im Rennen um den Exzellenz-Titel erfahren.

 

In einer neuen Folge von "Wiarda wundert sich" spricht Markschies, seit 2020 Präsident der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (BBAW), über seine persönlichen Erfahrungen mit dem Exzellenz-Wettbewerb, beschreibt umfangreiche Reformbedarfe – und erklärt, warum er zugleich von der positiven Wirkung der "ExStra" überzeugt ist.

 

"Ich war selbst an dem bitteren Abend im Januar 2006 der Ansicht, diese Scharte muss ausgewetzt werden", sagt Markschies, "weil ich den Eindruck hatte: Eine Veränderung des – wenn ich es freundlich beschreibe, sage ich immer – marmorierten, in Stein gemeißelten deutschen Universitätssystems, wenn ich unfreundlich gestimmt bin: des betonierten – deutschen Hochschulsystems ist nur durch eine solche Herausforderung, durch Wettbewerb, durch zusätzliche Finanzen und so weiter in wirklich großem Stil möglich. Insofern habe ich damals gedacht, ich muss unbedingt diese Scharte auswetzen." 

 

Markschies nimmt im Podcast auch Bezug auf die von Thorsten Wilhelmy angestoßene Debatte über die Zukunft der Exzellenzstrategie. Der Geschäftsführer der Berliner Einstein-Stiftung hatte in der FAZ ein Wettbewerbs-Moratorium nach der kommenden Förderrunde vorgeschlagen.Die Hochschulen litten unter dem überhitzten Wettbewerb, argumentierte Wilhelmy.

 

"Dass der Wettbewerb überhitzt ist, finde ich zu scharf formuliert", sagt Christoph Markschies. Einerseits: Den Wettbewerb zu unterbrechen oder gar zu beenden, "würde außerordentlichen Beifall finden." Auch aus seiner persönlichen Sicht als Hochschullehrer, sagt Markschies: Wenn man ihm jetzt sagen würden, "wir überweisen dir das Geld ohne Wettbewerb – ich würde diesen Vorschlag sofort begrüßen."

 

"Die Universität braucht
den Wettbewerb"

 

Andererseits sagt Markschies und widerspricht sich damit zugleich selbst: Nein, er würde einen solchen Vorschlag in Wirklichkeit nicht begrüßen, "weil ich denke, dass das wettbewerbliche Element nichts der Universität Fremdes ist. Das ist nicht eine Wirtschaftslogik, die irgendwann durch die Bertelsmann-Stiftung und die entfesselte Hochschule auf die armen Universitäten übertragen wurde, sondern ich versuche, ein wissenschaftliches Problem besser zu verstehen als die, die es vor mir verstanden haben." Seine akademische Lehrerin habe immer gesagt: "Wenn Sie nichts Neues und Besseres zu sagen haben, vermeiden Sie dringend, den Buchmarkt mit Veröffentlichungen zu behelligen." Also, sagt Markschies: "Die Wettbewerbslogik ist inhärent und die Universität braucht sie, auch wenn man durch den Wettbewerb angespornt wird." 

 

Und was ist mit dem "Discussion-Papier" des früheren BMBF-Staatssekretärs und jetzigem Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung Georg Schütte, das der zusammen mit dem Stifterverbands-Generalsekretär Volker Meyer-Guckel verfasst hat? Schütte und Meyer-Guckel hatten es im August 2024 auch in einer Folge von "Wiarda wundert sich" vorgestellt und dabei ihren Vorschlag eines Wechsel von der Wettbewerbs- zur Wirkungslogik im Wissenschaftssystems erläutert.

 

Er könne mit diesem Vorschlag "außerordentlich viel damit anfangen", sagt Markschies, "wenn wir uns darüber verständigen, was Wirkung heißt". Über den Wirkungsbegriff müsse nachgedacht werden. Und zugleich über eine Reform der Exzellenzstrategie – weg von überbordenden Begutachtungsverfahren, hin zu einer stärkeren Berücksichtigung der erreichten wissenschaftlichen Reputation einer Institution. Inzwischen sei der Blick auf Einzelindikatoren und -aspekten so sehr ins Zentrum von Begutachtungen gerückt, dass über diesem "handwerklichen Teil", so Markschies, die eigentlich entscheidende Frage aus dem Blick gerate: "Wie profilieren sich Universitäten im Blick auf das Fächerspektrum?" 

 

Hatte nicht bereits die Imboden-Kommission ähnlich – und erfolglos –argumentiert, als sie vor einem knappen Jahrzehnt die Exzellenzinitiative evaluieren und Vorschläge für den Nachfolge-Wettbewerb machen sollte? "Na ja", sagt Markschies: Dass die Eigenlogik der Wissenschaft bei der Politik nicht verfange, spreche nicht gegen den Vorschlag. Die Diskussion um die Umgestaltung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes zeige derweil "sehr, sehr deutlich", "dass man den Schwarzen Peter um Gottes Willen nicht allein den Universitäten zuschieben kann". 

 

Am Ende des Podcasts macht Markschies eine Ankündigung: Wie schon zur Exzellenzinitiative werde die BBAW eine neue Arbeitsgruppe einrichten zur Langzeitbeobachtung der Exzellenzstrategie. Nicht im Sinne einer "Nachfolge der Imboden-Kommission", sondern damit "man nicht einfach weiter stolpert, sondern eine Atempause nimmt, kein Moratorium, sondern Fakten braucht, um dann mit vereinten Kräften wieder zu starten." Denn auch wenn die Politik die bisherige Debatte zur Zukunft der Exzellenzstrategie weitgehend schweigend begleite, sei er sicher. Wenn diese Runde zu einem Ende gekommen sei, werde "aus vielerlei Gründen auch eine entsprechende Debatte darüber einsetzen". 



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Als Download:
Wiarda wundert sich_Markschies_mixdown.m
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Kommentare: 1
  • #1

    Django (Montag, 21 Oktober 2024 13:53)

    Markschies: "Seine akademische Lehrerin habe immer gesagt: "Wenn Sie nichts Neues und Besseres zu sagen haben, vermeiden Sie dringend, den Buchmarkt mit Veröffentlichungen zu behelligen." Also, sagt Markschies: "Die Wettbewerbslogik ist inhärent und die Universität braucht sie, auch wenn man durch den Wettbewerb angespornt wird." "

    Er übersieht dabei, dass gerade aufgrund der Wettbewerbslogik der Rat seiner akademischen Lehreren massenhaft in den Wind geblasen wird, denn: "Publish or perish."